Recht

Kirchliches Arbeitsrecht

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 4/2020

Bernhard Baumann-Czichon, Lothar Germer, Mira Gathmann: Mitarbeitervertretungsgesetz in der Evangelischen Kirche (MVG-EKD. Der neue Kommentar für die Praxis, Hrsg. v. d. Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.di), Kellner Verlag Bremen, 4. aktualisierte Auflage 2018, ISBN 9783927155329, € 49,90

Das Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG) in der Evangelischen Kirche ist ein kirchliches Gesetz zur Regelung der betrieblichen Mitbestimmung für Beschäftigte in den Kirchenverwaltungen sowie deren Einrichtungen wie z.B. der Diakonie. Es regelt u.a. die Bildung und Zusammensetzung der Mitarbeitervertretung, deren Wahl und Amtszeit, die Rechtsstellung der Mitglieder, die Geschäftsführung, Aufgaben und Befugnisse der Mitarbeitervertretung, die Interessenvertretung besonderer Mitarbeitergruppen, den Gesamtausschuss der Mitarbeitervertretungen sowie letztendlich den kirchengerichtlichen Rechtsschutz. I. In dem Besprechungswerk findet sich im vorderen Teil ein Abdruck des gesamten EVG-EKD sowie der Wahlordnung zum Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Daran schließen sich ein Kommentar zum MVG-EKD sowie ein solcher zur Wahlordnung an. Im Kommentarteil findet der Leser zu jedem Paragrafen die Erläuterungen der Kommentatoren, während im hinteren Teil des Buches in einem „Anhang“ wichtige kirchliche und staatliche Gesetze aufgeführt sind. Ein ausführliches Abkürzungsverzeichnis vorn im Buch sowie ein detailliertes Stichwortverzeichnis am Ende des Werkes erlauben ein rasches Auffinden der gewünschten Kommentarstelle. Damit ist das Werk sehr praxisnah gestaltet und ein „echtes Nachschlagewerk“ für jeden, der mit rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der dem Recht der Mitarbeitervertretung in der evangelischen Kirche befasst ist.

Eingebaut in die „Erläuterungen“ der jeweiligen Kommentatoren sind sowohl die einschlägige arbeitsgerichtliche Rechtsprechung sowie zahlreiche Entscheidungen von Kirchengerichten, Schieds- und Schlichtungsstellen sowie die geltenden Verfahrensvorschriften.

Der Kommentar besticht durch Praxisnähe und ist eine wertvolle Hilfestellung für Mitglieder der Mitarbeitervertretung sowie der jeweiligen Dienststellenleitung. Er zeichnet sich durch eine klare Sprache aus, ist gutlesbar und verständlich selbst für Leser, die sich erstmals mit der doch recht komplizierten Materie befassen.

II. So werden im Kommentarteil in § 33 z.B. die Grundsätze der Zusammenarbeit von Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung ausführlich erläutert. Diese sollen „vertrauensvoll und partnerschaftlich“ zusammenarbeiten. Die Handlungsmaximen, wie das funktionieren kann, sind in den Rz. 3 ff. zu § 33 nachzulesen.

Breiten Raum nimmt die Kommentierung der einzelnen Vorschriften der Beteiligungsmöglichkeiten der Mitarbeitervertretung ein. So sind die „Erläuterungen“ zu § 34 sehr ausführlich gehalten, in welchem es um die Informationsrechte der Mitarbeitervertretung geht. Unter Zugrundelegung der einschlägigen Rechtsprechung werden hier die einzelnen Informationspflichten ausführlich besprochen. Erläutert werden auch die in § 36 geregelten Modalitäten des Abschlusses von Dienstvereinbarungen sowie die Systematik der Beteiligung der Mitarbeitervertretung, die vom bloßen Unterrichtungs- und Verhandlungsanspruch bis hin zum vollen Mitbestimmungsrecht mit Sperrwirkung im Falle der Nichtzustimmung reicht. So regelt § 40 die Fälle der Mitbestimmung in organisatorischen und sozialen Angelegenheiten, während die Tatbestände der eingeschränkten Mitbestimmung in den §§ 42 und 43 geregelt sind. Hier wurden die einzelnen Mitbestimmungsregeln unter Berücksichtigung der jeweiligen Rechtsprechung ausführlich und praxisgerecht erklärt. Damit sind sowohl die Dienststellenleitung als auch die Mitglieder der Mitarbeitervertretung in der Lage, sich über die jeweiligen Mitbestimmungsrechte und -pflichten zu informieren. Dies gilt auch für die Tatbestände der Mitberatung in den §§ 45 und 46, die ebenfalls ausführlich dargestellt und erläutert werden. III. Diese Beispiele zeigen, dass der Nutzer des Handbuchs praxisnah Informationen für die Arbeit in und mit der Mitarbeitervertretung erhält. Zudem bieten die Kommentatoren im Vorspann ihres Kommentars an, dass sich Jeder mit Fragen auch direkt an die Autoren unter einer dort angegebenen Kontaktadresse wenden kann, was definitiv einen Mehrwert für den Nutzer des Werkes bedeutet. Das Besprechungswerk ist eine lohnende Anschaffung für jeden, der mit Fragen des MVG-EKD befasst ist. (csh)

 

Achim Richter: Die Kündigung im Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche, Luchterhand, 2. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2009, 270 S., kartoniert, ISBN 978-3-472-07462-5, € 29,00

Die Evangelische Kirche ist ein bedeutender Arbeitgeber, der sich wie private Arbeitgeber teilweise mit dem Problem konfrontiert sieht, Mitarbeiter kündigen zu müssen. Wie dies auf der Grundlage des kirchlichen Arbeitsrechts zu geschehen hat und in welcher Form die jeweilige Mitarbeitervertretung zu beteiligen ist, erläutert Richter ausführlich und praxisnah in dem obigen Besprechungswerk.​

I. Einleitend bespricht der Autor die vorgesehenen Beteiligungsformen bei Kündigungen: So sieht das MVGEKD für die ordentliche Kündigung nach der Probezeit die „eingeschränkte Mitbestimmung“ vor, während für die Kündigung während der Probezeit und die außerordentliche Kündigung die „Mitberatung“ geregelt ist. Voraussetzung für eine Beteiligung der Mitarbeitervertretung ist selbstverständlich deren Bestehen. Aus diesem Grunde erläutert Richter in einem weiteren Kapitel die Voraussetzungen für deren Bildung und widmet sich dann Fragen der Modalitäten der Kündigung von Arbeitsverhältnissen sowie dem Kündigungsschutz. Auch für Arbeitsverhältnisse mit kirchlichen Arbeitgebern gilt das staatliche Kündigungsschutzrecht, insbesondere das Kündigungsschutzgesetz.

Das eigentliche Beteiligungsverfahren setzt stets eine Maßnahme der Dienststellenleitung voraus. D.h. das Mitbestimmungsverfahren wird durch die Dienststellenleitung per Antrag eingeleitet. Die Kündigung nach der Probezeit darf erst ausgesprochen werden, wenn die Zustimmung der Mitarbeitervertretung vorliegt oder kirchengerichtlich ersetzt worden ist (§ 38 MVG-EKD).

Dieses Verfahren erläutert der Autor detailliert und wendet sich sodann der weiteren Frage zu, wie sich die gesetzlich vorgesehene Mitberatung bei Kündigungen während der Probezeit sowie bei außerordentlichen Kündigungen gestaltet. In diesem Fall benötigt der Arbeitgeber keine ausdrückliche Zustimmung, sondern kann die Kündigung aussprechen, wenn das formal in den §§ 45, 46 MVG-EKD vorgesehene Verfahren eingehalten worden ist. Die Darstellung der Beteiligung der Mitarbeitervertretung bei Kündigungen wird abgerundet durch einen Exkurs betreffend die Kommunikation über die Kündigung. Explizit zu nennen ist hier das Mitarbeitergespräch. In der Folge werden die Rechte der Mitarbeitervertretung besprochen sowie diskutiert, was bei der Kündigung von Mitgliedern der Mitarbeitervertretung zu beachten ist. Diese können nur außerordentlich mit Zustimmung der Mitarbeitervertretung gekündigt werden. Ein letztes Kapitel ist dem Verfahren vor dem Kirchengericht gewidmet.

Im Anhang finden sich Checklisten, eine EKD-Karte mit einem Verzeichnis der Kirchengerichte und Schiedsstellen, ein Literatur -und ein Stichwortverzeichnis. II. Das Handbuch ist praxisgerecht geschrieben. Wichtige Punkte werden durch Schaukästen optisch hervorgehoben. In zahlreichen Hinweisen wird der Leser auf spezielle Probleme aufmerksam gemacht. Mannigfache Rechtsprechungsbeispiele sorgen für zusätzliche Praxisnähe. Die einzelnen Kapitel sind gut gegliedert und ermöglichen einen leichten Lesefluss.

Damit kann das Besprechungswerk jedem, der sich mit Fragen der Kündigung unter der Geltung des MVG-EKD zu befassen hat, uneingeschränkt empfohlen werden. Das Werk stammt in der vorliegenden zweiten Auflage aus dem Jahr 2009. Wir dürfen uns schon auf die nächste Auflage freuen. (csh) ˜

Dr. Carmen Silvia Hergenröder (csh) ist als selbständige Rechtsanwältin tätig. Sie wirkte als Dozentin an der Fachhochschule des Bundes der BfA in Berlin im Bereich des Bürgerlichen Rechts und an der Handwerkskammer für Unterfranken im Bereich des Bürgerlichen Rechts und des Arbeitsrechts. In ihrer langjährigen Praxis als Referentin widmet sie sich insbesondere Seminaren zum Arbeits- und Berufsbildungsrecht sowie zum Betriebsverfassungsrecht. Zusätzlich arbeitet sie als Herausgeberin und Autorin juristischer Literatur. Sie ist Beraterin einer Schlichtungsstelle für Ausbildungsstreitigkeiten.

CASIHE@t-online.de


Richardi, Reinhard, Arbeitsrecht in der Kirche. Staatliches Arbeitsrecht und Kirchliches Dienstrecht, C. H. Beck, 8. Aufl., München 2020, ISBN 978-3-406-74707-6, 320 S. mit zwei Karten, € 69,00

Schon in 8. Auflage liegt das „Kirchliche Arbeitsrecht“ von Richardi vor. Dazu muss man wissen, dass die Kirchen nach dem Staat der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland sind, was die praktische Relevanz der Materie deutlich macht. Bedingt durch ihre verfassungsrechtliche Sonderstellung werfen Arbeitsverhältnisse mit kirchlichen Arbeitgebern eine Reihe von Sonderfragen auf. So hat einen privaten Arbeitgeber der außerdienstliche Lebenswandel seiner Mitarbeiter grundsätzlich nicht zu interessieren. Demgegenüber riskieren Arbeitnehmer der Kirchen ihren Arbeitsplatz, wenn ihr privates Verhalten mit den Wertvorstellungen der Kirchen nicht übereinstimmt. Vor einiger Zeit erregte der Fall einer Erzieherin Aufsehen, die 17 Jahre für eine Einrichtung der Diakonie erwachsene, behinderte Menschen betreute. Als ruchbar wurde, dass sie in ihrer Freizeit unter einem Pseudonym Pornos gedreht und diese im Internet veröffentlicht hatte, wurde sie entlassen. Die Arbeitsgerichtsbarkeit sah in diesem Verhalten eine schwerwiegende sittliche Verfehlung, welche den Wertvorstellungen der evangelischen Kirche und der Diakonie im Rahmen ihrer Sozialethik widerspreche. Damit sei die Kündigung rechtens. Das Buch von Richardi geht freilich über die damit angesprochenen Fragen weit hinaus.

Das erste Kapitel ist der arbeitsrechtlichen Regelungsautonomie zur Sicherung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gewidmet. Richardi erläutert zunächst die staatskirchenrechtlichen Grundlagen und damit die Konsequenzen, welche aus Art. 140 GG iVm den Kirchenar-tikeln der Weimarer Reichsverfassung folgen (§ 1). Die Bedeutung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Hinblick auf die arbeitsrechtliche Beurteilung der Arbeitsverhältnisse (§ 2) sowie der Geltungsbereich der arbeitsrechtlichen Regelungsautonomie (§ 3) werden als nächstes betrachtet. Interessant sind vor allem die Ausführungen zu den Zuordnungskriterien bei rechtlich verselbständigten Einrichtungen (S. 30 ff.). Wird ein Krankenhaus in einer privatrechtlichen Organisationsform geführt, mag man sich schon fragen, warum hier nicht Betriebsverfassungsrecht, sondern kirchliches Mitarbeitervertretungsrecht Anwendung findet. Abgeschlossen wird das erste Kapitel mit Ausführungen zur kirchenrechtlichen Ordnung der Arbeitsverhältnisse (§ 4), wobei die Fragen zur Geltung der Grundordnung der katholischen Kirche bzw. der Grundsatzregelungen der evangelischen Kirche von besonderer Bedeutung sind (S. 37 ff.).

Im zweiten Kapitel geht es um Kirchenautonomie und Individualarbeitsrecht. Mit „Staatliches Arbeitsvertragsrecht und Besonderheit des kirchlichen Dienstes“ ist § 5 überschrieben. Unter dieser Überschrift behandelt Richardi auch die komplexen Fragen, die sich bei Betriebsübergängen und Strukturveränderungen stellen (S. 60 ff.). Beim Selbstbestimmungsrecht bei der Personenauswahl und der Festlegung von Loyalitätsobliegenheiten (§ 6) ist natürlich auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Thema, wobei Richardi eine andere Sichtweise hat als das Bundesarbeitsgericht (S. 67 f.). Für den Praktiker am bedeutsamsten ist sicherlich der folgende Abschnitt über Kündigung und Kündigungsschutz (§ 7). Naturgemäß spielen das Zuwiderhandeln gegen kirchliche Loyalitätspflichten und hier wiederum der Verstoß gegen das kirchliche Eherecht eine Schlüsselrolle (S. 90 ff.). Was das Arbeitnehmer-schutzrecht angesichts der Kirchenautonomie anbelangt (§ 8), so ist also neues Problem die Mindestlohngesetzgebung aufgetaucht (S. 104 f.).

Koalitionsfreiheit und Koalitionsbetätigungsrecht in kirchlichen Einrichtungen skizziert Richardi im dritten Kapitel. Wiederum geht es zunächst um das Verhältnis zur Kirchenautonomie (§ 9), bevor die Koalitionsbetätigung im Fokus des Autors steht (§ 10). Wer die Bedeutung des „Ersten Weges“, des „Zweiten Weges“ und des „Dritten Weges“ in Bezug auf das Streikrecht noch nicht kennt, kann sich hier umfassend informieren. Dass Art. 9 Abs. 3 GG nicht vernachlässigt werden kann, liegt auf der Hand (S. 134 ff.). Wie weit die Koalitionswerbung gehen darf, ist nicht nur in privaten Betrieben ein Problem, die Vielzahl der Entscheidungen zu diesem Themenkreis belegt dies. Auch insoweit sind kirchliche Besonderheiten zu berücksichtigen (§ 11).

Nachdem die Kirchen partiell eigenes Arbeitsrecht setzen dürfen, interessiert natürlich, welche Regelungen es insoweit überhaupt gibt (Viertes Kapitel). Zunächst geht es um Kompetenzfragen (§ 12), dann werden Grundsät-ze und Formen des kirchlichen Arbeitsrechtsregelungsverfahrens nachgezeichnet (§ 13). Beim Überblick über das Recht des „Dritten Weges“ (§ 14) stehen bei der Evangelischen Kirche das Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz (ARGG-EKD), bei der Katholischen Kirche die KODA-Ordnungen im Blickpunkt. Gesondert dargestellt wird der Caritasverband (S. 173 f.). Rechtstheoretische Überlegungen zur Gleichwertigkeit der kirchlichen kollektiven Ordnung mit dem staatlichen Tarifvertragssystem (§ 15) beschließen das fünfte Kapitel.

Auch bei den Kirchen gibt es ein Mitarbeitervertretungsrecht (Fünftes Kapitel). Wiederum steht die Bedeutung der Kirchenautonomie für die Betriebsverfassung an erster Stelle (§ 16). Das Mitarbeitervertretungsrecht der Kirchen begreift Richardi als deren eigenes Betriebsverfassungsrecht (§ 17). Breiten Raum muss dann die Darstellung der mitbestimmungsrechtlichen Regelungen im Einzelnen einnehmen, wobei die katholische Kirche (§ 18) und die evangelische Kirche (§ 19) jeweils gesondert behandelt werden. Für den nur gelegentlich mit entsprechenden Fragen befassten Leser sind sicherlich die Beteiligungsrechte am interessantesten (S. 257 ff., 279 ff.).

Seit geraumer Zeit gibt es kirchliche Arbeitsgerichte, der Rechtsweg ist also gespalten (sechstes Kapitel). Nach der verfassungsrechtlichen Verortung der kircheneigenen Rechtskontrolle gegenüber dem staatlichen Gerichtsschutz (§ 20) streift Richardi kurz den staatlichen Rechtsweg bei Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis (§ 21). Näher eingegangen wird dann auf die Kollektivstreitigkeiten, für welche die kirchlichen Arbeitsgerichte zuständig sind (§ 22).

Wer sich aus Interesse einen Überblick über das kirchliche Arbeitsrecht verschaffen möchte, findet bei Richardi einen hervorragenden Überblick über die gesamte Thematik. Und wer sich beratend oder forensisch mit entsprechenden Fragestellungen auseinandersetzen muss, für den ist das Buch sowieso ein Muss. (cwh)

Erratum: In Ausgabe 03/2020 haben wir auf den Seiten 35/36 zwei Texte vermischt. Dies ist die korrekte Fassung der Buchbesprechung von Frau Dr. Carmen Silvia Hergenröder.

 

Bettina Schmidt: Schwerbehindertenarbeitsrecht, Nomos 3. Aufl. 2019, broschiert, 286 S., ISBN 978-3-8487-4801-3, € 44,00

Das Sozialgesetzbuch IX regelt die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen im Arbeitsprozess. So legt § 1 SGB IX fest, dass Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen erhalten, um ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen von Frauen und Kindern mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder sowie Menschen mit seelischen Behinderungen oder von einer solchen Behinderung bedrohter Menschen Rechnung getragen. In Betrieben ist es insbesondere die Schwerbehindertenvertretung, deren Aufgabe es u.a. ist, die Ausgliederung von Beschäftigten zu verhindern, welche sich im Laufe ihres Berufslebens eine Behinderung zugezogen haben. Die Interessenvertretung hat zudem die Aufgabe, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle zu fördern und ihnen beratend und helfend zur Seite zu stehen (§ 178 Abs. 1 SGB IX). Insoweit obliegt der Schwerbehindertenvertretung ebenso wie dem Betriebs- oder Personalrat auch ein Überwachungsauftrag. Sie hat u.a. darauf zu achten, dass Arbeitgeber ihrer Beschäftigungspflicht nach § 154 SGB IX nachkommen, die zugunsten der schwerbehinderten Beschäftigten bestehenden Gesetzesbestimmungen einhalten und präventive Maßnahmen bei den zuständigen Stellen beantragen (§ 178 Abs. 1 SGB IX) werden. Zudem steht der Schwerbehindertenvertretung ein Initiativrecht dahingehend zu, Maßnahmen bei den zuständigen Stellen zu beantragen, welche den behinderten Menschen dienen. Bei diesen Aufgaben wird sie durch die ihr gegenüber dem Arbeitgeber zustehenden Unterrichtungsrechte unterstützt.

Aber auch dem Integrationsamt kommen wesentliche Aufgaben zu, soweit es um die Wahrnehmung der berechtigten Interessen behinderter Menschen geht (vgl. im Einzelnen § 185 SGB IX). Im Arbeitsleben ist es z.B. von wesentlicher Bedeutung, dass schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Mitarbeiter nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses nur mit Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt werden dürfen (§§ 168, 174 SGB IX). Zudem ist die Kündigung nur wirksam, wenn eine vorhandene Schwerbehindertenvertretung angehört worden ist (§ 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX).

I. Mit dem Handbuch von Schmidt zum Schwerbehindertenarbeitsrecht erhält der Leser eine detaillierte Darstellung sämtlicher arbeitsrechtlicher und sozialrechtlicher Aspekte, die im Zusammenhang mit der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen von Relevanz sind. Die Autorin, ihres Zeichens Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht und Sozialrecht, möchte mit ihrem Werk allen Lesern, die mit Fragen des Schwerbehindertenarbeitsrechts befasst sind, eine wertvolle Hilfe an die Hand geben, um auftretende Probleme sach- und praxisgerecht lösen zu können. Hilfreich sind hierbei zahlreiche Beispiele, anhand derer auftretende Fragen besprochen werden.

So werden nach einleitender Erörterung der im Zusammenhang mit der Feststellung einer Behinderung bzw. Gleichstellung bestehenden Rechtsvorschriften die Pflichten der Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen dargestellt. Zu nennen sind z.B. die Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber sowie die Zahlung einer Ausgleichsabgabe, die in den §§ 154 ff. SGB IX geregelt sind. Weitere wichtige Themen sind die Modalitäten der Einstellung schwerbehinderter Menschen sowie deren Anspruch auf eine behindertengerechte Beschäftigung nebst Fragen des Anspruchs auf eine Teilzeitbeschäftigung sowie die Relevanz von Inklusionsvereinbarungen. Breiten Raum nimmt die Darstellung von möglichen Präventionsmaßnahmen sowie der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements – kurz BEM – ein. Wichtig ist auch die Besprechung möglicher Mehrarbeit von schwerbehinderten Mitarbeitern sowie deren Anspruch auf fünf Tage Zusatzurlaub nach § 208 SGB IX. Im zweiten Teil des Handbuchs befasst sich Schmidt mit dem Kündigungsschutz schwerbehinderter Mitarbeiter. So ist eine Kündigung ohne die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes sowie die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung unwirksam, wenn das Arbeitsverhältnis sechs Monate bestanden hat. Daneben gibt es „zustimmungsfreie“ Beendigungsmöglichkeiten wie der Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder aber die Befristung oder Anfechtung des Arbeitsvertrages.

Die Zustimmung ist explizit beim Integrationsamt zu beantragen und von diesem zu erteilen, sofern der Kündigungsgrund keinen Bezug zu der Schwerbehinderung hat. Dieses Verfahren gilt sowohl für den Ausspruch einer fristgemäßen als auch einer fristlosen Kündigung.

Schließlich befasst sich die Autorin auch noch mit Fragen des erweiterten Kündigungsschutzes. So bedarf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Mitarbeiters nach § 175 SGB IX auch dann der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, wenn sie im Falle des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung, der Erwerbsminderung auf Zeit, der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ohne Kündigung erfolgt. II. Das Besprechungswerk berücksichtigt in seiner dritten Auflage die durch das Bundesteilhabegesetz neu geschaffenen Regelungen ebenso wie die aktuelle Rechtsprechung. So wurde bswp. das Urteil des BAG vom 13.12.2018 zur Anhörung der Schwerbehindertenvertretung bei der Kündigung schwerbehinderter Mitarbeiter ebenso berücksichtigt wie das Grundsatzurteil des BAG vom 20.11.2014 zu der Frage, ob vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung ein BEM-Verfahren durchzuführen ist. Das Handbuch richtet sich an im Arbeitsrecht tätige Rechtsanwälte und Richter, an Personalabteilungen größerer Unternehmen, an Integrations-/Inklusionsämter, Integrationsfachdienste, Inklusionsbeauftragte von Arbeitgebern, an Betriebs- und Personalräte sowie an Schwerbehindertenvertretungen. Dieser Personenkreis sowie jeder Leser, der sich mit Schwerbehindertenrecht zu befassen hat, findet in dem Besprechungswerk eine zuverlässige Informationsquelle. Es kann uneingeschränkt zur Anschaffung empfohlen werden. (csh)

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