Schnell & Steiner beendet das Jubiläumsjahr seines 85-jährigen Bestehens
Am 24. November 2019 feierte der Verlag Schnell & Steiner das Ende des Jubiläumsjahrs anlässlich seines 85-jährigen Bestehens mit der 10. Verleihung des Schnell & Steiner-Kulturpreises „Kunst & Ethos“. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Mensch so alt wird und auch nicht, dass ein Verlag sich über so viele Jahre am Markt behaupten kann. Der Verlag Schnell & Steiner gehört zu den wenigen Verlagen, die von Anfang an und ohne Unterbrechung an der Frankfurter Buchmesse teilnehmen. Diese gibt es erst seit 1949, während der Gründungstag des Verlags der 24. November 1933 ist.
Wir sind der festen Überzeugung, dass man nur etwas gut machen kann, das man liebt und das einem am Herzen liegt.
Dr. Albrecht Weiland
Eine Verlagsgründung im Jahr der Machtergreifung Adolf Hitlers 1933 verlangt nach einer Erläuterung. Als erklärte Gegner des Nationalsozialismus hatten Hugo Schnell, geboren 1904, und Johannes Steiner, geboren 1902, beide 1933 ihre Arbeit verloren; beide waren bereits in der Verlagsbranche tätig und lernten sich über eine gemeinsame Bekannte kennen. Johannes Steiner hatte als Geschäftsführer für Fritz Gerlich und dessen bereits Anfang 1933 verbotene Wochenzeitung „Der gerade Weg“, die frühzeitig und eindringlich vor Adolf Hitler und dem Nationalsozialismus gewarnt hatte, gearbeitet. Mit der Verhaftung Gerlichs am 9. März 1933 und dem Verbot der Zeitschrift hatte auch er seinen Arbeitsplatz verloren. Fritz Gerlich wurde im Zuge des sogenannten Röhm-Putsches im Konzentrationslager Dachau ermordet. Hugo Schnell arbeitete als Feuilletonredakteur in Waldsassen. Er hatte sich bei der 1933 verbotenen „Bayernwacht“ engagiert, die eine Gegenbewegung zur nationalsozialistischen SA geworden war, und sich dort in zahlreichen Vorträgen kritisch über das Regime geäußert, was ihm eine Haft von mehreren Wochen und den Verlust des Arbeitsplatzes einbrachte. Zur Gründung des Verlags führte die Geschäftsidee der auch noch heute hergestellten „Kleinen Führer“ (Kunst-führer). Der Kunsthistoriker Hugo Schnell, der mit einer Arbeit über den bayrischen Barock promoviert hatte, brillierte bei Kirchenführungen für Freunde und Bekannte. Als umfassend Gebildeter wusste er sein Publikum abzuholen und Zusammenhänge herzustellen, so dass bei gemeinsamen Kirchenbesuchen mit Johannes Steiner die Idee entstand, die Erläuterungen Schnells gedruckt einem Publikum anzubieten. Man entwickelte also im Herbst 1933 Muster der Führer im Format 12 x 17 cm, um potentiellen Kunden das geplante Produkt zeigen zu können und sie davon zu überzeugen. Diese Führer sollten nicht nur fremde Besucher informieren, sondern auch den Angehörigen der jeweiligen Pfarrei die eigene Kirche nahebringen, die eigene katholische bzw. christliche Identität stärken und sie als Gemeinschaft enger zusammenbringen. Oft wurde den Pfarrangehörigen erst durch den Führer bewusst, an was für einem kostbaren und bedeutenden Ort sie jeden Sonntag ihren Gottesdienst feierten. In der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur stärkten die Kleinen Kunstführer somit das Wir-Gefühl und den Zusammenhalt der Christen vor Ort gegen die braune Unterdrückung. Dass den Nationalsozialisten dieser Aspekt nicht entging, kam in Beschlagnahmungen zum Ausdruck.
Die Kunstführer – als Kleine und Große Kunstführer, seit einigen Jahren in elektronischer Form durch die Tochterfirma „Artguide“ ergänzt – sind nach wie vor ein Kerngeschäft von Schnell & Steiner und die größte Kunstführerreihe Europas. Die Texte wurden und werden in der Regel damals wie heute von Kunsthistorikern geschrieben und die Fotos von professionellen Fotografen erstellt. Die Kleinen Kunstführer dienen der Dokumentation einer Vielfalt von Kunst- und Kulturschätzen. Ihr wissenschaftlicher Wert ist seit Ende der 1930er Jahre anerkannt: Auszeichnendes Merkmal ist ein wissenschaftlicher Text, an dessen Ende stets eine ausführliche Bibliographie steht und der auch für ein breiteres Publikum verständlich ist. Ihre optisch-graphische Gestalt wird in regelmäßigen Abständen neu gestaltet.
Die Kleinen und Großen Kunstführer werden seit 2013 von Heften zur modernen Architektur flankiert, denen mit dem Imprint „Stadtwandel-Verlag“ ein besonderes Augenmerk gilt. Die „Neuen Architekturführer“ funktionieren nach dem Prinzip der „Kleinen Kunstführer“ und zeigen Architekturklassiker und aktuelle Projekte aus Deutschland, wobei auch hier qualitätvolle Fotografien und verständliche Texte die entscheidende Rolle spielen. Die Reihe „Gedenk orte“ erinnert an die Zeit des Nationalsozialismus und somit an Orte, die die deutsche Geschichte prägen. Die Publikationen stellen sie in aktuellen Fotos vor und die Texte erzählen die Geschichte der Verbrechen, die einst dort begangen wurden. Die Hefte skizzieren die Entwicklung dieser Orte von der NS-Zeit über die oft jahrzehntelange Vernachlässigung bis zu den heutigen Gedenk- und Bildungsstätten. Jeder Band der Reihe „Gedenkorte“ fügt dem Bild, das wir uns von der Zeit des Nationalsozialismus machen können, eine weitere Schattierung hinzu. „Stadt im Wandel“ steht für Themen und Trends, die die Veränderung der Städte beeinflussen: Architektur und Stadtplanung, soziale Fragen und der demographische Wandel, das historische Bewusstsein und die technischen Möglichkeiten. Je nachdem, welcher Ort in dieser Reihe vorgestellt wird, stehen andere Aspekte im Vordergrund, doch eine Frage wird immer gestellt: Wie beeinflusst das Gebäude oder das Quartier den Stadtwandel in Zeiten des Klimawandels? Die Reihe stellt vorbildliche Projekte vor, die zeigen, was bei ressourcenschonendem Bauen und zukunftsfähiger Stadtentwicklung heute möglich ist. Ein bescheidenes Buchprogramm der Anfangszeit, das auch belletristische Titel enthielt, wurde von Verleger Dr. Albrecht Weiland seit 1996 zu einem kunst- und kulturgeschichtlichen Programm ausgebaut, das zeitlich von der Vorgeschichte bis in die Moderne reicht und vorwiegend, aber nicht ausschließlich auf wissenschaftliche Bände zielt. Im letzten Jahr erschienen mehr als 100 Titel. Im breiten Buchprogramm haben Ausstellungskataloge ihren Platz, aber auch rein historische Bücher. Besonders häufig sind Titel zur mittelalterlichen Kunst zu finden, und über die Jahre hat sich herausgebildet, dass Bände zur Kunst der Reformationszeit bei Schnell & Steiner ihren passenden Ort finden. Die Luther-Dekade stieß eine intensive Beschäftigung mit zumeist wenig erforschten Denkmälern an, die seit der Reformation entstanden waren. Diese zeigen eine Auseinandersetzung mit einer „katholischen“ Kunst auf sehr unterschiedliche Art und Weise und führten zur Entwicklung einer spezifischen Ikonographie. Erstaunlicherweise ist auch der protestantische Kirchenbau noch nicht umfassend untersucht worden, so dass ein zusammenfassendes Werk wie das zweibändige, im Juni erscheinende Werk „Protestant Church Architecture of the 16th– 18th Centuries in Europe“ ein echtes Desiderat ist. „Wir sind uns bewusst, dass die Verlagsbranche sich in einem raschen und grundlegenden Wandel befindet“, so der Verleger Dr. Albrecht Weiland. „Selbstverständlich müssen wir wie jedes Unternehmen vom Verkauf unserer Produkte leben. Für uns stehen bei der Produktion und dem Vertrieb von Büchern der kulturelle Auftrag und die Qualität an erster Stelle. Wir sind der festen Überzeugung, dass man nur etwas gut machen kann, das man liebt und das einem am Herzen liegt. Die Texte, die wir publizieren, sind qualitätvolle Texte, die sowohl auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau angesiedelt sind als auch auf einer allgemeinen, für ein breiteres Publikum verständlichen Ebene. Es ist uns wichtig, dass wir schöne Bücher herstellen, die optisch und graphisch mit Sorgfalt gestaltet sind. Wir haben ein Lektorat und beraten und unterstützen unsere Autoren. Jedes Buch hat seinen Ansprechpartner im Verlag. Wir hören immer wieder seitens der Kunden, wie wichtig für sie – neben der Qualität der Bücher – die persönliche Betreuung ist.“ Ein Marketing mit einer gedruckten sowie online abrufbaren Vorschau, mit Vertretern und Mailings gehört ebenfalls zu den selbstverständlichen Leistungen des Verlags. Eines betont der Verleger noch: „Jedes Buch hat seinen Wert und verdient Respekt. Die Autoren haben – wenn es sich zum Beispiel um eine Monographie handelt – jahrelang daran gearbeitet. Deswegen halten wir auch unsere Bücher über Jahre hinweg lieferbar.“
Nicht jeder Verlag bringt ein echtes Engagement für Kunst und Kultur darin zum Ausdruck, dass er einen Preis verleiht: Schnell & Steiner verleiht seit 2009 den mit 5.000 Euro dotierten Schnell & Steiner Kulturpreis „Kunst und Ethos“. Der Preis zeichnet ein Projekt eines Architekten, Künstlers oder Schriftstellers aus, das die Verbindung von Kunst und Ethos programmatisch zum Ausdruck bringt. Es kann sich dabei um ein Bauwerk, ein Ausstellungsprojekt, eine künstlerische Arbeit, eine Installation oder auch um ein literarisches Werk handeln. Der Preis ist weltanschaulich offen und regional nicht gebunden.
Und wie sieht die Zukunft des Kunstbuches aus? Dr. Weiland ist ebenso gelassen wie optimistisch: „Es wird eine geben. Gut gemachte, qualitätvolle Bücher werden ihre Leser finden. Wie das im Einzelnen aussehen wird, muss mein Nachfolger sehen: Ich bin sehr zuversichtlich, denn ich habe das große Glück, dass unser Sohn in absehbarer Zeit das Familienunternehmen übernimmt.“ Felix Weiland beendet nach einem BWL-Studium den Master-Studiengang „Verlags- und Handelsmanagement“ an der HWTK Leipzig in diesem Sommer. (ab) ●
Jan Harasimowicz – Protestant Church Architecture of the 16th–18th Centuries in Europe 2 Bde., ca 1.232 S., ca. 1244 Abb., 21 x 28 cm, Hardcover, fadengeheftet ISBN 978-3-7954-3409-0 € 118,00
(in englischer Sprache)
Die beiden Bände, mit zahlreichen Farbaufnahmen und Zeichnungen versehen, enthalten die erste umfassende Abhandlung zum protestantischen Kirchenbau im Europa der Frühen Neuzeit (16.–18. Jh.). Die Vielfalt der eingesetzten Baumaterialien und die Fülle an räumlichen Lösungen zeigen, wie groß das innovative und unternehmerische Potential war, das mit der Verbreitung und Stabilisierung der Reformation freigesetzt wurde. Es wurde mit der Alleinherrschaft der Süd- und Westländer, die dem Rest Europas ihre Kulturmuster aufzwangen, gebrochen. Die Nord- und ostmitteleuropäischen Länder waren seitdem ebenbürtig daran beteiligt, neue Werte zu schaffen. Ihr architektonisches Erbe, immer noch zu wenig bekannt, nimmt hier einen würdigen Platz ein.
Hartmut Junker – Stefanie Lieb Sakralbauten der Architektenfamilie Böhm 480 Seiten, 335 Farb-, 2 s/w Abb., 24 Pläne, 23 x 30, Hardcover, fadengeheftet ISBN 978-3-7954-3347-5 € 110,00
Der Verlag Schnell und Steiner hat anlässlich des 85-jährigen Jubiläums ein Buch über Sakralbauten der Architektenfamilie Böhm herausgegeben. Man entschied sich dafür, weil Kirchenarchitektur für den Verlag seit seinen Anfängen ein wichtiges Thema ist und auch in der 1947 gegründeten Zeitschrift „das münster“ neben anderen Themen diskutiert wird: Dominikus Böhm, sein Sohn Gottfried und seine Enkel Peter und Paul haben den Kirchenbau in Deutschland stark beeinflusst und Sakralbauten errichtet, die als Meilensteine der modernen Kirchenarchitektur gelten. Der Band dokumentiert diese Kirchenbauten in ausdrucksstarken Fotografien und stellt sie in ihrer Räumlichkeit und in ausgewählten Details dar. Die Fotos werden von kurzen, auf das Wesentliche konzentrieren Texten begleitet, die grundlegend in die Architektur der Kirchen einführen.