Recht

Insolvenzrecht

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 6/2022

Schmidt, Andreas / Wischemeyer, Markus / Wolgast, Matthias, Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung InsVV (Heidelberger Kommentar), 1. Aufl., C. F. Müller, Heidelberg 2022, ISBN 978-3-81148741-3, XXII und 312 S., € 79,00. (auch als e-book: ISBN 978-3-8114-8753-6, € 78,99)

    Rechtliche Beratung ist selten umsonst; ganz abgesehen davon, dass die unentgeltliche Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten vom Gesetzgeber bisweilen durchaus kritisch gesehen wird. Auf der anderen Seite muss auch die Juristenschaft von etwas leben, weshalb ihre Tätigkeit grundsätzlich zu vergüten ist. Wer nicht als Staatsdiener alimentiert wird, ist auf Honorare der Klientele angewiesen. Deren Höhe ist zwar an sich durch Vergütungsgesetze normiert, gleichwohl bleiben viele Fragen in Bezug auf die zutreffende Berechnung des Entgelts offen. Dies gilt auch und gerade für das Insolvenzverfahren und so ist es schon deshalb zu begrüßen, dass sich Schmidt, Wischemeyer und Wolgast dieses Themas angenommen haben. Die genannten Autoren sind allesamt ausgewiesene Kenner des Insolvenzrechts aus Justiz und Beratungspraxis. Gegenstand der Darstellung sind die Entgeltsätze nach der Insolvenz­rechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV). Ausweislich des Vorwortes geht es den Autoren darum, den Insolvenzverwaltern und den Rechtspflegern sowie den betroffenen Gläubigern und ihren Vertretern eine Hilfestellung für die wertungssichere Einordnung von Vergütungsanträgen und -beschlüssen zu geben und Antworten zu liefern, wie die Festsetzung der Vergütung in der insolvenzgerichtlichen Praxis funktioniert und unter welchen Voraussetzungen ein Zuschlag oder ein Abschlag angezeigt erscheint. Sehen muss man, dass auf der einen Seite hohe Vergütungen die Masse schmälern, anderseits natürlich die Insolvenzverwalterschaft angemessen entlohnt werden will. Gerade erfahrene institutionelle Insolvenzgläubiger werden also nicht selten mit den in Ansatz der Verwalter gebrachten Kostensätzen nicht einverstanden sein. Auf der anderen Seite ist es durchaus „menschlich“, dass seitens der Verwalter die Gebührensätze und die Möglichkeiten von Zuschlägen ausgereizt werden. Der Rechtspflegerschaft obliegt es, hier im sprichwörtlichen Sinne das richtige Maß zu finden. In dieser Gemengelage der Interessen will das Werk von Schmidt, Wischemeyer und Wolgast eine Entscheidungshilfe sein. Der Leser findet zu den Vorschriften der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung sowie zu § 269 g InsO und Art. 77 EuInsVO ausführliche Erläuterungen nebst umfangreichen Literatur- und Rechtsprechungshinweisen.

    Der eigentlichen Kommentierung ist eine durchaus kritische Betrachtung des aktuellen Vergütungssystems vorangestellt. Schmidt scheut sich auch nicht, auf eine möglicherweise bestehende „Nähe“ von Rechtspfleger und Insolvenzverwalter (Rn. Einl. 15) hinzuweisen. Soweit die Einschaltung von Rechtsanwälten als externe Dienstleister angesprochen wird (Rn. 33), könnte man noch an ganz andere Modelle der Querfinanzierung denken. Die Prüfung und Festsetzung der Vergütung im Einzelfall setzt die Bestimmung der Berechnungsgrundlage voraus, weshalb § 1 InsVV eingehend besprochen wird. Was die Regelsätze in § 2 InsVV betrifft, vertritt Wischemeyer die Auffassung, dass die Mindestvergütung gem. § 2 II 2 InsVV als Regelvergütung zu begreifen ist (Rn. 15). Wie nicht anders zu erwarten, bespricht Wolgast ausführlich die Regelung über Zu- und Abschläge in § 3 InsVV. Des Interesses der Verwalterschaft kann er sich da sicher sein. Wichtig für als Rechtsanwalt zugelassene Verwalter ist § 5 InsVV, der zusätzliche Einnahmen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ermöglicht. Dies gilt für die Nachtragsverteilung nicht immer, vgl. § 6 I 2 InsVV. Das in § 8 InsVV normierte Festsetzungsverfahren bespricht Wischemeyer. der aus naheliegenden Gründen besondere Sorgfalt auf die Rechtsbehelfe verwendet (Rn. 38 ff.). Die Kommentierung der Vorschriften des ersten Abschnitts endet mit § 9 und der möglichen Entnahme eines Vorschusses aus der Masse. Neben den Verwaltern gibt es noch weitere Akteure, denen die §§ 10 bis 15 InsVV gewidmet sind: den vorläufigen Insolvenzverwalter, den Sachwalter in der Eigenverwaltung, den Sonderinsolvenzverwalter, den Treuhänder, die Mitglieder des Gläubigerausschusses sowie den Moderator und den Restrukturierungsbeauftragten. Für die Praxis im Regelinsolvenzverfahren sicherlich am interessantesten ist die Kommentierung des § 11 InsVV, der die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters regelt. Wischemeyer besorgt diese, wobei den Zu- und Abschlagsgründen einiger Raum geschenkt wird (Rn. 41 ff.). Sachwalter (§ 12 InsVV) und vorläufiger Sachwalter (§ 12a InsVV) folgen, dann geht es um die Vergütung des Insolvenzverwalters in Verbraucherinsolvenzverfahren (§ 13 InsVV), welche sich ganz überwiegend durch Masselosigkeit auszeichnen. Die Kumulation der Minderungstatbestände findet bei Wischemeyer wenig Anklang (Rn. 8). Die Masselosigkeit der Verbraucherinsolvenzen trifft auch den Treuhänder, pro Jahr mag dies auf 140 € hinauslaufen, vgl. § 14 III 1 InsVV. Wichtig ist der Hinweis (Rn. 15), dass über die Drohung mit einem Versagungsantrag im Hinblick auf die Restschuldbefreiung (§ 298 InsO) das Honorar im Bedarfsfalle eingetrieben werden kann. Was die Erhöhungsmöglichkeit des § 15 InsVV bei Überwachungsaufträgen der Gläubigerversammlung betrifft, sei angemerkt, dass solche Aufträge regelmäßig wegen des Desinteresses der Gläubiger nicht zustande kommen werden. Da auch die Mitglieder des Gläubigerausschusses Geld sehen wollen, erklärt Wolgast die einschlägigen §§ 17 und 18 InsVV. Wolgast ist es auch, welcher abschließend die Vergütung des Verfahrenskoordinators (§ 269 g InsO) und des Gruppenkoordinators (Art. 77 EuInsVO der Leserschaft nahebringt.

    Neben dem geschilderten Inhalt enthält der Band ein instruktives Stichwortverzeichnis sowie viele weiterführende Hinweise nebst Beispielrechnungen. Nicht verschwiegen werden soll, dass die Autoren durchaus pointiert eigene Standpunkte vertreten. Die Anschaffung lohnt sich also für Insolvenzrechtler allemal, im Gegenteil dürfte das Buch für viele eine äußerst lohnende, weil Zeit und Recherche­ arbeit sparende Investition darstellen. Und die Gläubiger bzw. deren Vertreter können die Richtigkeit der in Ansatz gebrachten Kosten überprüfen. (cwh) 🔴

    Prof. Dr. Curt Wolfgang Hergenröder (cwh), Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits-, Handels- und Zivilprozessrecht, Johannes Gutenberg-Universität, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Deutsches, Europäisches und Internationales Arbeits-, Insolvenz- und Zivilverfahrensrecht.

    cwh@uni-mainz.de

     

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