Recht

Insolvenzrecht

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 2/2022

Lind, Jana, Legitimation der Restschuldbefreiung. Das System der gesetzlichen Entschuldungsbedingungen im Lichte der Reformen, Duncker & Humblot, Berlin 2021, ISBN 978-3-428-18159-9, Schriften zum Bürgerlichen Recht, Band 529, 2021, 369 S., € 99,90.

    § 241 Satz 1 BGB formuliert lapidar: „Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu verlangen.“ Keinerlei Probleme gibt es, wenn der Schuldner leisten will und auch kann. Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung von dem Schuldner bewirkt wird, § 362 Abs. 1 BGB. Von einer Erfüllung der Verbindlichkeiten kann in Fällen der Zahlungsunfähigkeit freilich nicht die Rede sein. Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält für entsprechende Fälle keine Regelung. „Pacta sunt servanda“ lautet der alte römischrechtliche Grundsatz, der im Kern auch heute noch unverändert gilt und nichts anderes besagt als: Verträge müssen eingehalten werden. Und zwar grundsätzlich alle! Von der Geldschuld wird der Schuldner auch dann nicht frei, wenn die Leistung für ihn unmöglich ist. Geht also ein Rechtssubjekt zu viele Verbindlichkeiten angesichts seines finanziellen Leistungsvermögens ein, so hat es für diese dennoch einzustehen. Insoweit handelt es sich um einen unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung immanenten allgemeinen Rechtsgrundsatz; er kommt in dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung zum Ausdruck. Der in den §§ 850 ff. ZPO normierte Pfändungsschutz der Zivilpr ­ ozessordnung garantiert dem Schuldner zwar einen gewissen Mindeststandard; die Schulden als solche lässt er allerdings unangetastet. Der mittellose Schuldner wird immerhin zur Kenntnis genommen, die legislative Reaktion verkörpert aber lediglich die sozialstaatlich gebotene Reaktion auf seine besondere Situation bei der Zwangsvollstreckung.

    Dem Gesagten entsprechend ist vorrangiges Ziel des Insolvenzrechts die bestmögliche Gläubigerbefriedigung, wie sich § 1 Satz 1 InsO entnehmen lässt: „Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird“. Satz 2 der Vorschrift schlägt andere Töne an: „Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.“ Es geht also nicht mehr nur um Vollstreckungsschutz, sondern um die vollständige Befreiung vom Rest der Schulden bzw. von den Schulden schlechthin. Angesprochen ist damit das sog. „Verbraucherinsolvenzverfahren“ sowie vor allem die „Restschuldbefreiung“. Knapp formuliert kann man die diesbezügliche Zielsetzung der Insolvenzordnung wie folgt wiedergeben: Es geht darum, für wirtschaftlich gescheiterte Personen die Möglichkeit der Entschuldung innerhalb angemessener Zeit unter möglichst geringer Belastung der Gerichte zu schaffen. Wenn man über Schuldbefreiung in diesem Sinne nachdenkt, muss man sich, noch bevor man überhaupt an das Regelungsinstrumentarium und seine Bewertung herangeht, fragen, warum es eine solche überhaupt geben soll. Denn Privatautonomie und unbeschränkte bürgerlich rechtliche Vermögenshaftung für Verbindlichkeiten aus Schuldverhältnissen sind ja wie ausgeführt integraler Bestandteil unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung. Auch der Gleichheitsgedanke kommt insoweit ins Spiel: Warum soll der solvente Schuldner für eine Leistung einzustehen haben, der nicht solvente aber ebenso in den Genuss der Gegenleistung kommen, ohne die Leistung erbringen zu müssen und zwar alleine deshalb, weil er nicht leisten kann? Antworten hierauf finden sich – wie schon der Titel verrät – in der Monografie von Lind, einer von Preuß betreuten Düsseldorfer Dissertation. Im ersten Teil werden die Grundlagen beleuchtet, hier finden sich auch Ausführungen zur Restschuldbefreiung im Spannungsfeld der involvierten Gläubiger-, Schuldner-, Staats- und Wirtschaftsinteressen (S. 49 ff.). Nun sollen die Schulden nicht wegeskamotiert werden, vielmehr gilt es, sie zu verdienen. Das erfordert Kompromisse (S. 52 ff.). Der zweite Teil des Buches beleuchtet die ursprünglichen gesetzlichen Anforderungen an den Schuldner im Hinblick auf eben jenes „Verdienen müssen“. Im Vordergrund stehen damit die entsprechenden Obliegenheiten, insbesondere die finanziellen Anstrengungen, welche es zu tätigen galt (S. 70 ff.). Ausführlich geht die Verf. auf eben jene in § 1 Satz 2 InsO normierte „Redlichkeit“ ein. Nach einer Übersicht über das System der Redlichkeitsvoraussetzungen (S. 95 ff.) werden die einzelnen Tatbestände umfassend beleuchtet und systematisiert (S. 106 ff.). Überlegungen zur gesetzgeberischen Konzeption der Legitimation der Restschuldbefreiung schließen sich an (S. 138 ff.).

    Nun ist die zwanzigjährige Geschichte der Entschuldung zahlungsunfähiger natürlicher Personen in Deutschland durch eine ständige Reformdiskussion geprägt. Im Fokus stand dabei naturgemäß zum einen der angemessene Zeitraum für die Befreiung von den Verbindlichkeiten, zum anderen ging es um die Anforderungen, welche die Schuldner insoweit zu erfüllen hatten. Auch die Belastung der Justizhaushalte spielte eine wesentliche Rolle. All das kann man im dritten Teil der Arbeit nachlesen. Angesprochen werden zunächst die finanziellen Anforderungen, um überhaupt ein Insolvenzverfahren anstrengen zu können. Nachdem es sich vorwiegend um masselose Verfahren handelte und handelt, war der Gesetzgeber gezwungen, eine „Insolvenzkostenhilfe“ einzuführen. Gesetz wurde ein Stundungsmodell (S. 166 ff.). Natürlich widmet die Verf. der Verfahrensdauer einen ausführlichen Abschnitt (S. 190 ff.). Schließlich werden die Änderungen der Redlichkeitsvoraussetzungen eingehend dargestellt (S. 228 ff.). Näher eingegangen wird auch auf die von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Forderungen (S. 271 ff.).

    Der vierte Teil der Arbeit ist mit „Perspektiven“ überschrieben. Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung waren zum 1.1.2021 einer Neuordnung durch den Gesetzgeber unterworfen. In seinen wesentlichen Teilen ist das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereinsund Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht rückwirkend zum 1.10.2020 in Kraft getreten. Was die nunmehrige Reform aber im Gegensatz zu ihren Vorgängern auszeichnet, ist der Anlass: Sie geht auf einen Rechtsakt der Europäischen Union zurück, nämlich die Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132. Für die weitere Diskussion äußerst wichtig zu erachten ist, dass die Verf. die Richtlinie einarbeitet (S. 284 ff.), insbesondere auf die entsprechenden Umsetzungserfordernisse näher eingeht (S. 290 ff.). Näher beleuchtet werden die Vorgaben des EU-Rechts im Hinblick auf §§ 286 ff. InsO (S. 290 ff.) sowie mögliche Reformansätze (S. 317 ff.). Das lesenswerte Buch ist sorgsam durchdacht, die Autorin geht keiner Frage aus dem Weg und führt die Probleme kundig einer Lösung zu. Sicherlich mag gerade die Gläubigerseite sich mit manchen Ergebnissen schwertun, indes ist es gerade das Kennzeichen einer guten wissenschaftlichen Arbeit, dass sie zum Nachdenken anregt und vielleicht auch zum Aufgeben eigener Positionen reizt. Wer zur Restschuldbefreiung vertiefte Überlegungen sucht, wird bei Lind jedenfalls fündig werden. Dem an der Thematik Interessierten kann das Werk also guten Gewissens empfohlen werden; vor allem: Es behält auch nach der letzten Reform seine Aktualität! (cwh)

     

    Huber, Michael, Anfechtungsgesetz (AnfG), Verlag C.H.Beck, 12. Auflage, München 2021, ISBN 978-3-406-76933-7, XXIV und 365 S., € 69,00.

      Zweck der Gläubigeranfechtung ist die Rückgängigmachung einer bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Schuldner getroffenen Vermögensverschiebung, durch welche das Vermögen dem Vollstreckungszugriff des Gläubigers entzogen wird und dieser dadurch eine Benachteiligung erfährt, vgl. § 1 AnfG. Eine erfolgreiche Anfechtung führt gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG dazu, dass dem Gläubiger das aus dem Vermögen des Schuldners Weggegebene „zur Verfügung“ gestellt werden muss, soweit es zu seiner Befriedigung erforderlich ist. Das Anfechtungsrecht entsteht nicht erst mit der Anfechtungserklärung, sondern mit Vorliegen eines durch das Anfechtungsgesetz vorgegebenen Anfechtungstatbestandes. Eine wirksame Anfechtung setzt zunächst gemäß § 2 AnfG eine Anfechtungsberechtigung des Gläubigers voraus. Diese besteht dann, wenn der Gläubiger einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und seine nach wie vor bestehende Forderung fällig ist, wenn eine bereits erfolgte Zwangsvollstreckung nicht zu einer völligen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder wenn anzunehmen ist, dass sie nicht dazu führen würde. Weiter muss die Rechtshandlung des Schuldners gemäß § 1 AnfG objektiv eine Gläubigerbenachteiligung und gleichzeitig eine Vermögensmehrung beim Anfechtungsgegner zur Folge haben. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung des Schuldners dazu geführt hat, dass durch sie die Befriedigungsmöglichkeit des Gläubigers aus dem Schuldnervermögen beeinträchtigt worden ist. Eine Beeinträchtigung besteht dabei immer dann, wenn der Gläubiger ohne die angefochtene Rechtshandlung des Schuldners eine bessere oder schnellere Befriedigungsmöglichkeit gehabt hätte. Regelmäßig geht es darum, unentgeltliche oder böswillige Vermögensverschiebungen des Schuldners rückgängig zu machen. Die solchermaßen charakterisierte Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz steht etwas im Schatten der Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO. Dies wird schon daraus ersichtlich, dass der überbordenden Literatur zur Insolvenzanfechtung relativ wenig Schrifttum zum Anfechtungsgesetz gegenübersteht. Umso begrüßenswerter ist es, dass der Kommentar von Michael Huber in einer Neuauflage erscheint. Das Werk hat eine lange Tradition, begründet wurde es von Alois Böhle-Stamschräder im Jahre 1951 – also vor genau 70 Jahren. Für die 5. bis zur 7. Auflage zeichnete Joachim Kilger verantwortlich, seitdem wird der Kommentar von Huber verantwortet. Anlass für die Neuauflage war nicht zuletzt das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz (vom 29.3.2017, BGBl. I S. 654), welches insbesondere die Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO, § 3 AnfG) neu definierte. Eingearbeitet wurde selbstredend auch die seit dem letztmaligen Erscheinen bekannt gewordene Literatur und Rechtsprechung. Dies gilt insbesondere für die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats zur Vorsatzanfechtung in der Insolvenz, welche auch Konsequenzen für § 3 AnfG zeitigt. Nicht nur für den im Anfechtungsgesetz nicht so bewanderten Nutzer des Buches hilfreich sind die Grafiken und Skizzen, mittels derer Huber Problemstellungen verdeutlicht. Zu nennen sind insbesondere die Schaubilder zum Grundtatbestand des § 3 Abs. 1 (S. 81), zur Einschränkung der Vorsatzanfechtung nach § Abs. 2 und 3 (S. 99), zur Geltendmachung des Anfechtungsrechts (S. 196) und viele weitere. Die Gegenüberstellung von – wo geboten – alter und neuer Rechtslage dient dem Verständnis ungemein. Auch findet man in dem Werk viele Beispiele und Anleitungen zur Formulierung sachdienlicher Anträge. Das Werk ist flüssig geschrieben und gut zu lesen; angesichts der Materie beileibe keine Selbstverständlichkeit! Lobenswert ist der Umgang mit Zitaten. Bei manch anderer Kommentierung kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, die eigene Gedankenleistung werde durch die Aneinanderreihung mehr oder weniger sinnvoller Verweise ersetzt. Huber zitiert maßvoll, brandaktuell und immer da, wo man eine Fundstelle sucht, findet man auch eine. Es steht allerdings zu vermuten, dass durch das erschöpfende Eingehen auf die einzelnen Probleme nicht allzu viel nachgelesen wird; es steht ja alles Wissenswerte schon im Kommentar. Dass der Kommentar auch ein ausführliches Stichwortverzeichnis hat, versteht sich fast von selbst. Wer prägnante und instruktive Informationen zur Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz sucht, ist mit dem Huber bestens beraten. (cwh)

       

      Frind, Frank, Praxishandbuch Privatinsolvenz, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden Baden 3. Auflage 2021, ISBN 978-3-8487-7857-7, 878 S., geb., € 98,00.

        Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung sind einmal mehr einer Neuordnung durch das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht (v. 22.12.2020, BGBl. I, 3328) unterworfen worden. Kernstück der Reform ist die vor noch nicht allzu langer Zeit undenkbare Absenkung der Abtretungsfrist – zusammengesetzt aus Insolvenzverfahrensdauer und Wohlverhaltensperiode – auf drei Jahre ohne finanzielle Gegenleistung des Schuldners im neuen § 287 Abs. 2 S. 1 InsO. Hinzu tritt eine Verschärfung der Obliegenheiten von Verbrauchern und Selbständigen, darüber hinaus mussten einige Bestimmungen angepasst werden.

        Auf die Beratungspraxis sind damit neue Herausforderungen zugekommen. Da trifft es sich gut, dass Frind sein Praxishandbuch zur Privatinsolvenz neu aufgelegt hat, in welchem auch relevante Änderungen im Bereich der Eigenverwaltung sowie des Insolvenzplanverfahrens durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts („SanInsFoG“) behandelt werden. Weiter finden sich Ausführungen zur Reform des Pfändungsschutzkontos (vulgo: P-Konto) in dem Buch.

        Teil 1 (S. 21 – 101) ist den Grundlagen des Insolvenzverfahrens und den Besonderheiten bei Insolvenzen natürlicher Personen gewidmet. Für den Leser äußerst hilfreich sind die Schaubilder etwa zu den Zielen des Insolvenzverfahrens (S. 26) und den Entscheidungen des Insolvenz­ gerichts (S. 34). Man lernt darüber hinaus nicht nur die Eigenheiten des Verfahrens kennen – etwa dass das Meiste von der Rechtspflegerschaft erledigt wird (Rn. 12 ff.) –, sondern kann auch die Geschichte der Entschuldung natürlicher Personen unter der Insolvenzordnung mit all ihren Reformen und Reformversuchen nachverfolgen. Wer die Ausführungen zu Sinn, Zweck und Nutzen des Verfahrens (Rn. 35 ff.) liest, wird über manche Feststellung überrascht sein. Frind hält mit seiner Meinung jedenfalls nicht hinter dem Berg, was schon im Vorwort deutlich wird. Wie problematisch einzelne Regelungen sind, wird schon bei der Eingangsfrage deutlich, ob ein Regel- oder ein Verbraucherinsolvenzverfahren zu betreiben ist (S. 67 ff.), welche Verfahrensart also die Richtige ist. Die Praxishinweise hierzu sind äußerst wertvoll.

        In Teil 2 (S. 103 – 254) wird das Verfahren bis zur Verfahrensaufhebung skizziert. Frind erklärt die einzelnen Verfahrensabschnitte und beginnt mit dem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren (Rn. 86 ff.). Sehr detailliert werden die gesetzlichen Anforderungen dargestellt. Anschließend wird die Antragstellung für das gerichtliche Verfahren beleuchtet (Rn. 104 ff.), wobei gleich zu Beginn auf den Formularzwang hingewiesen wird. Nicht jeder wird wissen, dass es ausnahmsweise eine „Pflicht“ zur Antragstellung auch für Verbraucher geben kann, nämlich wenn der laufende Unterhalt minderjähriger Kinder dadurch sichergestellt werden kann (Rn. 131 f.). Angesichts der Komplexität des Verfahrens ist dem Hinweis von Frind (Rn. 155), man möge sich sorgfältig beraten lassen, uneingeschränkt zuzustimmen. Man mag ergänzen, dass man von einer Schuldbefreiung letztlich nichts hat, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Schieflage bleiben. Hier hilft nur die Hilfestellung durch eine anerkannte Schuldnerberatungsstelle. Aber auch wie mit einem – eher seltenen – Gläubigerantrag umzugehen ist, erfährt man im Buch (Rn. 171 ff.). Vor der eigentlichen Verfahrenseröffnung hat das Gericht einige Vorentscheidungen zu treffen. Statistisch betrachtet ist eine Zustimmungsersetzung hinsichtlich des Schuldenbereinigungsplans (Rn. 199 ff.) allerdings eher unwahrscheinlich. Ausführlich geht Frind dann auf die Stundung der Verfahrenskosten ein (Rn. 227 ff.), was angesichts der dominanten Zahl masseloser Verfahren kein Luxus ist. Das Schaubild zu den Phasen des Privatinsolvenzverfahrens (S. 254) trägt zum Verständnis wiederum bei.

        Der Insolvenzmasse ist Teil 3 gewidmet (S. 255 – 506). Naturgemäß stehen die Wirkungen der Verfahrenseröffnung an erster Stelle. Auch die Forderungsanmeldung (Rn. 369 ff.) wird ausführlich dargestellt. Wichtig für den im Regelfall mittellosen Gantschuldner sind die Ausführungen zu den unpfändbaren und damit der Masse nicht zugehörigen Vermögenswerten. Zumeist werden allenfalls geringfügige Beträge oberhalb der Pfändungsfreigrenze für die Gläubiger zur Verfügung stehen. Dass das P-Konto nicht unproblematisch ist, machen die Ausführungen mehr als deutlich (Rn. 419 ff.). Äußerst wertvoll ist auch die Auflistung der pfändbaren bzw. unpfändbaren Massebestandteile (Rn. 476 ff.). Manch gutbetuchter Zeitgenosse kann sich kaum vorstellen, dass zwischen Insolvenzverwalter und Schuldnerberater ein Streit über die Massezugehörigkeit einer Rückerstattung zu viel bezahlter Heizkosten ausbrechen kann (dazu Rn. 478). Den Beratern selbständiger Schuldner werden die Ausführungen zur „Freigabe“ nützen (Rn. 564 ff.). Aber auch die Ausführungen zur Berücksichtigung von Unterhaltsberechtigten (Rn. 673 ff.) sowie zum Umfang der Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen (Rn. 708 ff.) treffen den Nerv der Beratungspraxis. Die Ausführungen zu den gerichtlichen Zwangsmitteln (Rn. 758 ff.) mögen manchen Gantschuldner zu regelkonformen Verhalten bewegen.

        Ausführlich wird in Teil 4 (S. 507 – 737) das Restschuldbefreiungsverfahren erörtert. Auch nach der Reform kann es eine vorzeitige Restschuldbefreiung geben (Rn. 818 ff.). Naturgemäß befasst sich Frind eingehend mit den Versagungsgründen (Rn. 928 ff.) und den Obliegenheitsverletzungen (Rn. 994c ff.). Zwar scheitern die meisten Versagungsanträge der Gläubiger an ihrer Zulässigkeit. Gleichwohl sollte die Beratungspraxis den von ihnen betreuten Schuldnern klare Leitlinien an die Hand geben, was diese zu tun und zu lassen haben. Eine ganz eigene Problematik tut sich im Hinblick auf § 302 InsO auf (Rn. 1105 ff.). Deliktsgläubiger werden möglicherweise um eine „Attributsklage“ (Rn. 1164 ff.) nicht herumkommen. Wer meint, dass man sich als Verwalter bzw. Treuhänder in Verbraucherinsolvenzen eine „goldene Nase“ verdienen kann, lese Rn. 1221 ff. zu den Vergütungen. Regelmäßig wird es ohnedies nur die Mindestvergütung sein. Für Verbraucherinsolvenzen weniger interessant ist die Eigenv ­ erwaltung, hier sind eher die Berater selbständiger Schuldner angesprochen (Teil 5, S. 738 – 755). Und auch das Insolvenzplanverfahren, welches Frind in Teil 6 (S. 756 – 851) bespricht, ist eher der letzteren Schuldnergruppe (Rn. 1245) angemessen. Auch hierzu findet man in dem Praxishandbuch aber alles Notwendige. Das Werk zeugt von äußerster Sachkunde und ist klar und verständlich geschrieben. Ein ausführliches Stichwortverzeichnishilft hilft beim schnellen Auffinden einzelner Probleme. Relevante Detailfragen werden behandelt, angesichts der vielen Hinweise und Praxisbeispiele wird sich manches Grübeln über das taktische Vorgehen erübrigen. Wer mit Insolvenzen natürlicher Personen zu tun hat, dem kann das Praxishandbuch von Frind zur Privatinsolvenz nach alledem nur empfohlen werden. (cwh)

         

        Schmidt, Andreas (Hrsg.), Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht. InsO. InsVV. SchVG. Haftung ­ srecht. Steuerrecht. Insolvenzstrafrecht, Carl Heymanns Verlag, Köln, 9. Aufl., 2022, ISBN 978-3-452-29752-5, 3.370 S., € 199,00.

          Zu den mittlerweile etabliertesten Kommentaren der Insolvenzordnung zählt der von Andreas Schmidt herausgegebene Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, der nunmehr bereits in 9. Auflage erscheint und von immerhin 37 AutorInnen verantwortet wird. Stolze 3.370 Seiten weist das Erläuterungswerk auf, immerhin bleibt es noch bei einem Band.

          Dies ist umso verdienstvoller, als es eine ganze Reihe neuer Gesetze bzw. geänderter Vorschriften einzuarbeiten bzw. an den Schnittstellen zu berücksichtigen galt. Zu nennen sind das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG), das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) und insbesondere auch das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG). Bei letzterem Rechtsakt standen die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sowie Haftungsfragen im Fokus. In der Insolvenzordnung war darüber hinaus die Einführung des Anspruchs auf ein gerichtliches Vorgespräch bei großen Insolvenzverfahren (§ 10a InsO) zu berücksichtigen. Anpassungen im Insolvenzplanverfahren mussten eingearbeitet werden, auch die Eigenverwaltung blieb von gesetzgeberischen Aktivitäten nicht verschont. Aber auch Privatpersonen können insolvent werden, zahlenmäßig übersteigen die entsprechenden Verfahren ohnedies die Regelinsolvenzen. Zum wiederholten Male hat sich die Legislative auch dieser Materie angenommen, wenngleich sie dazu dieses Mal gezwungen wurde: nämlich durch die Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132. Nach Art. 34 (EU) 2019/1023 waren die Mitgliedstaaten gehalten, die Vorgaben des europäischen Gesetzgebers bis zum 7.7.2021 umzusetzen. Dem wurde in Deutschland durch das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Mietund Pachtrecht Rechnung getragen. Kernstück der Reform war die vor noch nicht allzu langer Zeit undenkbare Absenkung der Abtretungsfrist – zusammengesetzt aus Insolvenzverfahrensdauer und Wohlverhaltensperiode – auf drei Jahre ohne finanzielle Gegenleistung des Schuldners im neuen § 287 Abs. 2 S. 1 InsO. Hinzu trat eine Verschärfung der Obliegenheiten von Verbrauchern und Selbständigen, darüber hinaus mussten einige Bestimmungen angepasst werden. All diese Neuerungen finden sich in der aktuellen Auflage des Hamburger Kommentars bereits kundig kommentiert.

          Ausdrücklich erwähnt werden sollen noch die Anhänge, welche rd. 650 Seiten ausmachen, also gut ein Fünftel des Kommentars. Im Anhang I wird das schon erwähnte COVInsAG erläutert, Anhang II behandelt die gesellschaftsrechtliche Haftung, wobei die Vor-GmbH im Vordergrund steht. Das Schuldverschreibungsgesetz ist Gegenstand von Anhang III, ausführlich wird dann in Anhang IV die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV) kommentiert. Nicht wenige verdienen ja ihr Geld mit Insolvenzen, so dass die Hereinnahme der InsVV in den Kommentar nahezu unverzichtbar ist. Ausdrücklich erwähnt werden soll auch die ausführliche Darstellung des Insolvenzsteuerrechts in Anhang V, mit dem Insolvenzstrafrecht und Anhang VI endet das Werk.

          Rechtsprechung und Schrifttum beschäftigten die Bearbeiter darüber hinaus zur Genüge. Der BGH produziert Entscheidung um Entscheidung. Teilweise müssen deshalb immer wieder Teile neu geschrieben werden, die bloße Aktualisierung reicht nicht aus. Dies ist den jeweiligen Autoren hoch anzurechnen. Dass das Werk mit einem ausführlichen Stichwortverzeichnis ausgestattet ist, versteht sich nach alledem beinahe von selbst. Das Buch ist hochaktuell und kundig geschrieben. Das Fazit ist daher einfach: Der Griff zum Hamburger Kommentar zur Insolvenzordnung lohnt sich immer. (cwh)

          Prof. Dr. Curt Wolfgang Hergenröder (cwh), Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits-, Handels- und Zivilprozessrecht, Johannes Gutenberg-Universität, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Deutsches, Europäisches und Internationales Arbeits-, Insolvenz- und Zivilverfahrensrecht.

          cwh@uni-mainz.de

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