Medizin | Gesundheit

Gift im Essen?

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 2/2023

Rudolf Krska, Essen ohne Gift? Gesundheitsrisiken und -nutzen unserer Lebensmittel, PICUS Verlag, geb., 104 S., ISBN 978-3-7117-3027-5, €14,00.

„Gefahr auf dem Teller. Verarbeitete Lebensmittel können Krebsrisiko steigern“, das war am 10. März 2023 eine Schlagzeile in der Süddeutschen Zeitung. Tauchen die beiden Stichworte Lebensmittel und Krebs gemeinsam auf, sind Verbraucherinnen und Verbraucher alarmiert. Und so kommt das Büchlein „Essen ohne Gift?“ zur rechten Zeit; vorgelegt als Wiener Vorlesung des Autors Prof. Dr. Rudolf Krska, Leiter des Instituts für Bioanalytic und AgroMetabolomics. Hier erwartet man Informationen, die im Untertitel des Buches angekündigt sind: „Gesundheitsrisiken und -nutzen unserer Lebensmittel“. Im Klappentext heißt es: „Rudolf Krska liefert einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Chemikalien in Lebensmitteln, denen europäische Konsumentinnen und Konsumenten regelmäßig ausgesetzt sind und setzt die potentielle Gefährdung einer regelmäßigen Exposition ins Verhältnis.“ Genau das wollen besorgte Verbraucherinnen und Verbraucher wissen. Immerhin haben bei einer europäischen Umfrage 72 Prozent der Teilnehmenden bei der Frage nach Befürchtungen in Bezug auf Risiken im Zusammenhang mit Lebensmitteln Pestizidrückstände auf Platz 1 gesetzt, gefolgt von Rückständen in Fleischwaren (70 Prozent), an letzter Stelle waren nur 47 Prozent darüber beunruhigt, „keine gesunde und ausgewogene Ernährung zu haben“.

Nun will man es aber genau wissen, wie das mit den Risiken ist und greift zu besagtem Büchlein. Die Abhandlung gehört zu den Wiener Vorlesungen, deren Ziel es ist, so im Vorwort der Stadträtin für Kultur und Wissenschaft, „mit der Ungewissheit des Nicht Wissens bewusst umzugehen und diese mit der Gesellschaft zu teilen“. Genau diese Ungewissheit des Nicht Wissens beschreibt die Inhalte des Buches am besten. Bereits in der Einleitung heißt es, dass „die überwiegende Mehrheit der untersuchten Lebensmittelproben keine oder geringste Konzentrationen dieser Chemikalien (Pflanzenschutzmittel bei Obst und Gemüse) aufweisen“. Warum dann also das Buch, was liegt im Ungewissen?

Durch die amtliche Lebensmittelkontrolle wurden im Jahr 2016 in Deutschland 376.675 Proben untersucht, von denen 12,1 Prozent beanstandet wurden. Der größte Anteil der Beanstandungen (58,7 Prozent) betraf eine fehlerhafte Kennzeichnung bzw. Aufmachung, die primär nicht die Lebensmittelsicherheit betreffen. Von 0,1 Prozent der Proben kann tatsächlich ein Gesundheitsrisiko ausgehen. Da die Probenahme in Deutschland risikoorientiert erfolgt, das heißt, dass bevorzugt Lebensmittel beprobt werden, bei denen ein positiver Befund wahrscheinlich ist, liegt der Anteil an gesundheitsgefährdenden Lebensmitteln tatsächlich deutlich niedriger.

Im Buch ist eingangs von der „schier unendlichen Anzahl (an Giftstoffen) in unserem Essen“ die Rede, gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass die Europäischen Kontrollbehörden ihre Hausaufgaben gut machen und so den Verbraucher vor schädlichen Stoffen, soweit möglich, schützen. Die „Wahrnehmung der Verbraucher*Innen“ scheint aber anders zu sein. Zu Recht attestiert der Autor ihnen eine „verzerrte Wahrnehmung“ über die mögliche gesundheitsschädigende Wirkung von Pflanzenschutzmitteln wie Pestiziden, „die am ausgiebigsten getestet wurden“. „Ein gutes Beispiel, dass die Natur nicht prinzipiell gesund ist, …. sind Mykotoxine.“ Mykotoxine (also Schimmelpilzgifte) sind tatsächlich ein Gesundheitsproblem (und um den Faktor 100 giftiger als Pestizide), ein Gift, welches, wie der Autor richtig vermerkt, von der Bevölkerung kaum wahrgenommen wird. Das größte Gesundheitsrisiko (so der Bericht der Lebensmittelkontrolle 2016) durch Lebensmittel geht tatsächlich von Schimmelpilzgiften (Mykotoxinen) und von Kontaminationen durch Lebensmittelinfektions- und Intoxikationserregern aus. Hierunter fallen zum Beispiel Listerien, toxinbildende E.coli, Campylobakter und Salmonellen. Von großer Bedeutung waren weiterhin nicht zugelassene oder zu hoch dosierte Substanzen in Nahrungsergänzungsmitteln und Fremdkörper, wie zum Beispiel Glassplitter oder Metallteile. Eine weniger große Rolle spielen chemische Kontaminanten, nicht deklarierte Allergene, Rückstände von Pflanzenschutzmitteln, Schwermetalle und Tierarzneimittel.

Mykotoxine sind die Expertise des Autors, der in den letzten Jahren wichtige Arbeiten dazu veröffentlicht hat. Der im Vorwort erwähnte wache und auf das Unbekannte neugierige Verbraucher wird enttäuscht. Die wirklichen Risiken, Schimmelpilze und in Lebensmitteln vorkommende Intoxikationserreger und Schwermetalle, werden leider sehr knapp und über verschiedene Kapitel verteilt abgehandelt. Zwar widmet sich ein Kapitel den Mykotoxinen, bleibt aber wie auch bei den chemischen Substanzen eher eine Aufzählung mit vager Risikoabschätzung. Für den neugierigen Leser wäre hier eine tabellarische Auflistung über die Risiken einschließlich der Obergrenzen und der Expositionsdauer (soweit verfügbar) hilfreich gewesen, wenn es um seine Bedenken gegenüber Giften in Lebensmitteln geht.

Die verschiedenen chemischen Verbindungen werden zu Recht als unproblematisch bezeichnet und wir erfahren: „Wir Menschen sind hochwirksame Entgiftungsmaschinen.“ Nach diversen Erörterungen über unterschiedliche Ernährungsformen und Lebensmittel (Fleisch, Fisch, Getreide u.a.) und deren Risiken und die Bedeutung für eine ausreichende Mikronährstoffversorgung, kommen dann im letzten Drittel die eigentlichen Betrachtungen zu den erwähnten Giften: Chemische Lebensmittelkontaminanten im Scheinwerferlicht. Fazit dieses Kapitels: alles halb so schlimm und die bestehenden Risiken stellen nur ein potenzielles (was immer das heißt) Risiko dar. Was soll der in diesen Dingen unkundige Verbraucher mit der Aussage anfangen, dass das IARC (Internationale Krebsforschungsagentur) eine Substanz als krebserregend einstuft? Soll er versuchen, den Kontakt ganz zu meiden, was bedeutet das für seine Ernährung und wie erkennt er die Kontamination und vor allem, wie erkennt er sein Krebsrisiko (wenn das überhaupt geht)?

Die wirklich problematischen Schwermetalle werden auch kurz erwähnt, wobei auch wieder von einem potenziellen Gesundheitsrisiko die Rede ist. Auch hier wäre eine informelle tabellarische Darstellung über die wirklichen und nicht nur potenziellen Risiken und deren Vermeidung wichtig gewesen. Eine in letzter Zeit beschriebene problematischen Quelle, deren Vermeidung in vielen Fällen leicht möglich wäre, erwähnt der Autor leider nicht: Die glutenfreie Ernährung, bei der das oft verwendete Reismehl als Ersatzklebemittel genau diese Schwermetalle enthält und diese dann im Blut zu finden sind. Dies gilt nicht nur für Zöliakiepatienten (ca. 1 Prozent der Bevölkerung), die auf diese Ernährung angewiesen sind, sondern auch für die weitaus größere Anzahl an „Freiwilligen“ (10%) gluten­ freien Konsumenten ohne Zöliakie.

Insgesamt ist das Büchlein eine sehr kurz gefasste Aufzählung von „potenziellen“ Risiken. Diese Kürze ist möglicherweise der Tatsache geschuldet, dass es sich um eine Vorlesung handelt, bei der begrenzter Raum vorgegeben ist. Leider bleibt der Leser, auch der etwas Sachkundigere mit dem Gefühl zurück, viel gelesen und wenig wirklich verstanden zu haben. Es bleibt eine Aufzählung, die Vorkommen und potenzielle Risiken von Kontaminanten zusammenfasst. Was das für die Gesundheit bedeutet und wie sich der Verbraucher schützen kann, wird leider nicht beschrieben. Der Autor hat hier, wie dies gute wissenschaftliche Praxis ist, viele Antworten vorsichtig formuliert, da wir zu wenig wissen, was die einzelnen Substanzen wirklich mit unserer Gesundheit machen. Dass er am Ende bedauert, dass eine ausgewogene, pflanzlich betonte Mischkost nicht wirklich vor Krebs schützt, hilft dem Verbraucher nicht weiter. Es besteht Einigkeit, dass ein gesunder Lebensstil, zu dem die gesunde Ernährung (was immer das ist) gehört, einen solchen Schutz in begrenztem Rahmen leisten kann. Schön wäre es, wenn man aus diesem Büchlein erfahren hätte, was man als Verbraucher tun kann, um den gesunden Lebensstil durch Vermeidung von „Giften“, soweit das geht, zu optimieren. Der Titel lautet ja nicht nur Gesundheitsrisiken, sondern eben auch Gesundheitsnutzen. Letzterer bleibt auf der Strecke. Das Fazit des Autors mag aber beruhigen: „Aufgrund umfassender Maßnahmen zur Qualitätssicherung und -kontrolle auf nationaler und europäischer Ebene sind unsere Lebensmittel so sicher wie nie zuvor.“ (hkb)

Prof. Dr. Hans Konrad Biesalski war Lehrstuhlinhaber und bis zu seiner Pensionierung 2018 Geschäftsführender Direktor des Instituts für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft der Universität Hohenheim.

biesal@uni-hohenheim.de

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