Ethik, Theologie | Religion

Gewaltfreie Kämpfer

Aus: fachbuchjournal Ausgabe 4/2018

Katharina D. Oppel: »Viel lieber würde ich gleich zu Gandhi gehen …« Dietrich Bonhoeffer und Mahatma Gandhi: Zwei Stimmen für den Frieden. Ostfildern: Patmos, 2017. 120 Seiten. Hardcover mit Leseband. ISBN 978-3-8436-1005-6. € 12,00

„Was haben Bonhoeffer und Gandhi miteinander zu tun?“, fragt Dr. Katharina Oppel in der ersten Buchhälfte (Seite 7-52). Sie, die katholische Neutestamentlerin, arbeitet seit etlichen Jahren über den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) und nun auch zu Mohandas Karamchand Gandhi, geboren 1869 im Nordwesten Indiens unter britischer Herrschaft, in Indiens Hauptstadt New Delhi 1948 ermordet.

Am 13. März 1930 gab Reichspräsident Paul von Hindenburg seine Zustimmung zum Young-Plan, mit dem sich das Deutsche Reich zu Reparationszahlungen bis zum Jahr 1988 verpflichtete. Am gleichen Tag begann Gandhi vom Ashram Achmedabad aus seinen legendären Salzmarsch zum Indischen Ozean gegen das britische Gesetz, das den Indern das Recht auf Meersalzgewinnung absprach. Kurz darauf wurden etwa sechzigtausend Inder wegen ihres Verstoßens gegen britisches Recht inhaftiert.

Bonhoeffer, damals Stipendiat im Union Theological Seminary in New York, informierte sich aus Zeitungen über das Geschehen in Indien. Das Union lag nahe bei Harlem. Mit einem schwarzen Kommilitonen nahm er am gottesdienstlichen Leben in der Abessinian Baptist Church teil. Sein Staunen über Unterdrückte, die gewaltlos ‚Recht bekennen‘ (statt ‚Recht er-kriegen‘), wuchs. Er, aus Deutschland, dem der Versailler Vertrag 1919 die Alleinschuld am Weltkrieg angelastet hatte, spürte Sympathie für solchen Umgang im Geist der Bergpredigt Jesu mit Demütigung durch Menschen. Zugleich wusste er: Schuld oder Nichtschuld unter uns ist nie einseitig. Wenn Gott demütigt, geschieht es dem gedemütigten Volk und Volksgenossen mit Recht. Allgerecht ist allein Gott. In London, wo eine Verfassung für Indien ausgearbeitet werden sollte, redete der Jurist und Politiker Gandhi am 3. Oktober 1931 vor einer großen Menschenmenge als geistlicher Botschafter: „Ich fasse zusammen: Gott ist Leben, Wahrheit, Licht. Er ist Liebe und das höchste Gut. Aber er ist kein Gott, der bloß den Intellekt befriedigt, wenn er das überhaupt je tut. Ein Gott, der Gott ist, muss über das Herz herrschen und es verwandeln.“

In Berlin, als Studentenpfarrer an der Technischen Hochschule, rang Bonhoeffer damit, ob die Botschaft, dass „die Stadt verschont werden soll“ um des einen Gerechten willen (Genesis 18,22-33), in Deutschland überhaupt noch begriffen und geglaubt werden könne. „Wenn wir’s nicht in unserem persönlichen Leben sehen können, daß Christus da war, dann wollen wir’s wenigstens in Indien sehen“, schrieb er am 18. Oktober 1931 an einen befreundeten Theologen (Dietrich Bonhoeffer Werke [DBW] 11: 33).

Ist keine Liebe zu Gott mehr unter den ‚westlichen‘ Menschen? ‚Östliche‘ Menschen wissen um den „asiatischen Jesus“, hatte Gandhi 1947 in einer englischsprachigen Wochenzeitung in Indien geschrieben. „Distanzen“ haben wir ständig vor uns, zwischen den Nationen wie in unserer nächsten Umgebung. „Liebe hingegen ist die Kraft, die die Menschen zusammenführt.“ „In mir ist die Überzeugung gereift, dass Dinge, die von grundliegender Bedeutung für den Menschen sind, nicht durch Vernunft allein abgesichert werden können, sondern mit Leiden erkauft werden müssen. Leiden ist das dem Menschen gemäße Gesetz.“ Verse eines Dichters, der im Geist der heiligen Schrift des Hinduismus, der Baghavadgita, in seiner Muttersprache Gujarati schrieb, waren Gandhi in jungen Jahren zu einem Leitstern geworden. Eine Gedichtzeile lautet: „Willst du Leben gewinnen, so bringe dein Leben dar.“ Als Student der Rechte in London lernte Gandhi das Neue Testament kennen und schätzen. (29-31) Die Ähnlichkeit mit Markus 8,35 musste ihm auffallen: „Denn wer sein Leben will behalten, der wird’s verlieren, und wer sein Leben verliert um meinet- und des Evangeliums willen, der wird’s behalten.“ Eu-angelion: gute Botschaft.

In der christlichen Botschaft erkannte Gandhi, im Verhalten Gandhis erkannte Bonhoeffer ‚eigenes‘ Geglaubtes wieder (32). Jesus, vor Pilatus stehend, erklärt: „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit zeugen soll“ (Johannes 18,37). Durch „Jünger“ Gottes, der „über das Herz herrschen und es verwandeln“ muss, sagt Gandhi, soll „Satyagraha“, „Stehen in der Wahrheit“, in der Welt bezeugt sein in einer Sichtbarkeit, die „wirklicher ist als alles, was die fünf Sinne hervorbringen können“ (20 und 16).

Gewaltlose Bezeugung von Wahrheit lässt Gewalt zunichtewerden – sie kriegt nichts. Sünde kriegt den Tod als Sold (Römer 6,23) – und hat nichts.

Die Bußpraxis Gandhis, sein Fasten aus Reue über Unrechtstaten, die im eigenen Gemeinwesen und von einem selbst begangen werden, erschien Bonhoeffer als „Gottes Weg“ durch Buße zur Erneuerung (DBW 13: 372). In seiner berühmt gewordenen Friedensandacht bei der ökumenischen Konferenz auf der dänischen Insel Fanø am 28. August 1934 heißt es (13: 301): „Müssen wir uns von den Heiden im Osten beschämen lassen?“ Können ‚westliche‘ Völker nicht auch „betend und wehrlos“ – ohne Machtanwendung, ‚ohnmächtig‘ – Angreifer empfangen, wie Inder es gelernt haben zu tun (und wozu Martin Luther King ab 1956 die Bürgerrechts-Marschierer in den Südstaaten der USA trainierte)? Bonhoeffer erkannte: Der „eigentliche Kampf“ ist „glaubendes Erleiden“ (13: 128). So ‚christlich‘ zu kämpfen wollte Bonhoeffer in Indien lernen, und „lieber … gleich“ bei Gandhi. (40-45) Katharina Oppels Buchtitel stammt aus Bonhoeffers Brief vom 22. Mai 1934 (13: 146).

Teil 1 endet: Beide entdeckten unabhängig voneinander sehr Ähnliches. Gandhi 1937: „Jesus predigte nicht eine neue Religion, sondern ein neues Leben.“ Bonhoeffer 1944 im Tegeler Gefängnis: „Jesus ruft nicht zu einer neuen Religion, sondern zum Leben.“

Im Teil 2 sind ab Seite 54 „Zwei Stimmen im Vergleich“ nebeneinandergestellt, kurze Texte zu 16 Themen, Bonhoeffer links, Gandhi rechts. Auf den Seiten 84 und 85, zu „Feindesliebe“, sind Bonhoeffers und Gandhis Unterschrift. Danach (86-95) wird angegeben, aus welchen Veröffentlichungen die Texte stammen, und später (113-117) ist die konsultierte Literatur verzeichnet.

Teil 3 (97-111) fragt: „Lässt sich die Bergpredigt heute leben?“ Bonhoeffer hat ein einziges Mal, einer Theologin gegenüber, ein „verändert“-Werden seines Lebens erwähnt. Aus dem Leben davor „hat mich die Bibel befreit, insbesondere die Bergpredigt“ (DBW 14: 113). Das war, schreibt Katharina Oppel (102), „also eine Begegnung mit der Freiheit, die ihn vor allem dazu brachte, intensiv die Bibel zu befragen nach dem, was sie ihm zu sagen hat“. „Menschen der Bergpredigt zu sein“, „dort, wo wir leben“, besteht in der „konkreten Bindung des Einzelnen und der Gemeinschaft an die Person Jesu und durch ihn zurück in unsere konkrete Geschichte auf der Erde“ (110111). Betrifft die Bergpredigt auch die Politik? Aber gewiss; wo, wenn nicht im Gemeinwesen, soll man Gott geben, was Gottes ist (Lukas 20,25). Gandhi: „Um dem universalen und alldurchdringenden Geist der Wahrheit ins Auge zu blicken, muss man in der Lage sein, die geringste aller Kreaturen wie sich selbst zu lieben. Wer danach trachtet, kann es sich nicht leisten, irgendeinen Bereich des Lebens auszuklammern. Aus diesem Grunde hat mich meine Hingabe an die Wahrheit zur Politik geführt, und ich kann ohne das geringste Zögern und doch in aller Bescheidenheit sagen, wer behauptet, dass Religion nichts mit Politik zu tun habe, weiß nicht, was Religionist.“ (111)

Die Verlagsanzeige auf Seite 120, nach „Zur Autorin“ auf Seite 119, nennt ein weiteres Buch von Katharina Oppel:

 

Katharina D. Oppel: »Nur aus der Heiligen Schrift lernen wir unsere Geschichte kennen«. Bibel und Biografie bei Dietrich Bonhoeffer. Ostfildern: Matthias Grünewald Verlag, 2017. 229 Seiten. Paperback. ISBN: 978-3-7867-3103-0

Im Schlussteil des anderen Buches aus dem Jahr 2017 verweist Katharina Oppel auf Bonhoeffers intensive Bibel-Befragung. Was für eine Bibel es war, deren Wortlaut er meditierte, hat sie zwischen dem Herbst 2007 und dem Frühjahr 2009 erfahren können. In der Zeit überließ Renate Bethge ihr Bonhoeffers Lutherbibel von 1911. Jetzt ist diese Bibel (LB) beim Bonhoeffer-Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz. Das Exemplar, das Walter Bonhoeffer gehört hatte, Dietrichs zweitältestem Bruder, der im April 1918 an der Westfront verwundet starb, gab die Mutter weiter an Dietrich zu seiner Konfirmation im März 1921. Ihn begleitete es bis zum Ende der Tegeler Untersuchungshaft. Im September 1944 wurden die Akten mit den Namen derer, die an der Verschwörung zum Attentat auf Hitler beteiligt waren, entdeckt. Nach dem 8. Oktober 1944 verlief Bonhoeffers Reise in den sicheren Tod über andere Stationen. In der ersten Nachkriegszeit kam die Meditationsbibel zu Bonhoeffers Freund Eberhard Bethge (1909–2000). Mir vertraute er sie für die Herausgeber-Tätigkeit an den Dietrich Bonhoeffer Werken (DBW) an. Die Markierungen darin lassen Bonhoeffers Lesen miterleben. Katharina Oppel schrieb am 11. Dezember 2017, als sie ihr Buch als Geschenk an mich abschickte, sie habe „etwas von dem erfahren, was für Bonhoeffer ‚mit der Bibel leben‘ bedeutet hat. Im Buch werden Sie das als einen ‚roten Faden‘ wiederfinden“.

Ich fand aber auch Etliches zu Gandhi, dessentwegen es Bonhoeffer nach Indien zog. Die Verlagsanzeige auf Seite 231 kündigte „Zu Gandhis siebzigsten Todestag“ Katharina Oppels Buch »Viel lieber würde ich gleich zu Gandhi gehen …« an. Von Gandhi, der im Neuen Testament die Bergpredigt und das Kreuz verhaltensleitend ‚wahr-nahm‘ – er sah als Hindu die Wahrheit darin –, ist Bonhoeffer „versucht zu sagen, ein heidnischer Christ“. Wie sagt man das, ohne zu suggerieren, man erhebe den Heiden in die eigene ‚christliche‘ Überlegenheit? Von Gandhi will Bonhoeffer lernen. Ihm leuchtet ein, was er in der Predigt in London am 8. Juli 1934 berichtet: Geschehenes Unrecht bereute Gandhi büßend (DBW 13: 371f). Nicht von Bonhoeffer, aber bei Katharina Oppel (55f) erfährt der Leser aus Gandhis Erinnerungsbuch Mein Leben (deutsch 1930), dass er, als Lehrer, sich von Unrecht, das in der Schule geschehen war, hinreißen lassen hatte, im Zorn den Schüler mit einem Lineal zu schlagen – und dass der Schüler aufschrie vor dem Schmerz, den diese Zorneshandlung dem Lehrer bereitete. Gewalterfahrung schädigt das Leben, kränkt. Im Buch wird wiederholt (12, 117, 127, 189) an die Demütigung des besiegten Deutschland erinnert, dem der Versailler Vertrag am 28. Juni 1919 zuwies, an allen Schädigungen seiner Kriegsgegner allein schuld zu sein. Der aus dem Krieg heimgekehrte Hitler verfasste, meint Katharina Oppel (13), das Buch »Mein Kampf«, „wie um sich gegen das Trauma und die Demütigung der Niederlage zu stemmen“. Traumatisierte bedürfen der Heilung – ihr Geist ist krank. Angesichts der aggressiven Politik des „Führers“ erwogen Verschwörer in Deutschland vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, „Hitler aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens, das Karl Bonhoeffer anfertigen sollte, für geisteskrank zu erklären“, schrieb Bethge in seiner großen Bonhoeffer-Biographie (DB, 1967 und öfter, Seite 710f).

Gandhi zog für seinen politischen Kampf in Indien nach dem Ersten Weltkrieg ganz andere Schlüsse: „…leiden ist besser als mit Gewalt leben“. Davon sprach Bonhoeffer staunend im Vortrag „Das Recht auf Selbstbehauptung“ am 4. Februar 1932 in Berlin (DBW 11: 220). Von einer Protestdemonstration gegen das Salzmonopol, das die britische Herrschaft über Indien für sich beanspruchte, berichtete als Zeuge ein amerikanischer Journalist, „wie mehrere Hundert von Gandhis in Gewaltlosigkeit ausgebildeten Satyagrahis schweigend auf die Salzwerke von Dhanasane zumarschieren“ und die Polizei sie zurückdrängt: „…ein Hagel von Schlägen, ausgeteilt mit stahlbeschlagenen Lathis (Schlagstöcken), ging auf ihre Köpfe nieder. Nicht ein einziger Marschierer erhob auch nur einen Arm, um die Schläge abzuwehren…“ (mir kam ein Appell der ‚1968er‘ Protestierer abgewandelt in den Sinn: ‚Macht’s anders als was euch kaputt macht!‘). Auf diesen Bericht habe Bonhoeffer sich „vermutlich“ (58 zu DBW 13: 300f) in der Ansprache „Kirche und Völkerwelt“ auf Fanø am 28. August 1934 bezogen, wenn er fragte: „Wer von uns darf denn sagen, daß er wüßte, was es für die Welt bedeuten könnte, wenn ein Volk – statt mit der Waffe in der Hand – betend und wehrlos … den Angreifer empfinge?“ Im „Osten“ wird das doch getan! Zu Bonhoeffers brieflichem Aufschrei vom 18. Oktober 1931 (DBW 11: 33) über die „Unsichtbarkeit“ im ‚Westen‘, „daß Christus da war“ – „dann wollen wir’s wenigstens in Indien sehen“ – wird nicht in DBW, aber von Katharina Oppel (46) Matthäus 21,43 im Gleichnis „Böse Weingärtner“ zitiert: „Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volke gegeben werden, das seine Früchte bringt.“

Erleiden macht Frieden (54-56, 79). Laut Notizen des Bischofs von Chichester George Bell vom 31. Mai 1942 (84 zu DBW 16: 294) war Bonhoeffer überzeugt, Deutschland müsse nach der Kriegsniederlage des Dritten Reiches Buße tun. Bereuen hilft, sowohl dem Schuldigen – Petrus, der Jesus verleugnet hat, weint (Markus 14,72) – als auch den anderen ‚im Schiff‘: „Tut mich von euch! Mein ist die Schuld. Gott zürnt mir sehr“ (204f zu DBW 8: 606, Bonhoeffers Jona-Gedicht Anfang Oktober 1944). Dann wird aus der anklagenden Frage „Wie konnte Gott das zulassen?“ (190) die überwältigt dankende: Wie kann Gott das aushalten, das (Kreuz) ‚er-tragen‘?! „[N]ur der leidende Gott kann helfen“ (DBW 8: 534) und hilft, sich nicht traumatisieren zu lassen. Gewalterfahrende Menschen werden nicht unweigerlich traumatisiert.

Bonhoeffer bedenkt als Gefangener in Tegel immer wieder das fünf Verse kurze Kapitel Jeremia 45 (167 zu DBW 8: 152 und öfter), das er in LB stark mit Kopierstift markiert hat. Im letzten Vers sind die Worte „aber deine Seele“ (will ich dir zur) „Beute“ (geben) unterstrichen. Seelisch unverwundet, ‚geistesgesund‘, heil, wird Menschen geholfen zu leben; „…man nimmt diese täglichen Bedrohungen mit in das Ganze seines Lebens mit hinein.“ (94 zu DBW 8: 453)

Bonhoeffer wundert sich über das offene Reden der Mitgefangenen über ihre Angst, „denn eigentlich ist die Angst doch auch etwas, dessen sich der Mensch schämt. Ich habe das Empfinden, man könnte eigentlich nur in der Beichte davon reden“ (DBW 8, 211). Das Stichwort ‚Angst‘ kommt in Katharina Oppels Buch an vielerlei Stellen vor. Aus Bonhoeffers Reformationsfest-Predigt 1932 zu Offenbarung 2,4f.7 zieht sie zusammen: „Wir haben Angst“ vor „Gottes Protest gegen uns“ (115 zu DBW 12: 426). Der Predigttext „Aber ich habe wider dich…“ ist in LB angestrichen (DBW 12: 423 Anmerkung 1). Protestantismus sollte sein, auf Gottes Protest-Wort hörend sich zurecht-weisen zu lassen auf ‚Gottes Weg‘. Angst gehört in die Beichte; denn Angst, die ‚Enge‘ in sich selbst, hat der Mensch, den es gelüstet, selber Urheber zu sein (sicut deus, „wie Gott“, Genesis 3,5; DBW 3: 103-106), Angst hat das Herz, das sich in sich verkrümmt (cor curvum in se, DBW 2: 39 und öfter). Gandhis Marschierer (wie auch die in Gandhis Weise ausgebildeten Marschierer Martin Luther Kings) können angstfrei sein. (it)

 

Martin Luther King: Ich habe einen Traum. Ein Lesebuch. Herausgegeben von Heinrich W. Grosse. Ostfildern: Patmos, 2018, 192 Seiten. Hardcover mit Lesebändchen. ISBN 978-3-8436-1037-7. € 20,00

Am 1. Dezember 1955 bestieg in Montgomery, Alabama, Rosa Parks einen städtischen Bus – und wurde verhaftet. Sie, eine schwarze Näherin, war nicht in den hinteren Teil des Busses gegangen, wie es in den Südstaaten üblich war, sondern vorn geblieben. Am 5. Dezember wurde zur Unterstützung der Verhafteten die schwarze Einwohnerschaft der Stadt, etwa ein Drittel der 120.000 Bürger, zum Boykott der Busse aufgerufen, der Stadtverbesserungsverein „Montgomery Improvement Association“ gegründet und zum Vorsitzenden und Sprecher der Pastor gewählt, der erst vor einem Jahr dort ein Gemeindepfarramt übernommen hatte, Martin Luther King, 1929 geboren in Atlanta, Georgia, als Sohn, Enkel und Urenkel von Predigern. Er sollte am Abend des 5. Dezember in der Baptistenkirche die Hauptrede bei der ersten großen Protestveranstaltung halten. Gelänge ihm das „kämpferisch genug“, um „zu positiver Aktion aufzurütteln, und doch gemäßigt genug“, um die „christlichen Grenzen“ zu achten? Diese Rede ist der erste der dreizehn längeren Texte, die Heinrich Grosse in diesem Buch versammelt hat.

1 Wir sind es leid. Als amerikanische Staatsbürger lieben wir die Demokratie, als die unser Gemeinwesen verfasst ist, und glauben an sie, die „großartigste Regierungsform auf Erden“. „Wären wir eingekerkert hinter dem Eisernen Vorhang einer kommunistischen Nation“, dann könnten wir nicht protestieren. In der amerikanischen Demokratie haben wir das „Recht, für das Recht zu protestieren“. Mrs. Rosa Parks ist „eine der untadeligsten Bürgerinnen von ganz Montgomery“, die, in ihrer „Hingabe an die Lehren Jesu“, „niemand als einen Störenfried im Gemeinwesen bezeichnen kann“. Wir sind nicht im Unrecht. Wir sind entschlossen „zu kämpfen, bis ‚das Recht strömt wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein mächtiger Strom‘ [Amos 5,24]“. „Gerechtigkeit ist Liebe, die das beseitigt, was der Liebe im Weg stehen würde.“ Man wird eines Tages sagen müssen, hier in Montgomery lebten „Menschen, kraushaarig und von schwarzer Hautfarbe, Menschen, die den Mut aufbrachten, sich für ihre Rechte zu erheben. Dadurch flößten sie neuen Sinn in die Adern der Geschichte und der Zivilisation“.

Am 30. Januar 1956 warfen Unbekannte eine Bombe auf die Veranda von Kings Haus. King besaß Waffen; das gilt in Amerika als althergebrachtes Recht. Aber ihm ging auf: „In Montgomery war ich viel ängstlicher, als ich ein Gewehr im Haus hatte.“ Durch Gegengewalt war das Problem der Gewalt nicht zu lösen. Er musste sich „direkt mit dem Problem des Todes auseinandersetzen“. „Von jenem Zeitpunkt an benötigte ich kein Gewehr, ich hatte auch keine Angst mehr.

2 Schöpferische Nonkonformisten werden. Eine Predigt zu Römer 12,2: „Stellt euch nicht der Welt gleich, sondern verändert euch durch Erneuerung eures Sinnes“. Tradition – das althergebrachte Übliche – schlägt den Rhythmus, dem konform man marschieren soll. Aber der Christen „Bürgertum ist im Himmel“, Philipper 3,20. Nach dem, was dort gilt, müssen sie umgestaltet sein, „re-born“, „re-formed“, neu gesinnt. „Ich muss zugeben, dass ein solcher verwandelter Nonkonformismus, der immer Opfer verlangt und nie bequem ist, uns in die dunklen Täler des Leidens führen kann. Durch ihn können wir unsere Arbeitsplätze verlieren. Vielleicht fragt unsere sechsjährige Tochter: ‚Vati, warum musst du so oft ins Gefängnis?‘ “ Am 20. Dezember 1956 hob eine gerichtliche Verfügung die Rassentrennung in Autobussen in Montgomery auf. Am gleichen Tag erklärte King in der methodistisch-episkopalen Kirche den Busboykott für beendet.

3 Dass der Feind sich in einen Freund verwandelt. „Wir wollten lieber müde Füße haben als müde Seelen, und so beschlossen wir, so lange auf den Straßen Montgomerys zu laufen, bis die Mauern der Ungerechtigkeit niedergerissen waren.“ „Wenn wir zu den Bussen zurückkehren, lasst uns so viel Liebe aufbringen“, dass durch unsere eigene Entfeindung Befreundung möglich wird. 1958 beschrieb King in seinem Bericht über den Busboykott „Stride Toward Freedom“ – das könnte man mit Bonhoeffers Gedichtüberschrift „Stationen auf dem Wege zur Freiheit“ übersetzen – seine „Pilgrimage to Nonviolence“.

4 Mein Weg zur Gewaltlosigkeit. Gandhi sagte seinen Landsleuten: „Vielleicht müssen Ströme von Blut fließen, ehe wir unsere Freiheit gewinnen, aber es muss unser Blut sein.“ Gewalttätigkeit müssen wir gewaltlos hinnehmen und bereitwillig ins Gefängnis gehen. Grundlegendes für ein Gemeinwesen „lässt sich nicht durch Vernunft allein erreichen, es muss durch Leiden erkauft werden“. Die Feindesliebe, die Jesus in der Bergpredigt gebietet, ist „die Liebe Gottes, die im Herzen des Menschen wirkt“. Sie bietet Frieden im Guten.

1960 wurde King Hilfsprediger an der Kirche seines Vaters, der Baptistenkirche in Atlanta. Nun engagierte er sich in der Bürgerrechtsbewegung auch in anderen Städten. Der Stadt Birmingham, Alabama, brachten Anschläge auf Kirchen und Häuser der schwarzen Bürger den Beinamen „Bombingham“ ein. In Kings 1964 erschienenem Buch „Why We Can’t Wait“ zeigt eine Passage, wie Kämpfer für den Einsatz in gewalttätiger Umgebung ausgewählt und trainiert wurden. In afroamerikanischen Kirchengemeinden in Birmingham fanden 1963 etwa 65 Massenversammlungen statt.

5 Verpflichtung zur Gewaltlosigkeit. Gegen Ende der Versammlungen richtete einer der Leiter an die Anwesenden „einen Appell nach Freiwilligen zum Dienst in unserer gewaltlosen Armee“ und erläuterte, „dass wir niemanden zu Demonstrationen ausschicken würden, der nicht sich selbst und uns davon überzeugt hatte, dass er Gewalt erdulden und aushalten konnte, ohne sich zu rächen“. Es gab Übungsstunden mit „Spielszenen, mit denen wir die Demonstranten auf einige der Prüfungen vorbereiteten, die auf sie warteten“. „Wenn ein Freiwilliger nicht zum Marschieren geeignet war, wurde er auf verschiedenste Weise eingesetzt, um der Bewegung zu helfen.“ Nach ernsthafter Überlegung verpflichteten die Freiwilligen sich durch Unterzeichnung, 10 Gebote einzuhalten, darunter: „Mich der Gewalttätigkeit der Faust, der Zunge und des Herzens zu enthalten.“

Die Stadtverwaltung erreichte ein gerichtliches Verbot der Demonstrationen in Birmingham. Martin Luther King und sein Freund Ralph Abernathy widersetzten sich und kamen am Karfreitag, dem 12. April 1963, in Haft. Für King war es die dreizehnte Verhaftung. Aus dem Gefängnis schrieb er einen langen Brief, „fast ein Buch“, an acht weiße VerkündigungsAmtsbrüder, die öffentlich „zu Gesetz und Vernunft“ aufgerufen hatten und die Protestaktionen für „unklug und zeitlich ungünstig“ hielten.

6 Die Zeit für schöpferischen Protest ist gekommen. Gerecht ist ein Gesetz, das derjenige, der es auferlegt, „selbst zu befolgen gewillt ist“. Sind diejenigen, die für Rechte demonstrieren, deren sie beraubt sind, schuldig des Heraufbeschwörens der bösen Tat des Beraubens? Ist Jesus der Schuldige, der die böse Tat der Kreuzigung heraufbeschworen hat? Sind die Täter dadurch entschuldigt? „Ich danke Gott, dass durch die Kirche der Schwarzen der Begriff der Gerechtigkeit in unseren Kampf hineingetragen wurde.“ Der „Zeitgeist“ – King benutzt den deutschen Ausdruck – der Entkolonialisierung breitet unter den Schwarzen eine „gesunde Unzufriedenheit“ aus. Sind wir „Extremisten“? Wenn, dann so wie Jesus ein Extremist war, indem er Liebe zum Feind gebot. „Es gab einmal eine Zeit,“ da war die Kirche nicht nur „Thermometer“, das anzeigte, was in der Luft lag, sondern „Thermostat“, der regelnd eingriff. „In jeder Stadt, in die die frühen Christen kamen, wurden die Machtverhältnisse gestört, und die Machthaber versuchten sofort, sie als ‚Friedensstörer‘ und ‚fremde Agitatoren‘ zu überführen.“ In dem Jahr des Busboykotts in Montgomery sagte eine 72 Jahre alte Frau: „Meine Füße sind müde, aber meine Seele ist ausgeruht.“

Die bis dahin größte Demonstration der Bürgerrechtsbewegung war der „Marsch auf Washington“, angesetzt auf den 28. August 1963; genau hundert Jahre zuvor hatte Abraham Lincoln die Sklaverei in den Südstaaten rechtlich abgeschafft.

Martin Luther King redete zum Abschluss vor dem LincolnMemorial. Nach den Worten „I have a dream“ verließ er sein Manuskript.

7 Ich habe einen Traum. „…einen Traum, der tief verwurzelt ist im amerikanischen Traum“, im Credo: „Wir halten die Wahrheit für selbstverständlich: dass alle Menschen gleich erschaffen sind.“ „Und die Herrlichkeit des Herrn wird offenbar werden“ [Jesaja 40,5; Lukas 3,6]: „Mit diesem Glauben werde ich fähig sein, aus dem Berg der Verzweiflung einen Stein der Hoffnung zu hauen.“

Zum 13. September 1964 hatte der Regierende Bürgermeister West-Berlins, Willy Brandt, King eingeladen, auf einer Gedenkveranstaltung für den ein Jahr zuvor ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy zu sprechen. Die Kirchliche Hochschule promovierte King zum Doktor der Theologie ehrenhalber. Er predigte in der Berliner Waldbühne. Am Abend predigte er auf der anderen Seite der Mauer. Die Marienkirche war überfüllt; er wiederholte die Predigt in der Sophienkirche.

8 Aus dem Berg der Verzweiflung einen Stein der Hoffnung hauen. „Es ist, das möchte ich euch sagen, wirklich eine Ehre, in dieser Stadt zu sein, die ein Symbol ist für die Trennungen von Menschen auf dieser Erde.“ „Die Evangelien sprechen direkt und in Gleichnissen von der Verantwortung, die wir füreinander haben, unabhängig von den Unterschieden der Rasse und der Nation. Und deshalb ist es nicht so schwierig für uns, einen Schritt weiterzugehen und anzunehmen, dass überall dort, wo Menschen ‚die Mauer der Feindschaft niederreißen‘ [Epheser 2,14], die sie von ihren Brüdern trennt, dass dort Christus seinen Dienst der Versöhnung fortsetzt“. „Ich möchte euch jetzt einiges von dem erzählen, was wir über Gottes Handeln in unserer Mitte gelernt haben.“ Unser Kampf begann mit Rosa Parks’ unüblichen Verhalten, einer „jener spontanen Gewissenshandlungen, die der Geist gelegentlich fordert“. Was danach geschah, ist nur so zu erklären, „dass wir von Gott in seinem heiligen ‚Kairos‘, von seinem Handeln zur rechten Zeit, ergriffen wurden. Unsere Antwort konnte nur die von Martin Luther sein: ‚Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir.‘“ „Jetzt haben wir das Ägypten der Sklaverei verlassen. Wir sind unter vielem Leiden durch die ‚Wüste‘ der Rassentrennung gezogen“, stehen „auf dem Berg und blicken auf das ‚gelobte Land‘ schöpferischen, gemeinsamen Zusammenlebens.“ [Hesekiel 3,1–14:] „…der Geist des Herrn hauchte uns die Kraft und den Odem des Lebens ein, und die ausgetrockneten Gebeine meines Volkes bekamen Fleisch und Mut und Glauben und begannen, in das Land der Freiheit zu marschieren.“ Am 10. Dezember 1964 hielt Martin Luther King in Oslo, nachdem er den Friedensnobelpreis entgegengenommen hatte, eine kurze Ansprache.

9 We shall overcome. „Ich glaube, dass unbewaffnete Wahrheit und bedingungslose Liebe das letzte Wort in der Wirklichkeit haben werden“, dass wir über „triumphierendes Böses“ hinwegkommen sollen und „gewaltloser, erlösender guter Wille seine Herrschaft über das Land ausrufen wird“. Seit 1964 waren US-Truppen in Vietnam. 1966 bombardierte die US-Luftwaffe Hanoi. Mit Beginn des Jahres 1967 nahm King an öffentlichen Aktionen der amerikanischen Friedensbewegung teil als Stimme für die Opfer. „Tue deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind“ [Sprüche 31,8]: Dieses Wort hatte Bonhoeffer in einem Brief am 11. September 1934 zitiert und kommentiert: „– wer weiß denn das heute noch in der Kirche, daß dies die mindeste Forderung der Bibel in solchen Zeiten ist?“ Am 4. April 1967 hielt King in der Riverside Church in New York bei einer Zusammenkunft der Vereinigung von „Geistlichen und Laien in Sorge um Vietnam“ eine äußerst umstrittene regierungskritische Rede.

10 Sprechen für die, die keine Stimme haben. Wenn der „Sachen-orientierten Gesellschaft“ „Maschinen und Computer, Profitmotive und Eigentumsrechte“ wichtiger sind als Menschen, dann können „die gigantischen Drillinge Rassismus, extremer Materialismus und Militarismus“ nicht besiegt werden. Was soll das Verbrennen menschlicher Wesen mit Napalm? Zu einer „absoluten Notwendigkeit für das Überleben der Menschheit“ ist eine Kraft geworden, die „alle großen Religionen als das höchste vereinigende Prinzip des Lebens“ glauben, eine Kraft, die „zur letzten Wirklichkeit führt“, die im 1. Johannesbrief zusammengefasst ist: „Gott ist die Liebe“. Der kanadische Rundfunk strahlte die Predigt aus, die King am Heiligabend 1967 in der Baptistenkirche in Atlanta hielt.

11 Friede auf Erden. „Eine der großen philosophischen Debatten der Geschichte ging um die ganze Frage von Zwecken und Mitteln.“ King meint offenbar Kant; auch dessen Schrift „Zum ewigen Frieden“ von 1795 kennt er, denn sie geht von einem Gedanken aus, den King so formuliert: „Was immer einen direkt betrifft, betrifft indirekt alle.“ Ist denn für das Ziel Frieden jedes Mittel recht? Nein, sondern es muss bereits in den Mitteln „vor-vorhanden“ sein. Liebe ist mehr als Gernhaben, ist „verstehendes, schöpferisches, erlösendes Wohlwollen gegenüber allen Menschen“, und diejenigen benötigen sie besonders, die mit der zu großen Last, dem Hass, beladen sind. Frieden schaffen solche, denen gegeben ist zu bezeugen: Euch, ihr Feinde, werden wir ertragen, leiden mögen. Am 4. Februar 1968 sprach King in seiner Kirche in Atlanta, in der Predigt zum vorgegebenen Text Markus 10,35–45, vom Trachten nach einer Sonderstellung ganz vorn, das er den „Tambourmajor-Instinkt“ im Menschen nannte. Darin blickte er voraus auf das Ende des Lebens auf Erden, an das er, wie alle Menschen, irgendwann gelangen würde.

12 Was sollte bei meiner Beerdigung gesagt werden? „Ja, wenn ihr sagen wollt, dass ich wie ein Tambourmajor vorausging“, dann sagt: auf dem Weg zur Gerechtigkeit, zum Frieden hin; „wenn ich die Botschaft wie der Herr ausbreiten kann, dann wird mein Leben nicht vergeblich sein“. King erklärte sich im Frühjahr 1968 bereit zur Unterstützung eines Arbeiterstreiks in Memphis, Tennessee. Am 3. April sollte er reden, hatte aber mit einer Erkältung zu tun und bat Abernathy, ihn als Redner zu vertreten. Als der Freund die Enttäuschung der Menschen spürte, rief er King an und überredete ihn, doch noch zu der abendlichen Großveranstaltung zu kommen. King kam und sprach frei, ohne Manuskript, vor elftausend Menschen.

13 Ich bin auf dem Gipfel des Berges gewesen. Wenn Gott „zu mir sagen würde: ‚Martin Luther King, in welchem Zeitalter würdest du gern leben?‘ “, dann würde ich sagen: „Wenn du mir erlaubst, nur ein paar Jahre in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu leben, dann bin ich glücklich.“ Glücklich, zu leben in der Epoche des Schreis: Wir wollen frei sein – von Sklaverei. Vor einigen Jahren „hatte mir eine geistesgestörte Frau einen Stich versetzt“. Die Spitze ihres Messers reichte fast bis an die Aorta. „Die New York Times berichtete am nächsten Tag, dass ich gestorben wäre, wenn ich nur geniest hätte.“ „Hätte ich geniest – ich hätte nicht gesehen, wie in Memphis eine Gemeinschaft jenen Brüdern und Schwestern zu Hilfe kommt, die leiden. Ich bin so froh, dass ich nicht niesen musste. Und man sagte mir … Nun, das spielt jetzt keine Rolle.“ „Denn ich bin auf dem Gipfel des Berges gewesen.“ „Meine Augen haben die Herrlichkeit des kommenden Herrn gesehen.“

Am Ende der langen Rede war etwas Merkwürdiges geschehen. King wurde leiser, begann unvermittelt den Satz „Und man sagte mir“ und vollendete ihn nicht. Dann sprach er vom Hinüberblicken in das verheißene Land, 5. Mosebuch 32,48–52.

Am nächsten Abend verabredete King vom Balkon des Motels in Memphis aus mit dem unten stehenden Musiker die Lieder für die nächste Massenversammlung in einer Kirche. Da fiel ein Schuss. Eine Kugel traf Kings rechte Gesichtshälfte. Kurz nach 19 Uhr an diesem 4. April 1968 gaben die Ärzte den Tod bekannt.

Heinrich Grosse, 1942 geboren, ist während seines Studiums in den USA 1967/68 Martin Luther King bei Aktionen gegen den Vietnamkrieg begegnet. 1971 wurde er in Bochum mit einer Arbeit zu King promoviert. Er lehrte ab 2000 am Pastoralsoziologischen Institut in Hannover. Fünf der dreizehn Texte sowie die kleinen Passagen, die ab Seite 172 folgen, hat er übersetzt. Auf den Seiten 180–183 steht eine ÜbersichtsZeittafel, danach bis 189 werden die Fundorte der Texte und wer sie übersetzt hat genannt. Auf den Seiten 9–38 führt Grosse ein: „Martin Luther King – Stationen seines Lebens“. Jeden Text hat er mit einem „Hinweis zum jeweiligen situativen Kontext“ und dem Titel versehen. Am Abend des Tages, an dem sein druckfertiges Manuskript an den Verlag abging, am 9. Februar 2018, ist er gestorben. (it)

Ilse Tödt (it), Dr. phil., Dr. theol. h.c., seit 1961 nebenamtlich Kolle giums mitglied der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) Heidelberg.

itoedt@t-online.de

Diese Seite benutzt Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmen Sie dem zu.

Datenschutzerklärung