In den letzten Jahren sind zahlreiche bibliothekswissenschaftliche Hand- und Lehrbücher erschienen. Die nachfolgende Auswahl zeigt, dass diese nicht nur für den täglichen Gebrauch in den Bibliotheken wichtig, sondern auch für andere Berufe interessant sind.
Klaus Gantert: Bibliothekarisches Grundwissen. 9., vollst.
neu bearb. und erw. Aufl. Berlin, Boston: de Gruyter Saur, 2016. X, 493 S. ISBN 978-3-11-032145-6. € 29,95 Man nehme im Idealfall ein 400 Seiten umfassendes Vorlesungsmanuskript (Rupert Hacker) und einen engagierten Verleger (Klaus G. Saur), und schon ist ein bibliothekarischer Bestseller geboren: 1971 erscheint zum ersten Mal das Buch von Rupert Hacker: Bibliothekarisches Grundwissen (vgl. Klaus G. Saur in: Buch – Bibliothek – Region. Wolfgang Schmitz zum 65. Geburtstag. Wiesbaden, 2014. S. 349-352). Bis zum Jahr 2000 werden sieben Auflagen des „Hacker“ vorgelegt, mit der achten übernimmt Klaus Gantert die Autorenschaft, und auch der „Gantert“ wird ein Bestseller, wie sich mit den zwei von ihm zu verantworteten Ausgaben zeigt.
Viele Generationen von Aus- und Fortzubildenden im Bibliotheksbereich begleitet das Buch als „eine verständliche Einführung in die grundlegenden Begriffe, Fakten und Zusammenhänge des heutigen Bibliothekswesens und in die bibliothekarischen Arbeitszusammenhänge“ und „eine brauchbare Einführung in die bibliothekarischen Institutionen, Tätigkeiten und Informationsangebote“, es will aber auch „die Freude am Umgang mit Medien, Technik und Bibliothekskunden sowie die Faszination der vielfältigen Arbeit in Bibliotheken vermitteln“ (S. V).
Neu ist das größere Format, Layout und Schrift sind anderen Veröffentlichungen des Verlages angepasst, das Buch ist somit „lesbarer“ als frühere Ausgaben, und wir finden, wie noch aufzunotieren, eine „merkliche Erweiterung des Textes“ (S. V). Die Struktur ist im Wesentlichen gleich geblieben. Es gibt wieder vier Teile. Neben Ergänzungen und Aktualisierungen ist der Inhalt von hoher Aktualität, er ist korrekt dargestellt, klare und eindeutige Definitionen stehen im Vordergrund. Teil 1 gibt einen Überblick über Bibliothek und Bibliothekswesen mit dem neuen, zukunftsträchtigen Kapitel „Bibliothek als Raum“ über Bibliotheken als soziale Räume, die „Menschen zur Kommunikation an einem öffentlichen Ort zusammenführen“ (S. 65) und als Lernräume. Teil 2 beschreibt den Bibliotheksbestand – Literatur, Bücher, Medien, Daten und Informationen. Teil 3 widmet sich dem Thema Aufbau, Erschließung und Bewahrung des Bestands – Information, Auskunft und Schulung, im Kapitel „Bestandserschließung (Katalogisierung)“ wird der Teil über die Formalerschließung, bedingt durch zahlreiche Neuerungen und Veränderungen, neu abgefasst, Fragen der Informationskompetenz und der Teaching Library werden ausführlicher behandelt. Teil 4 umfasst Bibliothekarische Informationsangebote, wesentlich verändert ist das Kapitel über die Informationssuche im Internet, neu ein Kapitel über Trends in der Gesellschaft und Wissenschaft und ihre mögliche Widerspiegelung in den Bibliotheken. Im Anhang finden sich erstmals wichtige Internetadressen, gefolgt von Hinweisen auf weiterführende Literatur.
Es wäre Beckmesserei, nach kleinen Fehlern und Unkorrektheiten zu suchen. Bei künftigen Auflagen sollte der Autor versuchen, traditionelle Arbeitsvorgänge kürzer darzustellen, um Platz für Neuentwicklungen zu schaffen.
Der „Gantert“ gibt auch in dieser Ausgabe wieder einen zuverlässigen Gesamtüberblick über das Bibliothekswesen, die bibliothekarischen Arbeitsvorgänge und die modernen Informationstechnologien. Er wird auch weiterhin Generationen von angehenden und jungen Bibliothekaren begleiten, bei einem erfahrenen Bibliothekar wird sich manches Aha-Erlebnis einstellen.
Praxishandbuch Bibliotheksbau. Planung – Gestaltung – Betrieb / Hrsg. Petra Hauke, Klaus Ulrich Werner.
Berlin, Boston: de Gruyter Saur, 2016. XI, 528 S. ISBN 978-3-11-040313-9. € 99,95 2011 erscheint eine Einführung in die Geschichte der Bibliotheken und ihrer Bauten, die sich nicht nur an Architekten, Bibliothekare und Bücherliebhaber wendet, sondern an alle, die der Entwicklung der Bibliotheken und ihrer Hülle verfallen sind. (Die Weisheit baut sich ein Haus. Architektur und Geschichte von Bibliotheken ISBN 978-3-7913-5167-4). 2013 erscheint ein Buch über die Kulturgeschichte und die Architektur der Bibliotheken (James W.P. Campbell: Die Bibliothek. Kulturgeschichte und Architektur von der Antike bis heute ISBN 9783-86873-611-3), das erstmals die gesamte Entwicklung der Bibliotheksgebäude von den ersten Bibliotheken im frühen Mesopotamien bis hin zu den monumentalen Bibliotheksbauten im 20. und 21. Jahrhundert darstellt. Es gibt noch weitere Titel wie Bücherwelten von Susanne von Meiss und Reto Guntli (2. Aufl. 1999), Uwe Jochums Geschichte der abendländischen Bibliotheken (2010) die illustrierte Geschichte Das Buch von Martyn Lyons (2012). 2013 bezeichnet Susanne Kippenberger die Bibliotheken des 21. Jahrhunderts als neue Volkspaläste, der digitale Mensch sehne sich nach einem realen Ort, die Architektin Francine Houben nenne Bibliotheken die wichtigsten öffentlichen Gebäude (Tagesspiegel 15.12.2013. S. S 5).
Dies ist eine gute Grundlage und Rechtfertigung für ein Praxishandbuch Bibliotheksbau, in dem es auch gleich in der Einführung folgerichtig heißt: „Die Renaissance der Bibliothek im digitalen Zeitalter ist ein Wiederentdecken der Bibliothek als Raum … Die Bibliothek für morgen ist ein gemeinsamer Lernort und öffentliches Wohnzimmer, Ort der ‚Bibliotheks konzentration‘ und Denkraum (frei nach Aby Warburg), Ort der Medienkonvergenz, ein kommunikativer und sozialer Ort, eine unverzichtbarer kommunaler Bildungsort und Ort der Freizeitgestaltung“ (S. IX) – und das funktioniert selbst dann, wenn in diesem Gebäude immer weniger gedruckte Bücher zu finden sind!
Wie sind Bibliothekare, Architekten und Bauingenieure und andere am Bau und der Einrichtung von Bibliotheken beteiligten Berufsgruppen auf diese Aufgabe vorbereitet? Wo können sie zumindest Grundlagen, Anleitungen und Hilfen in Übersichten, gewissermaßen in einem Fortschrittsbericht nachschlagen? Die Antwort lautet: in dem Praxishandbuch Bibliotheksbau, dessen Schwerpunkt auf der Praxis beim Bauen und Gestalten von Bibliotheken liegt, es geht „um die Gestaltung von Bibliotheksräumen, um die Anpassungsfähigkeit an die kommenden Bedürfnisse der Nutzer, es geht aber auch um funktionale Inszenierungen, um das ‚Kuratieren‘ von Bibliotheksflächen. Es geht um Bibliotheksutopien aus der Sicht junger Designer … um adäquates Design für spezifische Zielgruppen … um das Entdecken neuer Flächen … und um die Anpassung bestehender Räume und Flächen an aktuelle und zukünftige Bedürfnisse.“ (S. IX) Ein gelungener Versuch von 55 Autoren in 34 Beiträgen, die in fünf großen Abschnitten untergebracht sind: Bibliothek als Bauaufgabe (u.a. Bibliothek als architektonische Aufgabe, Standortwahl, Flächenbedarf von Hochschulbibliotheken) – Bibliotheken bauen im Bestand (u.a. Modernisierung und Sanierung von Bibliotheksbauten, Nachnutzung versus Neubau) – Räume gestalten (u.a. Raumgestaltung bei verschiedenen Bibliothekstypen, Bodenbeläge für Bibliotheken, die künstliche Beleuchtung) – Bibliothekstechnik (u.a. Leitsysteme, Hochregallager und Magazinierung, Brandschutz, Klimaregulierung) – Management im Kontext von Bauprojekten (u.a. Bibliotheksumzug, Betriebsmanagement, Gebäudemanagement).
Das letzte Handbuch zu diesem Thema liegt m.E. über 30 Jahre zurück (Grundlagen des Bibliotheksbaus – Bibliotheksgebäude. 1985) Diese neue Veröffentlichung fasst die in den letzten Jahren gesammelten Erfahrungen im Bibliotheksbau und die dazu erschienenen Sammelbände (z.B. Bibliotheken bauen und ausstatten 2009, Formierung von Wissensräumen 2014) und Zeitschriften-Themenhefte (z.B. Büchereiperspektiven 2012/3 und Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 3013/3,4) gekonnt in Form eines Handbuches zusammen und bringt sie auf den neuesten Stand. Es werden alle in Frage kommenden Themen behandelt und beispielgebende Bibliotheksbauten vorgestellt. Am Schluss befinden sich eine über 30seitige Auswahlbibliographie und ein Register. Eine ausgezeichnete Leistung, ein Muss für alle, die an der Vorbereitung, Durchführung und Inbetriebnahme von Bibliotheksbauten einbezogen sind.
Praxishandbuch Ausstellungen in Bibliotheken / Mit einem Vorwort von Barbara Lison. Hrsg. Petra Hauke. Berlin, Boston: de Gruyter Saur, 2016. XI, 453 S. ISBN 9783-11-047279-0. € 99,95
In diesem Praxishandbuch, dem ersten in deutschsprachigen Ländern, findet sich ein Satz, über den sich trefflich fabulieren lässt: „Für Bibliotheken und Bibliothekare ist das Ausstellen von Büchern im Prinzip fremd, da der Hauptzweck einer Bibliothek herkömmlich das Zur-Verfügung-Stellen von Büchern zum Lesen ist.“ (S. 87). Ergo: Der Ausstellungstätigkeit in Bibliotheken wird in der täglichen Arbeit und möglicherweise auch in der Aus- und Fortbildung keine große Aufmerksamkeit gewidmet. Ablesen kann man dies in den am weitesten verbreiteten Hand- und Lehrbüchern wie dem Lexikon der Bibliotheks- und Informationswissenschaft (Bd 1. Lfg 1. 2009) und dem Lexikon Buch. Bibliothek. Neue Medien von Strauch/ Rehm (2. Aufl. 2007), die auf den Begriff verzichten. In der DDR allerdings wurden Ausstellungen als literatur- und bibliothekspropagandistisches Hilfsmittel genutzt, was umfangreiche Darstellungen z.B. im Lehrbuch Grundzüge der Bibliothekslehre von Horst Kunze (3. Aufl. 1966) und im Lexikon des Bibliothekswesens (2. Aufl. 1974) zur Folge hat. Noch zwei Zitate aus dem vorliegenden Praxishandbuch: „Die Präsentation von Ausstellungen in Bibliotheken hat eine lange Tradition und gehört zu den Basis-Elementen der so genannten Programmarbeit.“ (S. V) Aber: „Es ist noch nicht lange her, dass Ausstellungen in Bibliotheken vor allem Zimelienkammern waren.“ (S. 245) Das alles ist kein Widerspruch, es zeigt nur, wie unsicher und unentschlossen sich Bibliothekare fühlen und wie unzureichend sie im Gegensatz zu den Kuratoren in den Museen auf das Thema Ausstellungen vorbereitet sind. Das Praxishandbuch ist ein beeindruckendes Hilfsmittel, die Unsicherheiten zu beseitigen und sich Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Ausstellungen zu erwerben. Vom Zwiespalt und von Unsicherheiten ist übrigens auch die Ausstellungstätigkeit in den Archiven geprägt, wie das soeben erschienene und in unserer Zeitschrift noch zu besprechende Handbuch Archiv zeigt: „Wenn Archive Orte sind, an denen etwas verwahrt wird, so ist das Ausstellen ein Akt, der ihnen widerspricht und sie doch definiert.“ (Handbuch Archiv S. 225). Eine formvollendete Ausdrucksweise!
Das im Rahmen eines Projektseminars am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin erarbeitete Praxishandbuch Ausstellungen in Bibliotheken erfasst in acht Kapiteln die gesamte Breite des Themas von der Planung und Konzeption, den rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Aspekten, dem Management und der Ausstellungstechnik, technischen und konservatorischen Rahmenbedingungen, Überlegungen zu Kooperationen und Partnerschaften über die unterschiedlichen Ausstellungsverfahren und -konzepte einschließlich Wanderausstellungen und virtuellen Ausstellungen bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit. Das alles wird häufig dargestellt an beispielgebenden Ausstellungsprojekten verschiedener Bibliothekstypen (z.B. Deutsches Buchund Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Wienbibliothek). Besonders ausführlich werden die Öffentlichkeitsarbeit und die Kooperation als Synergieeffekt beschrieben.
Jeder Beitrag enthält Literaturhinweise und Internetquellen, teilweise auch ein Fazit zum behandelten Thema. Besonders hinzuweisen ist auf die vielen farbigen Abbildungen. Am Schluss der Veröffentlichung finden sich ein umfangreiches Verzeichnis weiterführender Literatur und ein Register.
Der Titel Praxishandbuch ist korrekt, weil im Vordergrund die praktische Arbeit mit Ausstellungen steht und nur in zwei Beiträgen grundsätzliche Gedanken zur Theorie der Ausstellungen geäußert werden.
Für eine Neuauflage sollten Beiträge zu ähnlichen Themen besser zusammengefasst und redundante Äußerungen und Doppelungen vermieden werden.
Ein nicht nur für Bibliotheken, sondern auch für Archive und Museen hochwillkommener Sammelband. Ein großer Dank gilt dem aus 48 Autoren (!) bestehenden Projektteam, das in 33 Beiträgen dieses hervorragende Ergebnis hervorgebracht hat.
Die erste 2012 erschienene Auflage (vgl. fachbuchjournal 5 (2013) 1, S. 15-16) bezeichnet die Informationskompetenz als eine Schlüsselkompetenz der Informations- und Wissensgesellschaft und als eine Grundvoraussetzung zum lebenslangen Lernen, deren Vermittlung an Menschen aus allen sozialen Schichten und allen Altersgruppen und mit den unterschiedlichsten Informationsinteressen eine Kernaufgabe von Bibliotheken ist. Die Informationskompetenz, so die Herausgeber und Autoren, ist entscheidend für den Erfolg in der Ausbildung, im beruflichen Leben und im Alltag.
Dieses vergleichsweise neue Tätigkeitsfeld als Fortsetzung und Weiterführung der klassischen Schulung von Bibliotheksbenutzern hat sich in den Bibliotheken etabliert, auch dank der ersten Ausgabe dieses Handbuches.
Warum in so kurzer Zeit eine stark überarbeitete Neuauflage? In seiner Einführung stellt der Herausgeber diese Frage eingeschränkt mit „Neudefinition von Informationskompetenz notwendig?“ und verneint dies, aber er belegt die Notwendigkeit einer neuen, stark überarbeiteten Ausgabe in erster Linie mit dem veränderten Informationsverhalten. Die gegenüber dem Erkenntnisstand im Jahr 2011 anderen Bedingungen werden ausführlich diskutiert und Lösungen angeboten. Auf die gesicherten Grundlagen verzichten die Autoren natürlich nicht (S. 2).
Das alles spiegelt sich in 45 Beiträgen in den sechs Abteilungen Grundlagen, Methoden, Technologien – Vorschule und Schule – Hochschulstudium – Wissenschaft und Forschung – Lernen und Lehren in der Bibliothek – Länderprofile wider.
Was ist neu?
Die Informationskompetenz als Bestandteil der bibliothekarischen Arbeit wird durch eine eigene Abteilung zwar beibehalten, aber die bisherige Verengung auf den bibliothekarischen Sektor aufgelöst durch eine größere Hinwendung zu anderen Wissenschaftsdisziplinen und Themenfeldern wie Wissensmanagement (u.a. Informationskompetenz im Wissenschaftssystem, Unterstützung des Forschungsprozesses durch Bibliotheken), Medien- und Kommunikationswissenschaft (u.a. Publikationskompetenz als Element der Informationskompetenz), Pädagogik und Didaktik (u.a. Spiralcurriculum, intergenerationelles Lernen, Bibliotheksdidaktik, der Teaching Librarian, Rhetorik), Ethik und Jura (Begriffe des geistigen Eigentums und seiner Nutzung in der Wissenschaft).
Der engen Verzahnung bei der Nutzung und Verarbeitung von Informationsressourcen mit anderen Wirkungs- und Einflussbereichen wie den Ergebnissen der Informations- und Kommunikationstechnologie, sozialen Netzwerken, neuen Formen des Publizierens und der mobilen Nutzung von Informationen wird eine viel größere Beachtung geschenkt. Durch die sich ständig wandelnden digitalen und heterogenen Medienwelten wandelt sich auch das Informationsverhalten (u.a. der enorme Umfang zu verarbeitender Datenmengen bei Big Data, die komplexeren Recherchen in vielen Suchmaschinen und die Nutzung von Resource Discovery Systemen), neue Formen der Vermittlung von Informationskompetenz (u.a. das Konzept der Metaliteracy, das Seven Pillars-Modell) werden erörtert.
Die Entwicklung und Förderung von Informationskompetenz bedarf einer pädagogischen und didaktischen Fundierung, am sinnvollsten im Rahmen einer Bibliotheksdidaktik.
Fazit dieser zukunftsorientierten Herangehensweise: „Der Weg zu verbesserter Informationskompetenz ist kein gradliniger, kontinuierlich von einer auf die folgende Stufe voranschreitender, sondern ein komplexer, zirkulärer Vorgang, der unabgeschlossen ist und der Metareflexion bedarf, also des Nachdenkens über die eigene Informationspraxis.“ (S. 3) Das Handbuch lebt auch von Berichten über den Stand und die Entwicklungstendenzen der Informationskompetenz in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Großbritannien und den USA und von praktischen Beispielen aus verschiedenen Bibliotheken (u.a. Bibliotheken an Hochschulen in Bayern, Universitätsbibliotheken Bern, Freiburg, Heidelberg und Mainz). Das in der ersten Auflage sicherlich unerwartet breite Spektrum der Informationskompetenz erweist sich als noch umfassender! Gratulation zu dieser überarbeiteten Auflage dieses Handbuches. Ein Muss für alle, die sich mit der Informationskompetenz beschäftigen, und nun noch mehr als in der ersten Auflage auch außerhalb des Bibliotheks- und Informationswesens.
Ulrike Hanke, Wilfried Sühl-Strohmenger: Bibliotheksdidaktik. Grundlagen zur Förderung von Informationskompetenz. Berlin, Boston: de Gruyter Saur, 2016. XII, 201 S. (Bibliotheks- und Informationspraxis. Bd 58) ISBN 978-3-11-035241-2. € 89,95
Im Handbuch Informationskompetenz findet sich auch ein 13seitiger Beitrag von Ulrike Hanke und Wilfried Sühl-Strohmenger Bibliothekdidaktik zur erfolgreichen Förderung von Informationskompetenz. Die Autoren nennen darin drei Ansprüche einer Bibliotheksdidaktik: „(1) Sie möchte Aussagen über die Bildungsinhalte von Bildungsangeboten an Bibliotheken machen, (2) sie unterbreitet Vorschläge für die methodische Strukturierung dieser Bildungsangebote und (3) sie zeigt lehrenden Bibliothekarinnen und Bibliothekaren einen Weg auf, wie diese beim Planen von Bildungsangeboten vorgehen können“, nur der zweite Anspruch wird erfüllt, denn weiteres „hätte den Rahmen dieses Beitrags zum Handbuch gesprengt.“ (Handbuch S. 380-381). „Jedoch mangelt es bisher an einem Lehrbuch zur Bibliotheksdidaktik, obwohl die Zeit dafür eigentlich seit Längerem reif ist. Vielfach wird eben gerade die unzureichende didaktische Kompetenz bei den Bibliothekarinnen und Bibliothekaren beklagt, die in immer größerem Umfang Einführungen, Schulungen und Kurse anbieten und durchführen, ohne eigentlich dafür vorbereitet zu sein.“ (S. V) Nun liegt das Lehrbuch unter dem Titel Bibliotheksdidaktik. Grundlagen zur Förderung von Informationskompetenz vor.
Einführenden Kapiteln über Bibliotheken als Orte der Bildung und des Lernens, über Zahlen und Fakten zur Bibliothek als Teaching Library, über Ansprüche an eine Bibliotheksdidaktik und über die Geschichte der Bibliotheksdidaktik in Deutschland folgen Kapitel über Voraussetzungen, Determinanten und Komponenten der Bibliotheksdidaktik, über Inhalte von Bildungsangeboten an Bibliotheken, über ein bibliotheksdidaktisches Rahmenmodell sowie über das Planen und Konzipieren von Bildungsangeboten.
Viele bisher verstreut publizierte Gedanken werden in diesem Buch systematisch geordnet überschaubar dargeboten. Es sind Standortbestimmungen und Entwicklungstendenzen, mit Beispielen neuerer Didaktikmethoden aus verschiedenen Ländern und verschiedenen Modellen der Informationskompetenz, sehr gut eingebunden in die Bibliothekstheorie und -praxis. Mit einer Definition halten sich die Autoren noch zurück. Sie formulieren Ansprüche an eine Bibliotheksdidaktik mit sieben Bausteinen (S. 9) und nennen Komponenten einer Bibliotheksdidaktik (S. 53), und sie tragen die besonderen Bedingungen des Lernens und Lehrens an Bibliotheken zusammen und werten sie. Wenn also die Didaktik als zentrale Disziplin der Pädagogik die Theorie und Praxis des Lehrens und Lernens oder noch besser die Kunst oder Wissenschaft des Lehrens und Lernens ist, dann haben die Autoren eine Anwendung auf die Bibliotheksund Informationswissenschaft in optima form vorgenommen. Das Lehrbuch ist eine ausgezeichnete Orientierungshilfe. Es ist sehr nützlich für die bibliothekarische Aus- und Fortbildung und für die Durchführung von Einführungen und Kursen zur Förderung der Informations- und Medienkompetenz, aber auch für die pädagogische Aus- und Fortbildung. Eine weite Verbreitung dieses Buches ist dringend geboten, der Preis für ein solches Unterfangen ist aber unangemessen hoch.
Autorenbibliotheken. Erschließung, Rekonstruktion, Wissensordnung / Hrsg. Michael Knoche. Wiesbaden: Harrassowitz Verl., 2015. 187 S. (Bibliothek und Wissenschaft. 48. 2015) ISBN 978-3-447-10340-4. € 99,00
Das Forschungsprojekt Autorenbibliotheken: Materialität – Wissensordnung – Performanz (http://www.mww-forschung.de/forschungsprojekte/autorenbibliotheken) wird vom Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel durchgeführt. „Das Vorhaben fasst die persönliche Büchersammlung eines Autors als komplementären Ort zu seinem Werk auf und widmet sich in exemplarischen Analysen den Entstehungsbedingungen von Literatur und Wissenschaft von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart.“ (S. 5) Etwas versteckt heißt es in einem Beitrag: „Die von bedeutenden Gelehrten und Autoren genutzten Bücher sind wichtige Quellen, um sich ihrem Denken, ihrer Arbeitsweise und dem Wissenshorizont ihrer Epoche zu nähern.“(Ivonne Rohmann S. 58)
Nun liegt eine sehr verdienstvolle Veröffentlichung zu einem bisher von der Literatur-, Buch- und Bibliothekswissenschaft vernachlässigten Gebiet vor. Aus diesem Grunde wäre es sinnvoll gewesen, wenn der Herausgeber in einer kurzen Einleitung den Begriff Autorenbibliothek definiert und erläutert hätte. Ansätze dazu finden sich in einem Interview mit dem ungarischen Schriftsteller Péter Esterházy, der Einblicke in seine „persönliche Denk- und Schreibwerkstatt“ gibt – sein Verhältnis zu Büchern, zum Sammeln von Büchern und zur (Un)Ordnung in seiner eigenen Bibliothek. Es ist m.E. das letzte Interview des am 14. Juni 2016 verstorbenen Autors.
Der Zusatz zum Sachtitel geht auf die wichtigsten Aufgaben der Bibliothekswissenschaft und Bibliothekspraxis ein, die Erschließung, Rekonstruktion und Wissensordnung von Autorenbibliotheken. Dies ist dann auch der Hauptinhalt des Sammelbandes. Der präsentiert erste Ergebnisse und gibt in fünf Beiträgen Einblicke in den Stand und die weitere Entwicklung dieser Forschungen. Das sind Aspekte der Erschließung und Rekonstruktion nachgelassener Privatbibliotheken am Beispiel der Büchersammlungen des Viergestirns der Weimarer Klassik Herder, Wieland, Schiller und Goethe Untersuchungen zur Ausleihpraxis der Herzoglichen Bibliothek Weimar von 1792 bis 1834 am Beispiel der Entleihungen Goethes in Beziehung zu „virtuellen Autorenbibliotheken“, die neben dem physischen Buchbesitz auch Erwähnungen in Tagebüchern und Briefen, Lesespuren in den Büchern, Ausleihverzeichnisse und Leselisten erschließen
Die unterschiedliche Überlieferung von Autorenbibliotheken an zwei Beispielen: Die in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek befindliche Büchersammlung des Weimarer Bibliothekars und Volkskundlers Reinhold Köhler (1830–1892) als Beispiel für eine Sammlung von Alltagsliteratur und die anhand des Auktionskatalogs von 1670 rekonstruierte des Buchhändlers Benedikt Bahnsen (?–1669) mit ihren raren, merkwürdigen und heterodoxen Büchern
Die Materialität des Lesens anhand von Anmerkungen in Büchern und deren Aussagekraft in Autorenbibliotheken am Beispiel der Bibliothek von Friedrich Dürrenmatt. Es ist ein faszinierendes Thema, zu dem in der letzen Dekade Einzeluntersuchungen u.a. zu den Bibliotheken des Polyhistors Johann Christian Boineburg (1622–1672; ISBN 3-8325-03285), des Pietisten Johann Friedrich Ruopp (1672–1708; ISBN 3-484-84108-7), des reformierten Pastors und Universitätsprofessors Lüder Kulenkamp (1724–1794; ISBN 978-3-83253622-0) und des Bildungsbürgers und Kaufmanns Caspar Vogth (1759–1832; 978-3-7319-0099-3) erschienen sind und die der Rezensent in der Zeitschrift MARGINALIEN vorstellen durfte.
Der Sammelband vermittelt neue Erkenntnisse über den Inhalt von Büchersammlungen, über deren Besitzer und deren gesellschaftliches Umfeld und die möglichen Netzwerke.
Prof. em. Dieter Schmidmaier (ds), geb. 1938 in Leipzig, studierte Bibliothekswissenschaft und Physik an der Humboldt-Universität Berlin, war von 1967 bis 1988 Biblio theksdirektor an der Berg akademie Freiberg und von 1989 bis 1990 General direktor der Deutschen Staatsbibliothek Berlin.
dieter.schmidmaier@schmidma.com