Kunst, Natur

Entwicklungsdynamik in Natur und Gesellschaft

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 4/2020

Beatrice Voigt (Hrsg.) unter Mitwirkung der Universität für Bodenkultur Wien und der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns: Vom Werden – Entwicklungsdynamik in Natur und Gesellschaft. Perspektiven einer zukunftsoffenen Wertekultur im Dialog von Wissenschaft, Kunst und Bildung. Beatrice Voigt, Kunst und Kulturprojekte & Edition, München, 2019, 320 S., 300 Abb. in Farbe mit Verknüpfungen zu Filmclips, Bildern, Animationen, Collagen, Performances u.a.m., ISBN 978-3-9816143-6-7, € 48,00.

„Ach, wäre ich doch dabei gewesen!“, mag so manch einer beim Lesen der Resonanzen im Nachgang zu dem Münchener Symposium ‚Vom Werden‘ in dieser bleiernen Zeit der Corona-Pandemie seufzen. Die mit Elogen bedachte Veranstaltung fand vom 08.-10. Dezember 2017 im einzigartigen Ambiente des Botanischen Gartens München-Nymphenburg unter der Mitwirkung namhafter Natur- und Geisteswissenschaftler*innen sowie Künstler*innen statt. Initiiert und konzipiert wurde die Tagung zur ‚Entwicklungsdynamik in Natur und Gesellschaft‘ von ­Beatrice Voigt, einer beeindruckend vielseitig gebildeten Autorin zahlreicher Publikationen und Entwicklerin kreativer Themen- und Aktionsfelder, unter Mitwirkung der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (SNSB). Knapp zwei Jahre nach dem erinnerungswürdigen Symposium erschien die vorliegende gewichtige Dokumentation ‚Vom Werden‘, deren 36 Textbeiträge das Ziel verfolgen, „für den Empfindungs-, Erfahrungs- und Wertungszusammenhang des Menschen mit Natur und Kultur zu sensibilisieren und ebenso sinnstiftende wie anwendungsorientierte Per­ spektiven einer zukunftsoffenen Wertekultur hervorzubringen“ (lt. Flyer des Verlags).

Dem Band gelingt es, dieses hehre Ziel zu vermitteln, vermag aber – wie zu erwarten – das besondere SymposiumFlair nur eingeschränkt widerzuspiegeln, denn die Integration der engagiert vorgetragenen wissenschaftlichen und pädagogischen Referate in Verbindung mit den künstlerisch-musikalischen Aufführungen, die als «szenische Komposition» präsentiert wurden, bedarf der Faszination des Augenblicks. Das Momentum der identitätsstiftenden Begegnung von Wissenschaft und Kunst erreicht das Dokument jedoch annährungsweise, wenn es in Verbindung mit den digital verfügbaren Filmclips, Bildern, Animationen, Collagen, Performances u.a.m. [https://www. bea-voigt.de/kultur/projekte/vom-werden/] und mit viel Imagination gelesen wird, − vorausgesetzt man ist offen für die notwendige Hybridisierung unterschiedlichster Per­ spektiven auf diese Welt, ob durch wissenschaftliche Analyse oder künstlerische Interpretation.

Der Inhalt des Bandes gliedert sich in eine vierteilige Einführung sowie sechs Hauptkapitel, die rhythmisch in künstlerische und musikalische Prologe zur projektiven Einstimmung, einem jeweiligen Impulsstatement und je drei sich thematisch ergänzende wissenschaftliche Referate unterteilt ist. Die Dokumentation reflektiert damit das mit hoher fachlicher Kompetenz und akademischem Bildungsanspruch gestaltete Konzept des Symposiums. Den Schlussakkord des aufwändig gestalteten Bandes setzt neben einem resümierenden Nachklang sowie umfangreichen Ausblick ein zum verantwortlichen Umgang mit der Natur und den Ressourcen mahnender Epilog. Im Auftakt ‚Zum Geleit‘ betont der Rektor der ­BOKU, Martin H. Gerzabek, die enorme „Veränderungsdynamik in allen Bereichen der Natur und Gesellschaft“ und die exponentielle Beschleunigung unseres Wissens, die zur Überforderung unserer „zutiefst verunsicherten Gesellschaft“ (S. 6) führen, und erklärt als Ziel der disziplinübergreifenden Dokumentation, „die Verständlichkeit komplexerer Zusammenhänge für die Gesellschaft“ durch „neue Formen des vernetzten Denkens“ (S. 6) zu erhöhen. Kein geringer als der Soziologe und Jurist Meinhard Miegel, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Kulturelle Erneuerung, verfasste das ‚Grußwort zum Symposium‘. Da die Welt aus den Fugen geraten ist und sich im Ungleichgewicht befindet, hebt der prominente Zukunftsmahner die Bedeutung des Symposiums zur „gebotenen Einhegung“ vor, was den Dreiklang von „Wissenschaft, Kunst und nicht zuletzt Religion“ (S. 7) erfordert. Das ‚Vorwort‘ hat der Münchener Zoologe Gerhard Haszprunar als Generaldirektor der SNSB verfasst. Darin zitiert er die dekuvrierende Frage des charismatischen Wiener Biologen und Systemtheoretikers Rupert Riedl (1923– 2005): „Was soll die Trennung von Natur- und Geisteswissenschaft? Sind denn die einen unnatürlich und die anderen geistlos?“ (S. 8) und plädiert für vernetztes Denken.

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