Umwelt | Natur

Entdeckungsreisen in die Natur

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 4/2022

Coulthard, Sally (Autor), Kunstmann, Andrea (Übersetzerin): Das Buch des Regenwurms – Eine Entdeckungsreise durch unsere Erde. Hamburg: ­HarperCollins 2022, geb., 176 S., ISBN 978-3-365-00012-0. € 16,00.

Was Sie schon immer über Regenwürmer wissen wollten (oder wollten Sie bisher nicht?), finden Sie kompakt und gut aufbereitet in diesem erstaunlichen Büchlein! Das in seiner deutschen Erstausgabe bei HarperCollins erschienene Werk von Sally Coulthard, einer inzwischen auf Bestsellerniveau arbeitenden britischen Autorin für populärwissenschaftliche Literatur über die Natur, hält so viel Wissenswertes über Regenwürmer bereit, dass sich auch ein vermeintlicher Insider, also z.B. ein Gärtner oder ein Angler, nur erstaunt hinein verlieren muss. Das „old fashioned“, dabei aber gut aufgemachte, kleine Büchlein vermittelt auf 176 Seiten mit seinen kleinen Kapiteln im Frage- und Antwortspiel und vielen eingestreuten Tipps („Was tun für die Würmer? – Tipp 3: Wie man einen Komposthaufen anlegt“) einen kurzweiligen Einblick in die Lebenswelt unserer Böden, die dank dieser Würmer die Grundlage unseres Lebens auf und in der Erde bilden. Gewürzt mit kleinen Grafiken in alter Buchmachertradition versteht es die Autorin, in 41 Kapiteln so schwierige Fragen wie „Warum heißt der Wurm ‚Wurm‘?“ oder „Warum finden manche Leute Regenwürmer eklig?“ – gestützt auf wissenschaftliche Untersuchungen (ohne Witz) – verständliche Antworten mit Humor zu formulieren. Sie greift dabei auf die moderne Forschung genau so zurück wie sie häufig in Zitaten die Altvorderen wie Plinius oder insbesondere Darwin zu Wort kommen lässt. Letzterer war zudem einer der ersten überhaupt, der sich intensiv mit unseren unterirdischen Bundesgenossen beschäftigt hat (er nannte sie „Pflug der Natur“). Seine Forschungen sind heute noch oft State of Art.

Dabei verliert die britische Autorin nicht den Adressatenkreis eines populärwissenschaftlichen Werkes aus den Augen, wenn sie in Kapiteln wie „Haben Regenwürmer einen Einfluss auf den Klimawandel?“ oder „Wie haben Regenwürmer Sex“ ein breites Publikum – auch vom Alter her – anspricht. Die Beantwortung letzterer Frage wird übrigens gendergerecht im Mutterboden dadurch beantwortet, dass Regenwürmer Zwitter sind, die sowohl männliche wie auch weibliche Sexualorgane haben. Stichwort Sex: Nach Darstellung der Autorin haben kommerzielle Wurmzüchter – die gibt es erstaunlicher Weise auch für den Garten- und Anglerbedarf – Kompostwürmer schon bei einem „flotten Dreier“ erwischt.

Unterschieden werden die, zoologisch der Ordnung der Wenigborstler angehörenden, Regenwürmer übrigens in Streuschichtbewohner, also der obersten Bodenschicht (verrottendes Blattwerk und andere organische Materialien) und nicht dem Erdreich angehörenden Bewohnern, in Flachgräber (Oberboden- und Mineralbodenbewohnern, bis zu 30 cm Tiefe und horizontal bohrend) und in Tiefgräber, die in senkrecht gegrabenen Röhren bis zu 3 Meter tief im Erdreich leben. Sie scheuen trotz ihrer Borsten verständlicherweise die Sonne und kommen deshalb in der Nacht nach oben, wie z.B. unser Gemeiner Regenwurm, der dann bei Regenwetter auch die Straßen bevölkert und neue Reviere sucht.

Gefressen werden organische Bodenstoffe, die entweder direkt in den jeweiligen Schichten vorhanden sind oder von den Würmen von der Oberfläche selber in ihre Gänge gezogen werden. Der in kleinen Häufchen oder direkt in den Grabgängen ausgeschiedene Kot ist das Lebenselixier der Pflanzen- und Pilzwelt und macht sie bei den Gärtnern so beliebt.

Trotz des kompakten Wissens, das so schön aufbereitet präsentiert wird, gibt es nach Meinung der Autorin hier noch ein breites Forschungsfeld zu beackern, um in der Bodennomenklatur zu bleiben. Der Rezensent möchte mit einem im Büchlein abgedruckten Eingangszitat von Leonardo da Vinci schließen: „Wir wissen mehr über die Bewegung der Himmelskörper als über den Boden unter unseren Füßen.“ Dieses Verhältnis hat sich in den letzten 500 Jahren eher verschlechtert als verbessert, kann aber durch dieses Büchlein vielleicht ein winziges Stück zurechtgerückt werden. (cs)

 

Véro Mischitz, Insektenwelt für Ahnungslose. Krabbeltiere sehen und lieben lernen. Stuttgart: Franckh-Kosmos 2022, Paperback, 128 S., 250 farbige Illustr., ISBN 978-3-440-17099-1. € 18,00.

Ein modernes Buch, fürwahr. Für Teenager und alle, die es einmal werden wollen, und vielleicht auch für Erwachsene, die sich auf unkonventionelle Weise auf die Reise in eine unbekannte Welt begeben wollen. Für „Ahnungslose“ eben, die der Insektenwelt bisher nicht nahe waren – außer vielleicht den Bettwanzen – und die sich alleine durch den Kauf eines Insektenführers, und sei es aus dem gleichen Verlag, nicht angesprochen fühlen.

Mit viel Kunst kommt es daher, denn obwohl es um ein Naturthema geht, gibt es im Buch keine Fotografien, sondern stattdessen 250 Farbzeichnungen, wenn diese auch primär aus Schwarz-weiß- und Rosatönen bestehen. Die exemplarisch gut gewählten Beispiele sind allerdings in klassischer Naturführermanier nach Bildern „aus dem Leben“ aquarelliert, was die Autorin nicht nur als eine aufstrebende Naturkundlerin mit Bio-Abschluss ausweist, sondern auch als Illustratorin, die ihren Ursprung in der Comicszene im Buch selber durch Sprechblasen und flotte Sprüche nicht verleugnen kann und auch nicht leugnen will. Locker-flockig geht es deshalb zu mit einem modernen Satz, eigenwilliger aber passender Schriftart und jugendlichem „Speech“; aber nie außerhalb des gesteckten naturwissenschaftlichen Rahmens, zu dem dann auch beispielsweise die lateinischen Gattungsnamen zählen, an die der „Ahnungslose“ vorsichtig herangeführt wird.

In so etwas wie einem einleitenden Kapitel verwendet die junge Autorin viel künstlerische und psychologische Energie darauf, das vielleicht noch nicht so geneigte Publikum frei nach dem Motto: „Warum ausgerechnet Insekten?“ an die schwierige und mit vielen Phobien begleitete Materie heranzuführen. Das gelingt gut genauso wie auch die Erste Hilfe für werdende Entomologen im Kapitel „Kleine Helferlein – Grundausrüstung & Unverzichtbares“, eine Einführung in die Fanggeräte bis hin zum Binokular zur Observierung des so geschundenen Objektes. Den Krabblern auf der Spur ist die Autorin danach in Feld, Wald und Flur, Wasser nicht zu vergessen, u.a. in der „Kinderstube des Grauens“, in der Libellenlarven ihr Leben unter Wasser als wahre Fressmaschinen darstellen und allem Getier unter Wasser nachstellen deren sie habhaft werden können. Oder die Larve des Bienenwolfes – passend rötlich illustriert, die eine Biene von innen verspeist, erst zuletzt macht sie sich dabei an die lebenswichtigen Organe. Bevor dann die einzelnen Ordnungen der Insekten (Schmetterlinge, Käfer usw.) exemplarisch dargestellt werden, erfolgt ein kurzer Exkurs in die biologische Systematik, sachgerecht nur gestreift, um den Leser nicht zu erschrecken. Das nachfolgende Überblickkapitel bringt auf ein bis vier Seiten neben den Merkmalen der Insekten zu jeder Ordnung einige auch farblich hübsch illustrierte Beispiele von bei uns häufiger auftretenden Insekten, nachdem bereits im vorangegangen Kapitel Begrifflichkeiten wie Metamorphose (Umwandlung der Jungtiere zum erwachsenen geschlechtsreifen Tier, dem Imago) anschaulich illustriert und erläutert wurden. Die dabei auftretenden Zwischenstufen, wie z.B. Schmetterlingsraupen, werden dabei nur rudimentär behandelt, wie leider auch die Größe der einzelnen Tiere oder Larven, Puppen usw. nicht angegeben werden – einer der wenigen Kritikpunkte des Rezensenten.

Dieses exemplarische „Bestimmungskapitel“ weniger ausgewählter Spezies bildet auf 48 Seiten 16 Ordnungen ab, die jeweils in ein bis vier Spezies näher, wenn auch nicht umfassend, vorgestellt werden. Gut genug für den Anfänger, dem das Buch ja als Schnupperkurs dienen soll. Und diesen Zweck erfüllt es mit Verve!

Die abschließenden Kapitel über die Einbettung der Insekten in die Umwelt, die Ursachen ihres Rückgangs und was jeder einzelne zu deren Erhalt tun kann, sind heute obligatorisch, wenn auch hier mit Comiccharakter. Auch eine ausgewählte kurze Literaturliste (nennt man das eigentlich immer noch so, wenn die Hälfte der Einträge aus dem Netz stammt?) ist vorhanden. Insgesamt ist das ein schönes Taschenbuch zum Selbststudium für nicht nur junge naturbegeisterte Menschen, das auch vom NABU empfohlen wird. Eine Empfehlung, der ich mich uneingeschränkt anschließen kann. (cs)

Dr. K. P. Christian Spath (cs) ist Physiker und Ingenieur und war bis zu seiner Pensionierung an der Universität Mainz tätig. Er ist seit Jahrzehnten dem Naturschutz verbunden und Vorsitzender eines Naturschutzverbandes.

spath@uni-mainz.de

 

Diese Seite benutzt Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmen Sie dem zu.

Datenschutzerklärung