An Kommentaren zum Vertrag über die Europäische Union (EUV), zum Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und zur Europäischen Grundrechtecharta (GRC) besteht kein Mangel. In den letzten Jahren sind in dieser Zeitschrift mehrere einschlägige Werke vorgestellt worden (Ausg. 4/2010, 1/2011, 6/2012, 1/2013 und 5/2015). Unlängst ist ein weiteres hinzugekommen:
Matthias Pechstein/Carsten Nowak/Ulrich Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV, Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2017, Leinen, Schutzumschläge.
Es setzt sich aus vier Bänden zusammen, die bei Gesamtbezug (ISBN 978-3-16-151864-5) 736,- € kosten, aber auch einzeln bezogen werden können. Erläutert werden in
- Bd. I (ISBN 978-3-16-155044-7; XXXVII, 1735 Seiten; 219,- €) der EUV und die GRC,
- Bd. II (ISBN 978-3-16-155045-4; XXXV, 1462 Seiten; 199,- €) die Art. 1 bis 100 AEUV,
- Bd. III (ISBN 978-3-16-155046-1; XXXVII, 1719 Seiten; 199,- €) die Art. 101 bis 215 AEUV
und
- Bd. IV (ISBN 978-3-16-155047-8; XXXVII, 1622 Seiten; 199,- €) die Art. 216 bis 358 AEUV.
Die Erläuterungen in allen vier Bänden füllen also 6538 Seiten. Dabei nicht mitgezählt sind die Register am Anfang der Bände: Inhaltsübersicht und Inhaltsverzeichnis zu dem jeweiligen Band sowie (einheitlich für alle vier Bände) je ein Autoren- und ein Abkürzungsverzeichnis sowie ein Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur. Am Ende jedes Bandes findet sich außerdem ein wortgleiches Stichwortverzeichnis für alle vier Bände im Umfang von 107 Seiten. Zählt man dies alles zusammen, ergibt sich ein Gesamtumfang von ca. 7110 Seiten. Damit tritt das Werk in Konkurrenz zu dem im Jahre 2015 in 7. Auflage erschienenen ebenfalls vierbändigen Nomos-Kommentar „Europäisches Unionsrecht“, hrsg. von v.d. Groeben, Schwarze und Hatje, den ich in der Ausg. 5/2015 S. 42 ff. besprochen habe. Während dieses Werk, das noch etwas umfangreicher und kostspieliger ist, ganz überwiegend von Praktikern aus der deutschen und europäischen Verwaltung verfasst worden ist, ist der Neuankömmling ein fast lupenreiner Professorenkommentar, zu dem Hochschullehrer (und deren Mitarbeiter) aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beigetragen haben. Die unterschiedliche Sichtweise der beiden Berufsgruppen kann reizvoll und fruchtbar sein, was hier aber nicht vertieft werden kann. Wie hoch die Zahl der Autoren ist, ist unklar. Im Vorwort ist von „über 60 Autoren“ die Rede, im Autorenverzeichnis sind nur 56 aufgeführt. Eine so große Schar dazu zu bringen, die versprochenen Manuskripte zum vereinbarten Zeitpunkt abzuliefern, war sicherlich eine herkulische Aufgabe für die drei Herausgeber.
Seinen Namen verdankt das Werk nicht der Stadt Frankfurt am Main, sondern dem an der Oder gelegenen Frankfurt, an dessen Europa-Universität Viadrina die Herausgeber lehren. Auf Einzelheiten der Kommentierung kann hier aus naheliegenden Gründen nicht eingegangen werden. Kein billig und gerecht Denkender (Juristenfloskel) kann und wird erwarten, dass der Rezensent einen Kommentar von vorn bis hinten liest. Es muss bei einigen Anmerkungen sein Bewenden haben, die ihre Auswahl vor allem den Interessen des Rezensenten verdanken.
Die von Paul Kirchhof inaugurierte und vom BVerfG rezipierte Charakterisierung der EU als „Staatenverbund“ sei, meint Nowak (Art. 1 EUV Rn. 10), ein in vieler Hinsicht angreifbarer Begriff, der sich auch nicht wirklich durchgesetzt habe. Zu Recht merkt er an, dass die Benennung nicht von entscheidender Bedeutung ist.
Sowohl die Gemeinschaftsverträge als auch die Charta haben den häufig überstrapazierten und missbrauchten Begriff der Menschenwürde übernommen, wobei Art. 1 Abs. 1 GG Pate gestanden hat. Art. 2 EUV zählt die Menschenwürde zu den Werten, auf die sich die Union gründet. Und Art. 1 GRC bestimmt:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.“
Das sind hehre Worte. Doch fragt sich: Was macht die Würde des Menschen aus? Terhechte (Art. 2 EUV Rn. 12) konstatiert zu Recht, bei den entscheidenden Streitfragen (z.B. Biotechnologie, pränatale Diagnostik, Gentechnik, Terrorismusbekämpfung, Einwanderungs- und Asylpolitik und auch im Bereich der Sozialpolitik) gebe es sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, was unter die Menschenwürde fällt und was nicht. Von einem genuin universalen Würdekonzept könne nur um den Preis großer Verallgemeinerungen gesprochen werden.
Dass die Menschenwürde gern als Allzweckwaffe eingesetzt wird, illustriert u.a. folgender Vorgang: Die Versorgung „unbegleiteter Minderjähriger“ kostet den Steuerzahler durchschnittlich 175 Euro pro Tag und damit ein Vielfaches der Versorgung erwachsener Flüchtlinge. Erfahrungsgemäß gibt ein nicht unerheblicher Anteil der Flüchtlinge fälschlich an, unter 18 Jahre alt zu sein, um in den Genuss der bevorzugten Behandlung Minderjähriger zu gelangen.
Die Forderung, in Zweifelsfällen durch medizinische Untersuchung das Alter feststellen zu lassen, ist dieser Tage von der rheinlandpfälzischen Landesregierung abgelehnt worden mit der Begründung, derartige Untersuchungen verstießen gegen die Menschenwürde (AZ Mainz vom 16. September 2017 S. 4). Als Verstoß gegen die Menschenwürde ist es sogar angesehen worden, dass der Verkehrsteilnehmer vor einer roten Verkehrsampel (einem „seelenlosen Apparat“) anhalten müsse.
Eine subsumtionsfähige Definition der Menschenwürde liefert auch Frenz in seiner Exegese des Art. 1 GRC nicht; er verweist auf die von Günter Dürig geprägte und vom BVerfG übernommene sog. Objektformel, der zufolge die Menschenwürde dann verletzt ist, wenn der Mensch nicht als Subjekt, sondern als Objekt behandelt wird (Rn. 29). Sie wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Als „Herzstück der „Menschenwürde“ bezeichnet der Autor die Autonomie: Der Mensch müsse sich nach seinen eigenen Vorstellungen von Würde entfalten können (Rn. 36) – eine mir sympathische Idee. Besondere Bedeutung habe die Menschenwürde als staatliche Schutzpflicht:
„Schutz von Flüchtlingen vor Tod etwa auf der Überfahrt über das Mittelmeer sowie vor Menschenhändlern, soweit nicht schon Art. 5 GRC [Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit] eingreift, Schutz von Körperteilen und Stammzellen vor Handel und Versuchen …“ (Rn. 13).
Dies greift er später nochmals auf: Es verstoße gegen die Menschenwürde,
„wenn jemand schutzlos Menschenhändlern ausgeliefert, mithin gleichsam deren Objekt ist und in einem Boot auf dem Mittelmeer treibt“ (Rn. 31).
Seiner Ansicht nach verlangt die Menschenwürde ferner, dass
Patrouillenfahrten durchgeführt werden „in Gewässern, in denen erfahrungsgemäß immer wieder Flüchtlinge in gefährliche Situationen geraten“.
Zudem sei eine humanitäre Aufnahme notwendig, um das Überleben zu sichern sowie Leibeigenschaft und Zwangsarbeit zu vermeiden (Rn. 31, 37). Die Menschenwürde soll sogar eine Einigung der EU-Staaten über die Verteilung der Flüchtlinge auf die Mitgliedstaaten verlangen (Rn. 50). Man kann alles übertreiben.
Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet die Union und ihre Mitgliedstaaten, sich gegenseitig zu achten und bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Franzius leitet hieraus u.a. eine Kooperationspflicht der mitgliedstaatlichen Gerichte gegenüber den Gerichten der EU ab (Art. 4 EUV Rn. 148 ff.) und konstatiert – nicht zu Unrecht –, das Kooperationsverhältnis des BVerfG zum EuGH sei von Zurückhaltung geprägt und komme in drohenden obiter dicta zum Ausdruck (Rn. 151). Das Verhältnis zwischen dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG), dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der ein Gericht des Europarates (nicht der EU!) ist, ist nicht ganz spannungsfrei. Jedes dieser drei Gerichte wacht eifersüchtig über seine Kompetenzen und fürchtet, von den anderen überspielt zu werden. So hat der EuGH durch ein Rechtsgutachten den von Art. 6 Abs. 2 EUV zwingend vorgeschriebenen Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) im Jahre 2014 durch ein Rechtsgutachten verhindert (dazu Pache, Art. 6 EUV Rn. 92 ff. und Art. 53 GRC Rn. 25 f.), wobei eine nicht geringe Rolle die Furcht des EuGH gespielt haben dürfte, nach dem Beitritt könnten Entscheidungen des EuGH vom EGMR auf ihre Vereinbarkeit mit der EMRK überprüft werden (s. Pechstein/ Görlitz, Art. 267 AEUV Rn. 78).
In einem weiteren Rechtsgutachten von 2011 torpedierte der EuGH die Einrichtung eines ihm gleichrangigen Einheitlichen Patentgerichts (dazu Pechstein, Art. 262 AEUV Rn. 3). Dazu wird es nun aber wohl dennoch kommen: Das von einer Reihe von Mitgliedstaaten abgeschlossene Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPG) sieht die Einrichtung eines solchen Gerichts mit der ausschließlichen Zuständigkeit für Streitigkeiten in Bezug auf europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung vor (näher dazu Pechstein, Rn. 5). Es wird aus einem Gericht erster Instanz (mit einer Zentralkammer in Paris sowie Lokal- und Regionalkammern in den Vertragsstaaten), einem Berufungsgericht und einer Kanzlei in Luxemburg bestehen. Es könnte Anfang 2018 seine Arbeit aufnehmen; sogar die EU-flüchtigen Briten wollen sich ihm unterwerfen.
In der Öffentlichkeit (und wohl auch unter Juristen) wenig bekannt ist der EFTA-Gerichtshof, der 1994 aufgrund eines Abkommens zwischen der EU und den EFTA-Staaten errichtet wurde. Er hat seinen Sitz in Luxemburg und ist dem EuGH gleichgeordnet. Auch die Einrichtung dieses Gerichts hat der EuGH mittels eines Gutachtens zu verhindern versucht; inzwischen habe sich, wie Boysen (Art. 217 AEUV Rn. 31) mitteilt, eine beispielhafte Kooperation beider Gerichte entwickelt. Durch Vorgänge in einigen östlichen Mitgliedstaaten (insbesondere Polen und Ungarn) hat in jüngster Zeit Art. 7 EUV eine unerfreuliche Aktualität gewonnen. Polen demontiert Schritt für Schritt die Unabhängigkeit der Gerichte, Polen und einige andere Staaten verweigern die Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland und Italien, obwohl der EuGH am 6. September 2017 den einschlägigen Ratsbeschluss für rechtens erklärt hat. In diesen Fällen könnten Maßnahmen nach Art. 7 EUV in Betracht kommen. Dessen Abs. 1 ermächtigt den Rat der EU (bestehend aus den zuständigen Ministern der Mitgliedstaaten) festzustellen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Art. 2 EUV genannten Werte (Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte) durch einen Mitgliedstaat besteht. Ferner kann der Europäische Rat (der sich aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten zusammensetzt) feststellen, dass eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung der in Art. 2 genannten Werte durch einen Mitgliedstaat vorliegt (Abs. 2). Im zuletzt genannten Fall kann der Rat beschließen, bestimmte Rechte des Mitgliedstaates auszusetzen, ihm beispielsweise das Stimmrecht zu entziehen (Abs. 3), während der Rat im Falle des Abs. 1 lediglich (unverbindliche) Empfehlungen an den Mitgliedstaat richten kann. Ob und welche Sanktionen der Rat ergreifen wird, steht noch nicht fest. In der Vergangenheit ist auf Sanktionen stets verzichtet worden, obwohl – wie Nowak (Art. 7 EUV Rn. 3) schreibt – „es durchaus Vorgänge in einigen EU-Mitgliedstaaten gab und gibt, die eine Aktivierung der in dieser Norm geregelten Präventions- und Sanktionsmechanismen möglicherweise hätten rechtfertigen können bzw. ermöglichen würden“.
Auf gesteigertes Interesse dürften auch die Ausführungen Szczekallas zu Art. 50 EUV stoßen, der den Austritt aus der Union regelt. Der Autor hat noch registriert, das Vereinigte Königreich habe sich entschlossen, am 23. Juni 2016 ein Referendum über den Verbleib in der EU abzuhalten (Rn. 9). Das betrübliche Ergebnis hat er nicht mehr mitgekriegt. Die Antwort auf die Frage, was unter Ehe und was unter Familie zu verstehen ist, ist während der letzten Jahrzehnte immer unsicherer geworden. Bekanntlich hat uns der Gesetzgeber durch die Sturzgeburt des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20. Juli 2017 die „Ehe für alle“ beschert; ob das mit Art. 6 GG vereinbar ist, wird noch zu klären sein. Auch Art. 9 GRC gewährleistet das „Recht, eine Ehe einzugehen, und das Recht, eine Familie zu gründen“, allerdings – wie es weiter heißt – nach Maßgabe der einzelstaatlichen Gesetze, welche die Ausübung dieser Rechte regeln. Heinrich Amadeus Wolff definiert die Ehe im Sinne des Art. 9 als
„die rechtlich gefasste, auf freiwilliger Basis beruhende Lebensgemeinschaft von zwei natürlichen Personen, die grundsätzlich auf längere Zeit geschlossen wird“ (Rn. 14).
Er bezeichnet diese Begriffsbestimmung als „Rahmenbegriff“, was wohl bedeuten soll, dass sich die Mitgliedstaaten bei ihrer Definition der Ehe in diesem Rahmen sollen halten müssen. Wolff fährt fort, der enge Ehebegriff, nach dem [im Kommentar fälschlich: nachdem] Ehe die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau ist, überzeuge zwar für Art. 12 EMRK, nicht aber bei Art. 9 GRC. Dies ergebe sich aus dem abweichenden Normtext, aus der spezifischen Zweistufigkeit des Schutzsystems und aus der gesellschaftlichen Abhängigkeit des Eheverständnisses und dessen Wandel. Konsequenterweise gelangt der Autor zu dem Schluss, der Schutz des Art. 9 erstrecke sich auch auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, wenn (sic!) die Mitgliedstaaten diese als Ehe definieren. Das gelte auch für die deutsche eingetragene Lebensgemeinschaft (Rn. 16).
Da Wolffs Ehebegriff die „Lebensgemeinschaft von zwei natürlichen Personen“ voraussetzt, schließt er die nach dem Islam statthafte Mehrehe aus; sie wäre durch Art. 9 nicht geschützt, selbst wenn ein Mitgliedstaat sie einführen würde, allerdings auch nicht verboten. An späterer Stelle (Rn. 22) schreibt er allerdings, unstreitig respektiere Art. 9 das (derzeit bei uns bestehende) Verbot der Mehrehe. Schwierig sei der umgekehrte Fall, dass das einfache Recht die Mehrehe gestatten würde. Er schreibt:
„Sollte man die eigene traditionell-kulturelle Vorstellung der Einehe überwinden und eine Mehrehe innerhalb von Art. 9 GRC anerkennen, so wäre dies allerdings nur dann möglich, wenn die Mehrehe geschlechtsneutral jedem Ehepartner gestattet wäre. Aber auch hier wird man vom Sinn des Eheschutzes keine unbegrenzte Anzahl von Eheschlüssen zulassen können. … Gegenwärtig dürfte es allerdings näher liegen, die Einehe als dem Art. 9 GRC zugrundeliegend zu betrachten.“
Angesichts solcher Ausführungen und des Gesetzes zur Einführung der „Ehe für alle“ wird man wohl einmal verstärkt darüber nachdenken müssen, ob der (wirkliche oder vermeintliche) Wandel der gesellschaftlichen Anschauung die völlige Uminterpretation grundlegender Begriffe (wie den der Ehe) rechtfertigt, oder ob nicht doch nur der Gesetzgeber, u.U. sogar nur der Verfassungsgesetzgeber, dazu berechtigt ist, den überkommenen Begriffen einen neuen Inhalt zu geben. Die Zusammenarbeit der Justiz- und Polizeibehörden der EU-Mitgliedstaaten ist im Verlaufe der letzten Jahrzehnte immer intensiver geworden. Die Grundlage dafür bilden die Art. 82 bis 89 AEUV. Diese Vorschriften sind von Gudrun Hochmayr und Hubert Hinterhofer sachkundig erläutert worden. Zu den bereits bestehenden Einrichtungen (Eurojust und Europol) wird demnächst nach langem Ringen (dazu Hinterhofer, Art. 86 AEUV Rn. 5 f.) eine weitere hinzukommen: die Europäische Staatsanwaltschaft. Nachdem ein einstimmiger Beschluss am Widerstand einiger Mitgliedstaaten gescheitert war, wird diese Institution nunmehr im Wege der sog. Verstärkten Zusammenarbeit (Art. 326 ff. AEUV) geschaffen. Darauf haben sich am 8. Juni 2017 zwanzig Mitgliedstaaten geeinigt. Die Europäische Staatsanwaltschaft soll ihren Sitz in Luxemburg haben und aus einem Chefankläger sowie je einem Staatsanwalt pro Mitgliedstaat bestehen, wie dem WikipediaArtikel „Europäische Staatsanwaltschaft“ zu entnehmen ist. Die Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft wird allerdings sehr beschränkt sein.
Nur wenige andere Rechtsgebiete sind in einem solchen Maße von EU-Vorschriften durchdrungen und überlagert wie das Umweltrecht. Kaum ein deutsches Gesetz oder eine deutsche Rechtsverordnung wird erlassen, das/die nicht mit dem amtlichen Hinweis versehen ist, das Gesetz/die Verordnung diene der Umsetzung einer oder mehrerer EU-Richtlinien. Die Grundlage für die überaus rege Normsetzungstätigkeit der EU bilden die Art. 191 bis 193 AEUV. Sebastian Heselhaus hat sie unter Einbeziehung des Sekundärrechts auf mehr als hundert Seiten vorzüglich erläutert.
Abschließend ein paar Anmerkungen zu technischen Fragen, deren Bedeutung für den Benutzer des Werks man allerdings nicht unterschätzen sollte.
Die Sätze der Vorschriften sind nummeriert, die Unterabsätze typografisch deutlich kenntlich gemacht, was das genaue Zitieren der Bestimmungen erleichtert. Schlagworte sind durch Fettdruck hervorgehoben, das steigert die Übersichtlichkeit. Die Belege sind vollständig in Fußnoten ausgelagert, sodass der Lesefluss nicht beeinträchtigt wird.
Den Erläuterungen zu den einzelnen Vorschriften vorangestellt sind in der Regel der Text der Norm, eine alphabetisch geordnete Literaturübersicht (teilweise nach Absätzen gestaffelt), Leitentscheidungen (überwiegend des EuGH, z.T. auch anderer Gerichte, wie etwa des BVerfG oder – sehr selten – der Verfassungsgerichte anderer Mitgliedstaaten), eine Zusammenstellung sekundärrechtlicher Vorschriften, welche die kommentierte Vorschrift ausgestalten sowie eine Inhaltsübersicht über die Erläuterungen.
Das Werk ist durch die Register, die Inhaltsübersichten und das Stichwortverzeichnis am Ende der Bände gut erschlossen. Die Ausstattung der Bände ist vortrefflich; es bereitet einen geradezu sinnlichen Genuss, sie in die Hände zu nehmen. Das Schriftbild ist ausgesprochen augenfreundlich und unterscheidet sich deutlich von vielen anderen Publikationen.
Das wissenschaftliche Niveau der Kommentierungen ist, soweit ich das überprüft habe, ganz überwiegend hoch. Bei manchen hätte man sich vielleicht eine Vertiefung gewünscht; doch das mag Geschmackssache sein. (hwl)
Univ.-Prof. Dr. jur. Hans-Werner Laubinger, M.C.L., hatte bis zum Eintritt in den Ruhestand den Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz inne, an der er noch heute als Forscher tätig ist. Er ist Mitherausgeber des Verwaltungsarchivs, dessen Schriftleiter er von 1983 bis 2001 war.
hwlaubinger@t-online.de