Bitkom sieht wachsende Kluft zwischen digitalen Vorreitern und Nachzüglern
In der Corona-Pandemie hat sich der Graben zwischen digitalen Vorreitern und digitalen Nachzüglern weiter vertieft. Jeder Vierte fühlt sich digital abgehängt: 25 Prozent der Menschen in Deutschland sehen die Digitalisierung als Gefahr an. Zugleich traut sich nur die Hälfte der Bundesbürger (50 Prozent) zu, die Vertrauenswürdigkeit einer Online-Quelle einzuschätzen. In der Wirtschaft sind die Unterschiede ebenfalls deutlich: So hat in rund der Hälfte (47 Prozent) der Unternehmen Corona längst überfällige Digitalisierungsvorhaben angeschoben, in ebenfalls der Hälfte (52 Prozent) wurden aber Digitalisierungsprojekte wegen Corona auf Eis gelegt. Und die eine Hälfte der Unternehmen (46 Prozent) sieht sich bei der Digitalisierung von Geschäfts- und Verwaltungsprozessen als Vorreiter, die andere (50 Prozent) aber als Nachzügler. „Wir müssen die digitalen Gräben schließen und digitale Teilhabe fördern – in der Gesellschaft, in der Wirtschaft und in der Verwaltung“, sagte Bitkom-Präsident Achim Berg anlässlich des Digital-Gipfel-Events der Bundesregierung, das am heutigen Dienstag zum zweiten Mal nach 2020 rein digital stattfindet. Die Bundesregierung betont mit dem Digital-Gipfel die Bedeutung der Digitalisierung für den Innovationsstandort und das deutsche Gemeinwesen.
Eine Digitalisierung der zwei Geschwindigkeiten werde dem Verfassungsziel einer strukturell ausgeglichenen Entwicklung innerhalb Deutschlands und der Chancengleichheit für alle Bürgerinnen und Bürger nicht gerecht, betonte Berg. Zugleich schlug er vor, das Mittelstandsprogramm „Digital jetzt!“ massiv auszubauen. Außerdem sollten digitale Streetworker für benachteiligte Bevölkerungsgruppen eingesetzt und allen Menschen in Deutschland ein Recht auf digitale Bildung eingeräumt werden. Berg: „Mit dem Digitalpakt für Schulen ist ein erster Schritt getan. Jetzt brauchen wir weitere Digitalpakte, mit denen wir jene Bevölkerungsgruppen zielgerichtet und sehr spezifisch erreichen, die auf dem Weg in die digitale Welt unsere Unterstützung brauchen: ältere Mitmenschen, sozial Benachteiligte, Migranten, bildungsferne Schichten.“
Berg erinnerte zugleich an die Notwendigkeit, das Vertrauen in digitale Technologien in der gesamten Gesellschaft zu stärken: „Wir werden die Digitalisierung nur zu einem Gewinn für die gesamte Gesellschaft und auch für Wirtschaft und Verwaltung machen, wenn wir alle Menschen auf dem Weg in die digitale Welt mitnehmen. Das wird so lange nicht funktionieren, wie wir in Deutschland mehr über die Risiken als über die Chancen sprechen.“ Um auch diejenigen besser zu erreichen, die bislang nicht abgeholt sind, haben 28 Spitzenorganisationen aus allen Bereichen der Gesellschaft die Initiative „Digital für alle“ und den Digitaltag ins Leben gerufen. Er findet das nächste Mal am 18. Juni statt.
Berg wandte sich bei der Gelegenheit gegen ein Übermaß an Regulierung und sprach sich für mehr Freiräume aus, um neue digitale Technologien entwickeln und in der Praxis erproben zu können. Insbesondere Künstliche Intelligenz müsse gestärkt werden. „KI ist eine Basistechnologie, die gerade erst entsteht. Wir dürfen sie nicht kaputtregulieren, bevor sie überhaupt da ist“, so Berg. „Deshalb muss die Bundesregierung sich für eine innovationsoffene KI-Regulierung einsetzen. Unternehmen müssen ausprobieren dürfen.“ Lediglich 8 Prozent der Unternehmen in Deutschland nutzen KI bereits – weitere 30 Prozent planen oder diskutieren ihren Einsatz für die Zukunft, wie eine Bitkom-Studie im April 2021 ergeben hat. Dem gegenüber steht ein deutliches Bewusstsein für die Relevanz Künstlicher Intelligenz: Mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der Unternehmen sagen: KI ist die wichtigste Zukunftstechnologie. „Die Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz ziehen sich durch alle Branchen: Ärzten kann sie helfen, Röntgen- und CT-Bilder zu analysieren, sie bildet die Grundlage für das autonome Fahren und revolutioniert die Produktion in Fabrikhallen. Jetzt muss es darum gehen, KI mit noch mehr Schwung in die unternehmerische Praxis zu bringen“, betonte Berg. Man brauche dafür in Deutschland und Europa sichere und vertrauenswürdige KI – zugleich müsse der den Unternehmen entstehende Aufwand verhältnismäßig bleiben.
Vom Digitalgipfel sind in der Vergangenheit viele wichtige Initiativen für das digitale Deutschland hervorgegangen. Neben den ersten Smart Schools gehören dazu der Aufbau eines bundesweiten Netzwerks von Schwerpunktzentren zur Digitalisierung der deutschen Leitindustrien, so genannte German Digital Hubs. Aus dem Digitalgipfel gingen zudem die einheitliche Behördenrufnummer 115, die Institution eines CIOs des Bundes, das Anti-Bot-Netz und die Initiative Deutschland sicher im Netz hervor. Zuletzt wurde das Projekt GAIA-X für eine europäische Cloud- und Dateninfrastruktur durch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im Rahmen des Digitalgipfels gestartet.