Altertumswissenschaften, Kulturgeschichte

Die Normannen

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 5/2022

Viola Skiba, Nikolas Jaspert, Bernd Schneidmüller und Wilfried Rosendahl, Die Normannen. Eine Geschichte von Mobilität, Eroberung und Innovation. Regensburg: Schnell & Steiner, 1. Auflage 2022, 528 S., Hardcover, fadengeh. Pappband, ISBN 978-3-7954-3671-1. € 45,00.


    Viola Skiba, Nikolas Jaspert, Bernd Schneidmüller, Norman Connections – Normannische Verflechtungen zwischen Skandinavien und dem Mittelmeer. Regensburg: Schnell & Steiner, 1. Auflage 2022, 408 S., 143 Farbabb., 95 s/w-Abb., Hardcover, fadengeh. Pappband, ISBN 978-3-7954-3670-4. € 35,00. Beide Bände im Set € 70,00, ISBN 978-3-7954-3698-8

      Das gilt genauso für die Ausstellung „Die Normannen“, die bis zum 26.02.2023 in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim zu sehen ist. Sie wird von einem Tagungsband mit wissenschaftlichen Beiträgen („Norman Connections – Normannische Verflechtungen zwischen Skandinavien und dem Mittelmeer“) und einem Katalog flankiert („Die Normannen. Eine Geschichte in Europa von Mobilität, Eroberung und Innovation“). Wie „Islam“ passt eine Ausstellung über die Normannen in die aktuelle historische Gegenwart. Sie bespielt den Zeitraum vom ausgehenden 8. bis in das 12. Jahrhundert. „Die Normannen waren Händler, Migranten, Räuber, Eroberer. Ihr Kennzeichen war die Wandlungsfähigkeit. Wikingerzeitliche und normannische Siedlungen und Herrschaftsbildungen reichten von Grönland und dem nordöstlichen Amerika bis nach Palästina und Nordafrika, von den Britischen Inseln bis nach Süditalien, Byzanz und in die Kiewer Rus’. Was anfangs als Aufeinanderprallen von gegensätzlichen Gesellschaften erscheinen mochte, wich zunehmend einer produktiven Entfaltung durch Integration, Durchdringung, Verflechtung. Deshalb ruft diese auf den ersten Blick ganz andere Vergangenheit viele moderne Assoziationen wach: Migration, Dynamik und Vermischung als Grundmuster der Menschheitsgeschichte; der Wechsel von militärischer Gewalt und kulturellem Austausch; flexible Aneignung und produktive Weiterentwicklung, weiträumige Netze von Kommunikation und Handel.“ (Die Normannen, S. 21) So beschreiben die Herausgeber die Geschichte, die zum ersten Mal im deutschsprachigen Raum in einer Ausstellung thematisiert wird. „Die Fähigkeit, immer neue Deutungsangebote für die Erklärung oder Bewältigung zeitgenössischer Herausforderungen bereitzustellen, verbindet das Thema der großen Mannheimer Ausstellung von 2022/23 und dieses Buchs mit anderen Meistererzählungen der mittelalterlichen Geschichte – etwa mit den Kreuzzügen, dem Papsttum, der Pest.“ (Die Normannen, S. 21)

      Abb. 7 Bayeux, Musée de la Tapisserie, Teppich von Bayeux: Die Normannen zünden ein Haus an (Katalog Normannen, Abb. S. 200)
      Abb. 5 Gotland, Visby Museum, Runenstein von Pilgårds (Katalog Normannen, Abb. S. 64)
      Abb. 6 Edinburgh, National Museums Scotland, Schachfigur (Katalog Normannen, Abb. S. 214)

       

      Die ausgestellten Objekte erzählen faszinierende Geschichten. Der Runenstein von Pilgårds im Nordosten Gotlands, stammt aus dem 10. Jahrhundert und berichtet von der Reise einiger Gotländer in Gebiete des heutigen Russlands und der Ukraine (Abb. 5: Visby, Runenstein). Die Inschrift berichtet, dass sich fünf Brüder zu einer Reise aufmachten, die sie durch die Stromschnellen des Dnjepr führten. Einer von den Brüdern starb bei einer „Aifor“ genannten Stromschnelle; für ihn wurde bei der Rückkehr dieser Runenstein aufgestellt. Der Zweck der Reise wird nicht erwähnt; man darf vermuten, dass die Gotländer Sklaven- oder Pelzhändler waren; vielleicht wollten sie Gewürze, feinste Stoffe, Seide und Silber einkaufen und nach Gotland bringen. Dort zeugen große Mengen wikingerzeitlichen Silbers von Gewinnen aus erfolgreichen Handelsreisen. Ein besonders schönes Beispiel für die Verflechtung von Kulturen ist eine Schachfigur, die zu einem größeren Set von Schachfiguren gehört und wahrscheinlich um 1200 in Trondheim hergestellt wurde (Abb. 6: Edinburgh, Schachfigur). Sie zeigt einen Wärter, der dem Turm des heutigen Spiels entspricht. Der Wärter ist als stehender Krieger mit einem nach unten fallenden Panzerhemd bekleidet; er hält ein Schwert und einen tropfenförmigen Schild und trägt auf dem Kopf einen Nasalhelm, der als Normannenhelm bekannt ist und der wie der Schild mehrfach auf dem Teppich von Bayeux dargestellt ist. In dieser Schachfigur spiegelt sich die historische Gegenwart der Zeit. Das Denkmal, das wie kein zweites für die Normannen steht, ist der Teppich von Bayeux aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts, der zugleich eines der wichtigsten Bilddenkmäler des Hochmittelalters ist und das Leben in dieser Zeit in vielen Details zeigt. Seine Schilderung endet mit der Schlacht von Hastings. Friedliche Zeiten waren es nicht, als die Normannen England eroberten – eine Szene zeigt eine angelsächsische Frau, die mit ihrem Kind ihr Haus verlassen muss, das gerade von Normannen angezündet wird. (Abb. 7). „Bellum“, Krieg in Europa sieht so aus. Die kulturelle Blüte in Europa kann man zum Beispiel im Normannenpalast in Palermo studieren, mit seinen Bauten und der Palastkapelle ist er ein herausragendes Beispiel für die normannisch-arabische Kultur auf Sizilien und identitätsstiftend, hier tagt noch heute das Parlament.

      Jutta Dresken-Weiland ist Außerplanmäßige Professorin für Christliche Archäologie und Byzantinische Kunstgeschichte an der Georg-August-Universität Göttingen. Beim Verlag Schnell Steiner ist sie für die Bereiche Archäologie und Marketing zuständig.

       

       

       

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