Kolumne

Die Couch oder Kinder sind anders, Eltern auch

Aus: fachbuchjournal Ausgabe 6/2017
Matthias Kröner

Die Dinge, die Kinder wollen, sind so anders als die Dinge, die Eltern wollen. So grundverschieden, dass man das „so“ eigentlich mit 17 „o“s schreiben müsste. Ungefähr sooooooooooooooooo.

Einige Beispiele: Küche aufräumen geht. Also, wenn ich es tue. Auf der Couch liegen – nicht. Stattdessen: „Papa, spielen!“ Manchmal im Verbund mit einer sehr lauten Stimme (zu der frühere Generationen „Was hat das Kind für ein Organ!“ gesagt hätten). Manchmal im Verbund mit mehrfachem Aufmir-Herumgehüpfe, meistens auf einen Bauch, der gerade mit Nahrung geladen wurde; meine Weichteile schütze ich, seit ich Kinder habe, ohnehin immer.

Bisweilen frage ich mich, was sich die Natur überlegt hat, so unterschiedliche Völkergruppen aufeinander loszulassen. Wenn es nach mir ginge, wäre es vollkommen in Ordnung an Wochenenden, in die Leere des Raums zu starren, dorthin, wo sich die Parallelen schneiden. In meiner Traumvorstellung greife ich zwischendurch zu einem Buch und lese. Die Kinder spielen währenddessen im Sandkasten oder mit ihrer Ritterburg. Sie streiten sich dabei nicht, denn sie haben einen gemeinsamen Feind ersonnen, gegen den sie mit schwerem Geschütz zu Werke gehen.

Die Wirklichkeit ist dann doch eine andere. Die Evolution muss Kinder mit sehr sensiblen Antennen vorsorgt haben, die sofort LAUT Alarm schlagen, wenn eines der Elternteile einen Ruhepol für sich finden konnte, eine Couch beispielsweise. Wenn ich es wage, mich schon gedanklich in die angenehm weichen Polster fallen zu lassen, springen die beiden auf und brauchen was. Ich verharre dann kurz zwischen zwei Zuständen – mein Hintern hat das Sofa noch nicht berührt, doch meine Beine können noch keinen Befehl ausführen – und kümmere mich um ihr Begehr.

Ich hole also den Apfelsaft oder wische jemand den Hintern ab oder lese etwas vor oder schlichte Streits. Manchmal spiele ich sogar Ritterburg. Dabei möchte ich ein für allemal etwas klarstellen: Ich finde Ritterburg-Spielen außergewöhnlich langweilig. Es erfüllt mich nicht, kleine Figuren hinter den Plastikzinnen einer Playmobilburg zu bewegen und umfallen zu lassen, wenn sie von einem Pfeil erwischt werden. Auch die Geräusche, die dabei zu machen sind, halte ich für speziell: „Uaaaggghh!“ oder „Boff, Bumm, Boff!“ oder „Hilfe, Achtung, Aaaaangriiiiff!“.

Kinder sind anders, Eltern auch. Doch manchmal gibt es sie, diese Momente, in denen alles stimmt. Ich erinnere mich an ganze Nachmittage im Garten, wenn wir Blätter zusammenfegten oder vertikutierten oder Sträucher schnitten oder den Rasen düngten. Alles passte, alles ging Hand in Hand. Stundenlang hielten die Kinder durch und genossen es, mitzuhelfen.

Hinterher machte ich lediglich einen Fehler: Ich sah, wie die Couch leuchtete. Dieser fiese Magnet, diese sensiblen Antennen. Wenig später spielten wir alle Ritterburg.

Matthias Kröner, 1977 in Nürnberg geboren, lebt und arbeitet seit 2007 als Autor, Journalist, Redakteur und Kolumnist in der Nähe von Lübeck. Seine subjektiv verfassten Reiseführer „Lübeck MMCity“ und „Hamburg MM-City“ (Michael Müller Verlag) sind Sparten-Bestseller. 2014 erschien sein Erzählband „Junger Hund. Ausbrüche und Revolten“ (Stories & Friends Verlag). 2016 kam sein erster Mundart-Gedichtband „Dahamm und Anderswo“ bei ars vivendi heraus.

matthias.kroener@gmx.de

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