Kinder- und Jugendbuch

Der Traum vom Fliegen: Leonardo da Vinci und die Mondlandung

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 4/2019

Es war ein „großer Sprung für die Menschheit“, als Neil Armstrong vor 50 Jahren am 21. Juli 1969 als erster Mensch den Mond betrat. Seit Jahrtausenden fasziniert dieser Himmelskörper und der Traum vom Fliegen Menschen in allen Kulturen und beflügelt Erfindungen und Pionierleistungen. Kam Ikarus mit den ­Flügeln in seinem Übermut der Sonne noch zu nah und stürzte ab, so finden sich in den Skizzen und Studien Leonar ­ do da Vincis, dessen 500. Todestag sich am 2. Mai dieses Jahres jährte, wertvolle Ergebnisse auf dem Gebiet der Aerodynamik und zum Bau von Flugmaschinen. Zum Jubiläumsjahr gibt es zu diesem Thema außergewöhnliche Bücher für junge Leser.

Christine Schulz-Reiss, Paolo Friz (Illustration), Leonar do da ­Vinci. 36 S., Kindermann Verlag, Berlin 2019, ab 8 Jahren

 

Stephan Martin Meyer, Thorwald Spangenberg (Illus­ tration), Leonardos Flugmaschinen –Anselmo und das Vermächtnis des Meisters. 80 S., Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2019, ab 8 Jahren

 

Jürg Schubiger, Aljoscha Blau (Illustration), Das Kind im Mond. 24 S., Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2013, ab 5 Jahren

 

Thomas Hrabal, Nini Spagl (Illustration), VollMond – Mission Mond-Wissen. 26 S., Tyrolia-Verlag, Innsbruck 2019, ab 6 Jahren

 

Petra Maria Schmitt / Christian Dreller, Heike Vogel (Illustration), Wo geht der Astronaut aufs Klo? 128 S., ­Ellermann im Dressler Verlag, Hamburg 2015, ab 4 Jahren

Torben Kuhlmann, Armstrong – Die abenteuerliche Reise einer Maus zum Mond. 128 S., NordSüd Verlag, Zürich 2016, Sonderausgabe 2019, ab 5 Jahren

Gerüchte von Hexenwerk und Zauberei verbreiteten sich immer wieder über die Arbeit von Leonardo da Vinci. Doch sollte der Spiegelmacher Giovanni, den er gerade in seiner Werkstatt eingestellt hatte, die Quelle sein? Sollte er ihn ausspionieren? So spannungsgeladen und aufregend wie das Leben dieses Universalgenies beginnt Christine Schulz-Reiss in „Die geheimnisvolle Welt des Leonardo da Vinci“ auch seine Lebensgeschichte. Detailreich lässt sie ein buntes Bild über den von Neugierde und Wissensdurst getriebenen heranwachsenden Jungen entstehen – geboren als uneheliches Kind eines armen Bauernmädchens und eines Notars aus Florenz und aufgewachsen bei den Großeltern väterlicherseits. Leonardo da Vinci, der Maler, Architekt, Physiker und Philosoph, Mechaniker, Ingenieur und Erfinder interessiert sich für alles und hält es in seinem Skizzenbuch, das er immer bei sich trägt, fest. Weder Verbote noch Strafen können seinen Forschergeist aufhalten, wie seine Studien über den menschlichen Körper zeigen. Und selbst manche Entwürfe wie z. B. die „ideale Stadt“ scheinen sogar noch unserer Zeit weit voraus zu sein. Besonders beschäftigte Leonardo der Flug der Vögel und der Traum vom Fliegen ließ ihn zeit seines Lebens nicht los. In kurzweiligem Erzählstil vermittelt die Autorin viel Interessantes und Wissenswertes, nicht nur für junge Leser. Dabei unterstützen die naturalistischen temperafarbenen Illustrationen von Paolo Friz ein Eintauchen in die geheimnisvolle Welt dieses Genies und seiner Zeit.

⬛ In Umbrien ist auch der vierzehnjährige Anselmo fasziniert von der Eleganz der Vögel im Flug, besonders von den Rotmilanen. Akribisch versucht er ihre Bewegungen mit seinem Rötelstift in seinem kalbsledernen Skizzenbuch, ein Geburtstagsgeschenk seines Vaters, festzuhalten. Als er durch die Pest seine Familie verliert und Perugia verlassen muss, findet er Zuflucht bei seinem Onkel Giovanni in einem Kapuzinerkonvent. Seine Verzweiflung und Wut über das arbeitsame und ärmliche Leben in dieser Einsiedelei schlägt in Begeisterung um, als ihm Giovanni eine Kiste mit Skizzen und Zeichnungen von Leonardo da Vinci zeigt. Originale, die ihm der Meister kurz vor seinem Tod in Amboise geschenkt hat. Gegen alle Widerstände, trotz der Gefahr wegen Ketzerei auf dem Scheiterhaufen zu landen, versuchen sich beide nun an der technischen Umsetzung und beginnen Leonardos Flugmaschinen mit Eifer und Begeisterung nachzubauen. Selbst gefährliche Fehlschläge können sie nicht entmutigen und von ihrem Traum vom Fliegen abbringen. Soweit der fiktive Rahmen in „Leonardos Flugmaschinen – Anselmo und das Vermächtnis des Meisters“ von Stephan Martin Meyer. Das Buch ist gespickt mit wichtigen Informationen und Erklärungen zu Leonardos Studien über die Bewegung von Wasser, Wind und auf dem Gebiet der Aerodynamik und seinen Erfindungen wie den Fallschirm und Hanggleiter und von Thorwald Spangenberg mit fantastischen Aquarell- und Bleistiftzeichnungen, angelehnt an Originalskizzen und Konstruktionsplänen Leonardo da Vincis, illustriert. Ein tolles Sachbuch, das nicht nur Technikfreaks begeistert.

⬛ In eine ganz andere Richtung will „Das Kind im Mond“ von Jürg Schubiger fliegen, denn es lebt mit seinen Eltern, einem Hund und einer Katze im kargen, grau-gelben Mond „so vor sich hin“. Sie trinken Sternenmilch und essen Zwiebeln, „die im Mondstaub wachsen“. Abends vor dem Schlafengehen sitzen sie da und sehen fern, „den Blick auf die sehr blaue Erde gerichtet“. Dann erzählt die Mutter vom Leben auf der Erde, den Früchten und Kräutern, von frischem Brot und Würsten, Schwarzwälderkirschtorten, Regen und Schnee. „Weiß der Kuckuck, woher sie das alles hatte.“ Nach und nach erfasst das Kind eine so große Sehnsucht nach der Erde, dass es in den schwarzen Himmel steigt und davonfliegt. Die Mutter erwischt noch ein Bein, kann es aber nicht festhalten. Nun erzählt die Mutter abends, wenn sie fernsehen und auf die blaue Erde blicken, dass das Kind jetzt zur Schule geht und schon rechnen und lesen kann. „Heißt das, es geht ihm gut?“ fragt der Vater und „eine Träne verschwindet in seinem Bart“. So feinfühlig, poetisch und tiefgehend Schubigers Sprache erzählt, so empfindsam, poetisch und zart sind die Illustrationen von Aljoscha Blau, die in ihrer Leichtigkeit und Schönheit zum Abheben verführen. Ein großartiges Bilderbuch, ausgezeichnet mit dem Rattenfängerliteraturpreis.

⬛ Aber wie sähe unser Leben auf der Erde ohne den Mond, unseren Begleiter seit Urzeiten, aus? Die Erde würde z. B. völlig unkontrolliert um die Sonne taumeln, sich „dreimal so schnell um die eigene Achse drehen“ und uns Erdbewohnern recht chaotische, rasant kurze Tage bescheren. Thomas Hrabal hat in dem Sachbilderbuch „VollMond – Mission Mond-Wissen“ viele spannende, wichtige Fakten über den Mond, seine Entstehung, Oberfläche, Beziehung zu anderen Himmelskörpern, den Wettlauf im All und natürlich die Mondlandung jeweils auf einer Doppelseite kurzweilig zusammengetragen. Kindgerechte Vergleiche – unterstützt durch die klaren Illustrationen von Nini Spagl – machen komplexe Zusammenhänge und gigantische Zahlen nachvollziehbar. Das Sachbuch bringt auch die Jahrtausende alte, große Faszination der Menschen mit diesem Himmelskörper nahe, immerhin ist „der Stufentempel zu Ehren des Mondgottes im Irak (…) über 4.000 Jahre alt.“

⬛ Elias ist ein richtiger Weltraumfan und möchte später Astronaut werden. Doch „wo geht der Astronaut aufs Klo? Macht er etwa in die Hose wie Noah, sein kleiner Bruder?“. Wie gut, dass sein Lieblingsonkel auch ein Weltraumfan ist und ihm genau erklären kann, wie ein „Weltraumklo“ funktioniert. Petra Maria Schmitt und Christian Dreller haben in „Wo geht der Astronaut aufs Klo?“ 19 kurze Geschichten, die sich mit einer Bandbreite von Themen beschäftigen, zum Vorlesen und Selberlesen geschrieben. Neugierige Kinder haben sich vielleicht schon einmal gefragt, „Warum fallen wir nicht von der Erde?“ oder „Wie kommt das Küken ins Ei?“ und Wie kommt der Regen in die Wolken?“ oder „Warum gibt es Berge?“. In diesem Vorlesebuch bekommen auch Erwachsene noch interessante und anregende Antworten.

⬛ Akribisch notiert und skizziert die kleine Maus ihre Beobachtungen über den Mond und versucht ihre Mäusekollegen, die in dem Mond einen besonders großen Käse mit Löchern sehen, zu überzeugen, dass er „eine riesige Kugel aus Stein“ sei. Vergeblich! Aber sie lässt sich nicht beirren und beschließt, als erste Maus zum Mond zu fliegen. Sie vertieft ihre Studien, entwickelt einen Raumanzug, scheitert zunächst mit Testflügen, erfindet einen Raketenschlitten und fliegt zum Mond. Torben Kuhlmann erzählt diese wunderbare Geschichte in „Armstrong – Die abenteuerliche Reise einer Maus zum Mond“. Ein Bilderbuch, das durch seine naturgetreuen Illustrationen fasziniert und bezaubert. Kuhlmanns filigran-feiner Strich lässt Bilder der Mondoberfläche, Skizzen und Konstruktionspläne, Portraits, Fotos und Zeitungsartikel entstehen, die durch Farbgebung und Detailreichtum begeistern. Rechtzeitig zum 50. Jahrestag der Mondlandung hat er sein prächtiges Bilderbuch aus dem Jahr 2016 für eine Sonderausgabe überarbeitet. Die Sonderausgabe hat ein neues Cover, ein Hintergrundkapitel mit neuen Bildern zur Geschichte der Mondlandung und ein „Mission Patch“ zum Aufbügeln für zukünftige Astronauten, die vielleicht wie die kleine Maus einmal berichten werden: „Das Blau des Himmels wurde dunkler und dunkler (…). Die Sterne funkelten vor dem tiefen Schwarz des Weltalls. Tief unter der Maus und ihr ­ er Raumkapsel sausten die Kontinente der Erde vorbei und die Meere glitzerten im Sonnenlicht. ‚Wie ein wunderschönes blaugrünes Juwel‘!“ ˜

Renate Müller De Paoli ist freie Journalistin, Autorin und Geschichtenerzählerin. Sie lebt im Weserbergland, der Heimat des Rattenfänger von Hameln und des Baron von Münchhausen.  RMDEP@t-online.de

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