Bodo Pieroth, Deutsche Schriftsteller als angehende Juristen (Juristische Zeitgeschichte; Abteilung 6, Bd. 51). Verlag Walter de Gruyter GmbH, Berlin/ Boston 2018. ISBN 978-3-11-061487-9, XXXV, 272 Seiten, gebunden, € 99,95
Im fachbuchjournal 2/2017, S. 26 f. wurde der Autor, bis zum Eintritt in den Ruhestand Professor für Öffentliches Recht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, mit einem juristisch-literarischen Kleinod, „Recht und Literatur. Von Friedrich Schiller bis Martin Walser“, schon einmal vorgestellt. Nun folgt also ein neues, vom Verlag sehr schön ausgestattetes Buch, das „aus einer Serie von 45 kleinen Artikeln hervorgegangen ist“, die Pieroth zwischen 1986 und 2001 in der Zeitschrift „Juristische Ausbildung“ (= Jura) veröffentlicht hatte (Näheres zum Motiv im Vorwort, S. IX). Er hat diese „biografischen Miniaturen… gründlich überarbeitet, d. h. mal gekürzt, mal erweitert, auf den neuesten Stand gebracht sowie in Aufbau und Stil vereinheitlicht“; zu 15 Schriftstellern hat er neue Artikel geschrieben (S. IX). Ein Anhang, bestehend aus Textnachweisen (S. 261 f.) und einem Register zu Namen, Ländern, Städten und Fachbegriffen (S. 263 – 272) rundet das Buch ab, das auch österreichische und Schweizer Schriftsteller, also deutschsprachige Autoren, vorstellt. Den Leser erwartet ein „Beitrag zur Universitätsgeschichte als Teil der Rechts- und Wissenschaftsgeschichte, wobei besonderes Augenmerk Pieroths der Verfassungsgeschichte gilt. Der Titel beschränkt den Inhalt des Werks zunächst auf „deutsche Schriftsteller als angehende Juristen“, erweitert ihn dann aber über die Autoren, die tatsächlich das Studium erfolgreich abgeschlossen haben, hinaus auch auf Autoren, die Jura ohne Abschluss studiert haben. Nur um die (kurze) Spanne des Studiums ist es Pieroth, das ursprüngliche Publikationsorgan und dessen Leser im Blick, zu tun und damit zugleich um eine Art „Geschichte der Juristenausbildung“ und die jeweilige, das studentische Leben prägende Zeit (S. XIV). Dementsprechend eröffnet er das Werk mit einem für Juristen sehr informativen Überblick „Deutsche Juristenausbildung im Wandel der Zeiten“ (S. XVIII-XXXV, insbes. XXII ff.). Juristen, die es nicht schon wussten, also nahezu alle, werden verblüfft sein, wie wenig sich seit Einführung der staatlich geregelten Prüfungen für Juristen in Preußen seit 1737 trotz zahlloser Reformanläufe geändert hat. Das gilt auch für „Sprüche“ der in der Ausbildung tätigen Beamten/Richter wie etwa: „Vergessen Sie, was Sie an der Universität gelernt haben“ (1975 so selbst gehört).
Wer wissen will, warum er bei den im Folgenden vorgestellten Schriftstellern auf zum Teil überdeutliche Distanz zum Jurastudium stößt, sollte diesen anfänglichen Überblick lesen, dann weiß er es. Nach dieser Einleitung folgen die versprochenen „60 biografischen Miniaturen bekannter deutscher Schriftsteller, die zugleich Juristen waren oder Jura studiert haben“, beginnend mit 1. Matthias Claudius, S. 1 – 4, endend mit 60. Georg M. Oswald, S. 256 – 258. Dazwischen trifft man auf eine recht illustre Schar von Autoren (Frauen tauchen „noch“ nicht auf). Genannt seien (geordnet nach den Geburtstagen) nur Goethe, von Knigge, Novalis, E. T. A. Hoffmann, von Kleist, Jacob und Wilhelm Grimm, von Eichendorff, Heine, Stifter, von Scheffel, Thoma, Kafka, Tucholsky, Rosendorfer und Handke. Die Miniaturen umfassen meist 3 bis 5 Seiten (nur bei von Eichendorff und Goethe sind es deutlich mehr, nämlich 7 bzw. 9 Seiten). In ihnen kommen „die Schriftsteller vornehmlich selbst zu Wort… Zitiert wird aus ihren Autobiografien, Briefen und Tagebüchern, teilweise auch aus ihrem Prosa- und Lyrikwerk, soweit es nachweisbare Bezüge zum juristischen Studium des Autors enthält“ (S. XV). – Wenig überraschend überwiegen „negative“ Stellungnahmen zum Jurastudium, so etwa bei G. A. Bürger, Goethe, von Knigge, Platen, Heine, Thoma; drastisch Hebbel und Georg Heym, gleichgültig Kafka und Brod. Positiv äußerten sich hingegen Novalis, von Eichendorff, Gottfried Keller und Rosendorfer, geradezu begeistert Felix Dahn; beeindruckend E. T. A. Hoffmann, bemerkenswert Ernst Wichert und sehr kritisch zum mündlichen Staatsexamen von Kleist und Eulenberg. – Ein Lektüretipp für Juristen, die nicht „nur“ Juristen sein wollen (also kein „arm Ding“ im Sinn Martin Luthers): Tobias Gostomzyk/Joachim Jahn (Hrsg.), Briefe an junge Juristen, 2015 (Besprechung in Neue Juristische Wochenschrift 2015, 302). Zum Schluss ein Schwank, gefunden bei Eduard Stemplinger, Vom Jus und von Juristen. 203 Anekdoten aus den Quellen gesammelt (1939), aus einem mündlichen Examen: „Was ist Betrug? – Betrug wäre es, wenn Sie mich durchfallen ließen. – Das ist eine Dreistigkeit! Wie meinen Sie das? – Nach juristischer Definition nennt man Betrug eine Handlung, in der jemand die Unkenntnis eines anderen zu dessen Schaden ausnutzt.“ (mh)
Univ. Prof. Dr. iur. utr. Michael Hettinger (mh). Promotion 1981, Habilitation 1987, jeweils in Heidelberg (Lehrbefugnis für Strafrecht, Strafprozessrecht und Strafrechtsgeschichte). 1991 Profes sur an der Universität Göttingen, 1992 Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht in Würzburg, von 1998 bis zum Eintritt in den Ruhestand 2015 in Mainz. Mitherausgeber der Zeitschrift „Goltdammer’s Archiv für Strafrecht“.
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