Dittmar Dahlmann, Ludwig Knoop 1821-1894. Ein russischer Textilbaron aus Bremen, hrsg. vom Förderverein Knoops Park e.V. Bremen und mit einem Beitrag von Christof Steuer, Bremen: Carl Schünemann Verlag 2021, 192 S., zahlreiche Abb., ISBN 978-3-7961-1124-2, € 24,90.
Den über 60 Hektar großen Knoops Park kennt fast jeder Bremer, die namensgebende Person kaum jemand. Dem kann mit dem vorliegenden Band, der opulent mit mehr als einhundert Bildern ausgestattet ist, abgeholfen werden. Ludwig Knoop wurde am 15. Mai 1821 im Bremer Stephaniviertel als viertes von acht Kindern in eine mäßig erfolgreiche Kaufmannsfamilie hineingeboren. Nach dem damals üblichen achtjährigen Schulbesuch machte er eine Kaufmannslehre und ging 1838 zu seinen beiden Onkeln mütterlicherseits nach Manchester, das zu jener Zeit eine der am schnellsten wachsende Industriemetropole Europas war. Während die Familie bisher vor allem mit Tabak gehandelt hatte, waren die Onkel in das boomende Baumwollgeschäft eingestiegen und hatten die Firma De Jersey & Co. gegründet.
Schon ein Jahr später ging Ludwig in die Moskauer Niederlassung, während ihm in Manchester sein jüngerer Bruder Julius (1822–1893) folgte. Die brüderliche Verbindung blieb für die folgenden mehr als 50 Jahre bestehen. Sie war die Basis des erfolgreichen Unternehmens. In Moskau erkannte Ludwig bald, welche Chancen sich im wenig industrialisierten Russland der 1840er Jahre boten. Die Brüder begannen mit dem Import von Textilmaschinen und der für deren Betrieb notwendigen Ingenieure und Vorarbeiter aus Großbritannien. Die „schlüsselfertige“ Fabrik wurde zu ihrem Markenzeichen. Dabei waren sie so clever, sich mit Anteilen oder Aktien an den neugegründeten Fabriken ihrer russischen Kunden bezahlen zu lassen und bisweilen auch einen Platz im Vorstand einzunehmen. 1852 gründete Ludwig in Moskau seine eigene Firma, De Jersey in Manchester führte Julius. Wie genau die Unternehmen miteinander verbunden waren und wer welche Anteile hielt, lässt sich aufgrund fehlender Unterlagen nicht mehr feststellen. Sicher ist, dass die Brüder binnen kurzem zu Millionären und „global playern“ wurden, lange bevor von „Globalität“ gesprochen wurde. Sie machten Geschäfte auf vier Kontinenten, darunter auch mit den Siemens-Brüdern sowie MAN und ließen sie von den Rothschilds in London finanzieren. 1857 gründete Ludwig gemeinsam mit russischen Partnern im heute estnischen Narva eine der größten Textilfabriken der Welt, die „Krähnholm-Manufaktur für Baumwollfabrikate“. Was die Idee befeuerte, nun auch Baumwolle nach Russland zu importieren. Dazu gründeten die Brüder mit Hilfe ihres Onkels und weiterer Partner eine Firma in den USA mit dem Hauptsitz in New York und Niederlassungen in New Orleans, Savannah, Charleston und Mobile. Und immer war mindestens ein Mitglied der Großfamilie Knoop vor Ort und schaute nach dem Rechten. So wuchs das Unternehmen, das bald auch Filialen in Alexandria (Ägypten) und Bombay hatte.
Weitblickend und stets an den neuesten Entwicklungen interessiert, beteiligte sich Ludwig am Telegrafenbau der Gebrüder Siemens und ließ von ihnen Teile von Krähnholm mit elektrischem Licht versorgen. Die Brüder besaßen ein geradezu untrügliches Gespür für Märkte, Netzwerke und technischen Fortschritt.
In den 1860er und 1870er Jahren bereiteten sie ihre Rückkehr nach Deutschland vor. Die Geschäfte im Russischen Reich und in Großbritannien übernahmen zunächst nahe Verwandte, dann Ludwigs und Julius‘ Söhne. Während Julius aus unbekannten Gründen mit seiner Familie, er hatte 1847 seine Cousine Theodore geheiratet, in die Kurstadt Wiesbaden zog, sich dort eine prächtige Villa bauen ließ und gleichzeitig als Mäzen und Wohltäter agierte, zog Ludwig in die unmittelbare Nähe seiner Heimatstadt und ließ sich in St. Magnus an der Lesum Schloss Mühlenthal samt Park errichten. Dort führten Ludwig und seine Frau Louise sowie die drei Töchter Louise, Adele und Emilie und die drei Söhne Johann, Theodor und Andreas ein großbürgerliches Haus, in dem man zu feiern wusste. Für die geschäftlichen Verbindungen gab es eine Telegrafenstation und einen Bahnanschluss. Mindestens zweimal im Jahr reiste Ludwig Knoop nach Russland, aber gerne auch mit seiner Frau nach Marienbad zur Kur.
Die 1870er Jahre bildeten den Höhepunkt im Leben von Ludwig und Julius Knoop. Julius, der mittlerweile mit dem preußischen König Wilhelm I. zur Jagd ging, wurde geadelt und erhielt 1877 sogar den persönlichen Freiherrntitel. Ludwig wurde vom russischen Kaiser Alexander II. zum erblichen Baron erhoben. Während Ludwigs Töchter ins bremische Großbürgertum einheirateten, ging sein Sohn Johann nach England und führte dort gemeinsam mit Julius und dessen Sohn Willy die Geschäfte, während Theodor und Andreas die russischen Unternehmen leiteten. Das Firmenimperium florierte trotz mancher Krisen auch nach dem Tode der beiden Firmengründer in den 1890er Jahren bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 und brach erst nach dessen Ende, beschleunigt durch die russische Revolution von 1917, in sich zusammen. Das nunmehr im unabhängigen Estland liegende Krähnholm wurde bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erfolgreich weitergeführt.
Wie der Autor mehrfach betont, fehlen viele Quellen, denn es gibt weder Familien- noch Firmenarchive, keine Briefe und keine Tagebücher. Dennoch liegt mit diesem akribisch recherchierten Buch eine spannend geschriebene Geschichte einer der erfolgreichsten, inzwischen weitgehend vergessenen Unternehmerfamilien aus Deutschland im Kontext ihrer Zeit vor. Sie liest sich bisweilen wie ein Roman, basiert auf einer Fülle unterschiedlicher Dokumente und ist mit zahlreichen zeitgenössischen Fotografien illustriert, die den Lesern die Lebenswelt lebendig vor Augen führen. (red)
Karl F. Stock, Rudolf Heilinger, Marylène Stock: Personalbibliographien österreichischer Frauen in Kultur, Wissenschaft und Politik. Graz: Verlag der Technischen Universität Graz, 2020. 907 S., ISBN 978-3-85125-760-1, € 115.00.
In den Personalbibliographien österreichischer Persönlichkeiten, an dem ein Autorenteam um Hofrat Karl F. Stock, dem früheren Bibliotheksdirektor der Technischen Universität Graz, seit 1962 arbeitet, sind bis zum Zeitpunkt der vorliegenden und hier zu rezensierenden Veröffentlichung 18.758 Persönlichkeiten mit rund 78.000 Personalbibliographien nachgewiesen, davon 1.781 Frauen aus den Bereichen Kunst und Kultur, Wissenschaft und Politik mit 7.090 Bibliographien und Werkverzeichnissen nachgewiesen.
Hundert Jahre Frauenwahlrecht und Frauenstudium in Österreich im Jahre 2019 (zu diesem Thema siehe auch die Rezensionen in fachbuchjournal 11(2019)4, S. 9-17 und 6, S. 32-39) sind Anlass für die Herausgabe dieser Personalbibliographien. Sie soll den wertvollen Beitrag von Frauen in Kultur, Wissenschaft und Politik in Österreich sichtbar machen. Die Bearbeiter sind sich bewusst, „dass die Wertschätzung der Frauen noch lange nicht auf gleichem Niveau mit der Männerwelt angelangt ist“ (Vorwort) Eine Personalbibliographie verzeichnet, vereinfacht ausgedrückt, die von einer Person veröffentlichten Schriften oder das über sie erschienene Schrifttum, sie erscheint häufig in Verbindung mit einer Würdigung der betreffenden Person (z.B. in Festschriften) oder im Rahmen der wissenschaftlichen Qualifikation (z.B. als Diplomarbeit oder Dissertation).
In der vorliegenden Bibliographie werden selbständige und unselbständige Titel sehr unterschiedlichen Umfangs erfasst – von großen monographischen Personalbibliographien mit zahlreichen Literaturangeben bis hin zu kleinen Aufsätzen.
Die Bibliographie umfasst Frauen aus einem großen Zeitraum von 650 bis 1986 – von der Äbtissin Erentrudis vom Nonnberg (650–718), der Schutzpatronin Salzburgs, bis zu der 1986 in Hallein geborenen Dichterin Andrea Pointner. Die Professionen sind ebenfalls weit gestreut und umfassen alle nur denkbaren Bereiche. Da sind die bekannten Frauen aus der Literatur wie Ingeborg Bachmann, Barbara Frischmuth und Elfriede Jelinek, aus der Wissenschaft wie Lise Meitner oder aus der Politik wie Johanna Dohnal. Aber es finden sich auch einem größeren Kreis nicht bekannte Frauen wie die Dichterin Emmy Klein-Synek (1891–1974) mit ihren Gedichten für Kinder, die Sängerin und Komponistin Josepha Duschek (1753–1824), für die sogar Beethoven und Mozart Arien komponieren, oder die Astronomin Elisabeth Matt (1762–1814). Ein Dorado! Eine Freude, in dem Werk zu blättern.
Dem alphabetischen Verzeichnis der Autorinnen folgen fünf Register: Geburtsdaten, Geburtsorte, Todesjahre, Todesorte und ein Allgemeines Gesamtregister. Der Rezensent, der zahlreiche Frauenbiographien besprochen hat, ist hoch erfreut von dem Umfang und der Akribie.
Das Werk zeigt im Front Cover einen Farblinolschnitt der Venus und auf dem Back Cover einen Schwarz-WeißLinolschnitt, beide von dem leidenschaftlichen Linolschneider und Exlibris-Künstler Karl F. Stock (vgl. auch seine Österreichische Exlibris-Bibliographie 1881-2003. München, 2004).
„Um einen bescheidenen Beitrag zur Steigerung der Wertschätzung aller unserer Frauen zu leisten, mögen unsere Personalbibliographien … dienen und aufgefasst werden.“ (Vorwort) Dazu fasst Karl F. Stock diese Bemühungen in folgende Worte:
Wer kennt die Töchter, nennt die Frauen
Auf die wir Österreicher schauen
Wir danken vieles unsern Schönen
Nicht weniger als unseren Söhnen
Auch eine Anspielung auf die österreichische Bundeshymne, in der es u.a. heißt: Heimat bist du großer Söhne – bis zum 31.12.2011. Nun heißt es in dieser Zeile Heimat großer Töchter und Söhne.
Vielen Dank für diesen (un)bescheidenen Beitrag. Bleibt zu hoffen, dass er eine weite Verbreitung findet. Er setzt u.a. die Publikationen Personalbibliographien österreichischer Dichterinnen und Dichter (2. Aufl. München, 2002. Bd 1-4), Personalbibliographen österreichischer Medizinerinnen und Mediziner (Graz, 2017, Bd 1-2) und Personalbibliographien österreichischer Architekten Geburtsjahrgänge 1333–1967 (Graz, 2011) fort. (ds)
Prof. em. Dieter Schmidmaier (ds)
dieter.schmidmaier@schmidma.com