Recht

Ausländer – Asylanten – Flüchtlinge (Teil2/3)

Aus: fachbuchjournal Ausgabe 2/2017

Teil 2/3

In der Ausg. 4/2016 S. 6 ff. wurde als Teil 1 ein Überblick über das Ausländerrecht im Allgemeinen und das Aufenthaltsrecht im Besonderen gegeben. Der Teil 2 widmet sich vorrangig dem Asyl- und Flüchtlingsrecht. Der in der Ausg. 6/2016 veröffentlichte Teil 2/1 konzentrierte sich zunächst auf das völker- und europarechtliche Asylrecht. In Teil 2/2 (Ausg. 1/2017) wurde dargestellt, unter welchen Voraussetzungen ein Ausländer als Asylberechtigter, Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter anerkannt werden kann oder ihm ein nationales Abschiebungsverbot zuzuerkennen ist. Ferner wurde skizziert, wie die Rechtsstellung dieser Personen ausgestaltet ist und dass sie ihren Schutzstatus durch Erlöschen von Gesetzes wegen oder durch behördliche Maßnahmen (Widerruf oder Rücknahme) wieder einbüßen können. Der vorliegende Teil 2/3 schließt die kleine Serie ab mit der Schilderung des Asylverfahrens (I.). Im Anschluss daran werden nochmals einige Bücher zum Aufenthalts- und Asylrecht vorgestellt (II.). Die früheren Beiträge, auf die im Folgenden mehrfach verwiesen wird, können kostenlos heruntergeladen werden (Google>Fachbuchjournal>Archiv).

I. Das Asylverfahren

1. Der Gegenstand des Asylverfahrens; Asylantrag und Asylgesuch

Das Asylverfahren ist im Asylgesetz (AsylG) geregelt, das bereits in der Ausg. 1/2017 S. 28 vorgestellt worden ist. Alle im Folgenden zitierten §§ sind solche des Asylgesetzes, sofern nichts anderes angegeben ist.

Im Asylverfahren wird nicht nur geprüft, ob der Ausländer asylberechtigt ist, sondern auch, ob er Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Gewährung subsidiären Schutzes hat oder ob ein nationales Abschiebungsverbot besteht (s. Ausg. 1/2017).

a) Asylantrag und Asylgesuch

Das Asylverfahren im engeren Sinne des Wortes beginnt erst mit der Stellung des Asylantrags bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und endet mit dessen Entscheidung über den Antrag oder dessen anderweitige Erledigung. Gemeinhin wird jedoch zum Asylverfahren auch die davor liegende Phase gerechnet, die mit dem Asylgesuch beginnt, d.h. dem einer Behörde gegenüber geäußerten Begehren, vor Verfolgung geschützt zu werden. Während der Asylantrag ausschließlich bei dem BAMF (der Zentrale in Nürnberg oder einer der Außenstellen) und nur persönlich vor Ort gestellt werden kann, kann das Asylgesuch bei jeder deutschen Behörde angebracht werden, z.B. bei einer Polizei- oder einer Ausländerbehörde oder – das war in den letzten Jahren der typische Fall – bei einer deutschen Grenzbehörde.

Im Jahre 2016 wurden 321.371 Personen als Asylsuchende registriert (sog. EASY-Zugänge), während 722.370 Personen beim BAMF einen Asylantrag stellten (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 18/11262 vom 21.2.2017 S. 28). Woher diese Personen stammten, ergibt sich aus der Tabelle auf Seite 7.

b) Ort des Asylgesuchs, „humanitäres Visum“ Grundsätzlich kann das Asylgesuch nur im Bundesgebiet angebracht werden, also nicht im Ausland. Die deutschen diplomatischen Vertretungen im Ausland (Botschaften und Gesandtschaften) sind weder befugt noch verpflichtet, Asylgesuche oder gar Asylanträge entgegenzunehmen. Das EU-Recht verleiht Schutzsuchenden auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums, das es ihnen ermöglichen würde, in einem EUMitgliedstaat einen Asylantrag zu stellen, wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) jüngst klargestellt hat.

Der Entscheidung lag folgender Ausgangsfall zugrunde. Ein syrisches Ehepaar orthodoxen Glaubens mit drei kleinen Kindern hatte bei der belgischen Botschaft in der libanesischen Hauptstadt Beirut ein Visum für einen Besuch in Belgien beantragt und dabei zu erkennen gegeben, dass sie beabsichtigten, in Belgien Asyl zu beantragen; am darauffolgenden Tag waren sie in ihre Heimatstadt Aleppo zurückgekehrt. Der Antrag auf Erteilung eines Visums wurde von den belgischen Behörden abgelehnt. Die syrischen Eheleute erhoben Klage vor dem zuständigen belgischen Gericht. Dieses legte dem EuGH einige Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Der Generalanwalt (GA) beim EuGH Paolo Mengozzi vertrat am 7.2.2016 in seinen Schlussanträgen die Ansicht, die Visaanträge seien zu Unrecht abgelehnt worden. Denn ein Mitgliedstaat, bei dem ein Drittstaatsangehöriger die Erteilung eines Visums mit räumlich beschränkter Gültigkeit aus humanitären Gründen beantragt, sei verpflichtet, ein solches Visum zu erteilen, wenn ernsthafte und durch Tatsachen belegte Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Weigerung, dieses Dokument auszustellen, zur unmittelbaren Folge haben werde, dass die betreffende Person der Gefahr ausgesetzt werde, gegen Art. 4 der Europäischen Grundrechtecharta (Folterverbot) verstoßende Behandlungen zu erleiden, und ihr eine legale Möglichkeit vorenthalten werde, ihr Recht auf Beantragung internationalen Schutzes in diesem Mitgliedstaat auszuüben. Dieses Votum löste bei den Mitgliedstaaten, die einen Ansturm auf ihre Botschaften befürchteten, blankes Entsetzen aus.

Die Große Kammer des EuGH widersprach in seinem Urteil vom 7.3.2017 (Rs. C-638/16 PPU) dem GA nicht ausdrücklich, kam aber dennoch zu einem anderen Ergebnis: Für einen Antrag auf ein Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit, der von einem Drittstaatsangehörigen aus humanitären Gründen auf der Grundlage von Art. 25 des EU-Visakodex bei der Vertretung des Zielmitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines Drittstaats in der Absicht gestellt wird, sogleich nach seiner Ankunft in diesem Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen und sich infolgedessen in einem Zeitraum von 180 Tagen länger als 90 Tage dort aufzuhalten, gelte nicht der Visakodex, sondern allein das nationale Recht. Kurz gesagt: Das EU-Recht regele diese Frage nicht. Die Entscheidung des EuGH löste bei den Regierungen wohl aller EU-Mitgliedstaaten Erleichterung, bei Flüchtlingshilfsorganisationen ebenso große Enttäuschung aus. Es ist nicht damit zu rechnen, dass auch nur eines der EU-Mitgliedstaaten das von GA Mengozzi befürwortete „humanitäre Visum“ zum Zwecke der Asylantragstellung einführen wird.

Ein anderes rechtliches wie humanitäres Problem stellen die Bootsflüchtlinge dar, die fast Tag für Tag aus dem Mittelmeer gefischt werden. An Bord von privaten Hilfsorganisationen oder Handelsschiffen können sie weder um Asyl nachsuchen noch gar Asylanträge stellen. Anders dürfte es sich verhalten, wenn Bootsflüchtlinge von einem Schiff aus Seenot gerettet werden, das im Auftrage eines Mitgliedstaates oder der Europäischen Union (Frontex) unterwegs ist (z.B. Küstenwache). Das Refoulement-Verbot der Genfer Flüchtlingskonvention lässt es zumindest nicht zu, sie in einem Land abzusetzen, in dem ihnen politische Verfolgung droht. Artikel 34 (Schutz der Grundrechte und Grundrechtsstrategie) der Verordnung (EU) 2016/1624 vom 14.9.2016 über die Europäische Grenz- und Küstenwache bestimmt in Abs. 1 nunmehr ausdrücklich:

„Die Europäische Grenz- und Küstenwache gewährleistet bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen dieser Verordnung den Schutz der Grundrechte unter Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften der Union, insbesondere der Charta, der einschlägigen Bestimmungen des Völkerrechts, einschließlich des Abkommens über die Rechtsstellung von Flüchtlingen von 1951 und dem entsprechenden Protokoll von 1967, sowie der Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Zugang zu internationalem Schutz, insbesondere des Grundsatzes der Nichtzurückweisung.“

c) Asylrechtliche Sonderverfahren

Im Jahre 2016 wurden 8.486 unbegleitete Minderjährige von der Bundespolizei an den Grenzen zur Bundesrepublik aufgegriffen (vor allem an der Grenze zu Österreich: 1.760). 620 wurden zurückgewiesen, also gar nicht ins Land gelassen, 29 zurückgeschoben (nachdem sie schon über die Grenze gelangt waren) und 7.761 den Jugendämtern übergeben (BTDrs. 18/11262 vom 21.2.2017 S. 59).

Auch für das Asylverfahren für Familien gelten teilweise besondere Regelungen, die darauf abzielen, die Familienmitglieder zusammenzuhalten oder zusammenzuführen.

Flughafenverfahren (§ 18a). Bei den Flughäfen Düsseldorf, Berlin-Schönefeld, Frankfurt, München und Hamburg stellten im Jahre 2016 insgesamt 273 Personen (davon allein 258 in Frankfurt) einen Asylantrag, über den binnen zwei Tagen vor der Entscheidung über die Einreise entschieden werden muss.

In den meisten Fällen gelang das nicht. Der Asylantrag von 68 Personen wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt, was zur Folge hatte, dass ihnen die Einreise verweigert wurde (BT-Drs. 18/11262 S. 62).

2. Entscheidung der Grenzbehörde über Gestattung oder Verweigerung der Einreise

Der „klassische Fall“ besteht nach wie vor darin, dass ein Ausländer an der Grenze um Asyl „nachsucht“. Dann muss die Grenzbehörde (i.d.R. die Bundespolizei) zunächst entscheiden, ob sie ihn ins Land lässt, ihn einreisen lässt. Wie bereits in Ausg. 6/2016 dargelegt, begründen weder das Völkergewohnheitsrecht noch die Genfer Flüchtlingskonvention einen Rechtsanspruch auf Einreise.

In seinem Urteil vom 14.3.2017 (Ilias und Ahmed/Ungarn, Beschwerde Nr. 47287/15, Rn. 112) betont der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erneut, dass die Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), zu denen Deutschland gehört, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht das Recht haben, über Einreise, Aufenthalt und Ausweisung von Ausländern zu bestimmen und dass weder die EMRK noch die sie ergänzenden Protokolle ein Recht auf Asyl begründen. Das Gericht fügt einschränkend hinzu, die Ausweisung eines Ausländers könne allerdings Anlass zu der Prüfung geben, ob diese Maßnahme dazu führen könnte, dass dem Ausgewiesenen in dem Bestimmungsland unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK Folter oder eine unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe droht. In diesem Falle sei die Ausweisung verboten. Die gleichen Grundsätze gelten, so ist hinzuzufügen, für die Zurückweisung an der Grenze, also die Verweigerung der Einreise.

Aus Art. 16a GG und dem EU-Recht ergibt sich nichts anderes. Es ist deshalb mit höherrangigem Recht durchaus zu vereinbaren, dass § 18 Abs. 2 AsylG der Grenzbehörde gebietet, einem Asyl suchenden Ausländer bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Einreise zu verweigern. Das ist insbesondere dann der Fall, 1. wenn der Ausländer aus einem sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG kommt (ein Ausländer, der einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG angehört, fällt nicht hierunter) oder  2. wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass aufgrund der Dublin-Verordnung ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder 3. wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeuten würde, weil er in der Bundesrepublik wegen einer besonders schweren Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist und seine Ausreise nicht länger als drei Jahre zurückliegt. Da Deutschland ringsum von „sicheren Drittstaaten“ umgeben ist, müssten (nicht dürften!) eigentlich aufgrund der erstgenannten Alternative sämtliche Asylsuchenden schon an der Grenze abgewiesen werden. Das gleiche Schicksal müsste eigentlich den Ausländern beschieden sein, die es über die „grüne Grenze“ geschafft haben und von der Grenzbehörde im grenznahen Raum und in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer unerlaubten Einreise angetroffen werden, sie müssten eigentlich über die Grenze zurückgeschoben werden.

Von Januar bis November 2016 griff die Bundespolizei insgesamt 120 Personen auf, die mittels Güterzügen unerlaubt nach Deutschland einreisten waren, und zwar über die belgische (eine Person), die schweizerische (sechs) oder die österreichische Grenze (113). In 106 Fällen erfolgte die Abreise in Italien. (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Faktion DIE LINKE, BT-Drs. 18/10843 vom 16.1.2017 S. 9).

Von dem Gebot, einem Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG kommend einreisen will, die Einreise zu verweigern, macht § 18 Abs. 4 jedoch zwei Ausnahmen. Zum einen ist von dieser Maßnahme dann abzusehen, wenn die Bundesrepublik aufgrund von EU-Vorschriften (d.h. aufgrund der Dublin-Verordnung) oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit einem sicheren Drittstaat für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. Gleiches gilt dann, wenn das Bundesinnenministerium aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen angeordnet hat, von der Einreiseverweigerung abzusehen.

Diese Vorschriften muten der Grenzbehörde die rasche Beantwortung einer Fülle schwieriger Fragen zu: Ist für die Durchführung des Asylverfahrens die Bundesrepublik oder ein anderer Staat zuständig (§ 18 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 1)? Wann bildet ein Asylsuchender eine Gefahr für die Allgemeinheit, was ist eine besonders schwere Straftat (§ 18 Abs. 1 Nr. 3)?

Da für die Einreiseverweigerung durch die Grenzbehörde keine bestimmte Form vorgeschrieben ist, kann sie auch mündlich oder sogar durch Zeichen erfolgen. Eine Begründung dieser Maßnahme ist nicht vorgeschrieben.

Ein mündlicher Verwaltungsakt – und ein solcher ist die Einreiseverweigerung – muss jedoch schriftlich (oder elektronisch) bestätigt werden, wenn ein berechtigtes Interesse daran besteht (z.B. weil der Betroffene dagegen einen Rechtsbehelf einlegen will) und der Betroffene dies unverzüglich verlangt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz [VwVfG]). Die schriftliche Bestätigung der Abweisung muss dann ebenfalls schriftlich begründet werden (§ 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG).

3. Anlaufbescheinigung, Aufnahmeeinrichtungen und Ankunftsnachweis

Gestattet die Grenzbehörde die Einreise, so stellt sie dem Ausländer eine (gesetzlich nicht vorgesehene) sog. Anlaufbescheinigung aus und leitet ihn unverzüglich an die zuständige oder, wenn diese nicht bekannt ist, an die nächstgelegene (Erst)Aufnahmeeinrichtung (eine Einrichtung des betreffenden Landes, § 44 Abs. 1) zur Meldung weiter (§ 18 Abs. 1). Der Ausländer ist verpflichtet, sich bei der von der Grenzbehörde genannten Aufnahmeeinrichtung persönlich zu melden (§ 22 Abs. 1 Satz 1). Diese Einrichtung nimmt ihn entweder selbst auf oder leitet ihn an die für ihn zuständige Aufnahmeeinrichtung weiter (§ 22 Abs. 1). Der Ausländer ist verpflichtet, der Anweisung zur Aufsuchung der für ihn zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu folgen, will er Sanktionen vermeiden (§ 22 Abs. 3). Dort wird er erkennungsdienstlich behandelt, untergebracht und erhält er (als ersten richtigen Ausweis) einen Ankunftsnachweis; das Nähere über dessen Inhalt und Aussehen regeln § 63a und die Ankunftsnachweisverordnung vom 5.2.2016.

Mit ihm darf nicht verwechselt werden die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung, die von dem BAMF ausgestellt wird, nachdem der Ausländer bei ihm seinen Asylantrag gestellt hat (§ 63 ).

Der Ankunftsnachweis bildet die Grundlage für Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die Fristberechnung für den Zugang zum Arbeitsmarkt und den Anspruch auf Zugang zu Kitas und Schulen.

4. Besondere Aufnahmeeinrichtungen und beschleunigtes Verfahren

Aufgrund des im Jahre 2016 eingefügten § 5 Abs. 5 sind „Besondere Aufnahmeeinrichtungen“ eingerichtet worden für Ausländer, deren Verfahren nach § 30a bearbeitet werden sollen. Dessen Abs. 1 sieht vor, dass ein solches „beschleunigtes Verfahren“, das innerhalb einer Woche abgeschlossen sein soll (§ 30a Abs. 2), unter anderem dann durchgeführt werden kann, wenn der Asylsuchende – die Behörden über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat, – die Abnahme von Fingerabdrücken verweigert, – aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bereits einmal ausgewiesen worden ist, – es schwerwiegende Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung darstellt oder – Staatangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates ist.

Wie bereits in Ausg. 1/2017 S. 30 dargestellt, ermächtigt Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG den Gesetzgeber, solche Staaten zu bestimmen, „bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet“ (sichere Herkunftsstaaten). Von dieser Ermächtigung hat der Gesetzgeber durch § 29a Abs. 2 Gebrauch gemacht. Danach sind sichere Herkunftsstaaten die Mitgliedstaaten der EU und die in Anlage II zum Asylgesetz bezeichneten Staaten. Dies sind gegenwärtig Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien. Am 13.5.2016 verabschiedete der Bundestag einen Gesetzesbeschluss, der auch die drei Maghrebstaaten Marokko, Tunesien und Libyen zu sicheren Herkunftsstaaten erklärte. Diesem Gesetzesbeschluss versagte der Bundesrat am 10.3.2017 die erforderliche Zustimmung, weil die Länder, in denen die Partei DIE GRÜNEN mit am Regierungstisch sitzt, sich dagegen stemmten (Ausnahme: Baden-Württemberg).

Entgegen einem weitverbreiteten Missverständnis, das von interessierter Seite geschürt wird, muss Folgendes betont werden: Die persönliche Anhörung von Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsländern unterscheidet sich nicht von der anderer Staatsangehöriger. Auch die Schutzgewährung ist keineswegs ausgeschlossen. Asylantragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten erhalten während der Anhörung die Möglichkeit, Tatsachen oder Beweismittel vorzubringen, die belegen, dass ihnen – abweichend von der Regelvermutung – im Herkunftsland Verfolgung droht. Ist dieser Nachweis erfolgreich, können sie ihren Anspruch auf Asyl geltend machen. Reichen die neuen Erkenntnisse nicht zur Widerlegung der Regelvermutung aus, wird der Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Bei diesen Ablehnungen sind die Rechtsbehelfsfristen verkürzt, was zur Verfahrensbeschleunigung führt. Dies wirkt sich auch beschleunigend auf die Klageverfahren bei den Verwaltungsgerichten aus.

Im Jahre 2006 hatten 3,6 % der Marokkaner, 2,7 % der Algerier und 0,8 % der Tunesier mit ihrem Asylantrag Erfolg.

5. Ankunftszentren

Ankunftszentren sind Einrichtungen des Bundes, die das BAMF in jüngster Zeit in Abstimmung mit dem jeweiligen Bundesland eingerichtet hat (gegenwärtig gibt es wohl fünf); das Asylgesetz hat von ihnen bisher keine Notiz genommen. Sie dienen – so führt das BAMF online aus – als Anlaufstelle für neu ankommende Asylsuchende bzw. für Asylsuchende, die noch keinen Asylantrag stellen konnten. In einem Ankunftszentrum werden viele bis dato auf mehrere Stationen verteilte Schritte im Asylverfahren gebündelt. Nach Möglichkeit findet das gesamte Asylverfahren unter dem Dach des Ankunftszentrums statt, von der ärztlichen Untersuchung durch die Bundesländer, über die Aufnahme der persönlichen Daten und der Identitätsprüfung, der Antragstellung und Anhörung bis hin zur Entscheidung über den Asylantrag. Hierzu werden die Asylverfahren seit Sommer 2015 je nach Herkunftsland in vier sogenannte Cluster eingeteilt. A: Herkunftsländer mit hoher Schutzquote; B: Herkunftsländer mit geringer Schutzquote; C: komplexe Fälle; D: Dublin-Fälle. Bei Asylbewerbern mit sehr guter Bleibeperspektive (Cluster A) oder aus sicheren Herkunftsländern mit eher geringen Bleibeaussichten (Cluster B) wird in der Regel innerhalb von 48 Stunden die Anhörung durchgeführt und über den Asylantrag entschieden.

6. Asylantrag und Verfahren bei dem BAMF

Das Asylverfahren im engeren Sinne wird eingeleitet durch den Antrag beim BAMF und endet mit dessen Entscheidung über diesen Antrag oder dessen anderweitige Erledigung. Nur das BAMF ist berechtigt, über Asylanträge zu entscheiden.

Wie sich aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 18/11262 vom 21.2.2017 S. 74) ergibt, waren am 15.1.2017 von ca. 7.400 Einstellungsmöglichkeiten 6.891 Vollzeitäquivalente (VZÄ; zwei „halbe Stellen“ = ein Vollzeitäquivalent) besetzt. Weiterhin unterstützen von anderen Behörden abgeordnete Kräfte sowie weitere befristete Mitarbeiter in einer Größenordnung von 2.166 VZÄ das BAMF. Damit wurde der Personalkörper im Vergleich zum Jahr 2015 mehr als verdoppelt.

Im Bereich Asyl war am 15.1.2017 ein Stammpersonal (VZÄ) von 1.873 Entscheidern und 2.708 Bürosachbearbeitern beschäftigt.

Unter den von anderen Behörden abgeordneten Kräften sind ca.

581 VZÄ Entscheider, 606 VZÄ Anhörer im Asylverfahren und 868 VZÄ BSB-AVS-Kräfte. Bei Anhörern handelt es sich um abgeordnete sowie befristete Kräfte. Sie führen ausschließlich Anhörungen durch, während Entscheider Anhörungen durchführen und Entscheidungen treffen. In etwa einem Drittel der Fälle sind Anhörer und Entscheider nicht identisch (a.a.O. S. 77).

Der Asylantrag ist in der Regel bei einer der etwa 50 Außenstellen des BAMF zu stellen, die der für die Aufnahme des Flüchtlings zuständigen Aufnahmeeinrichtungen zugeordnet ist, nur in bestimmten Ausnahmefällen bei der Zentrale des BAMF in Nürnberg (§ 14 ).

Der Ausländer muss den Antrag persönlich stellen, nachdem er einen Termin erhalten hat. Darauf muss er oft monatelang warten. Der Antrag wird in ein Protokoll aufgenommen, das von dem Ausländer unterschrieben wird. Ihm wird ein Merkblatt, in dem der weitere Verfahrensgang beschrieben wird, sowie die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung ausgehändigt.

7. Klärung der Zuständigkeit der Bundesrepublik für die Entscheidung über d en Asylantrag (Dublin-Verfahren)

Bevor darüber entschieden werden kann, ob dem Antragsteller ein Anspruch auf Schutz zusteht, muss das BAMF klären, ob die Bundesrepublik für diese Entscheidung überhaupt zuständig ist. Die maßgebenden Regeln enthält zur Zeit die DublinIII-Verordnung. Deshalb schließt sich an die Antragstellung zunächst die Dublin-Anhörung an, über die ebenfalls ein Protokoll angefertigt wird (Art. 5 Dublin-III-VO); i.d.R. wird ein Dolmetscher oder ein anderer „Sprachmittler“ hinzugezogen. Sie beschränkt sich strikt auf Fragen, die für die Entscheidung von Bedeutung sind, ob Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

Gelangt das BAMF zu der Erkenntnis, dass ein anderer Mitgliedstaat für die Entscheidung über das Asylbegehren zuständig ist, so kann es innerhalb von drei Monaten nach Stellung des Asylantrags den zuständigen Mitgliedstaat ersuchen, den Ausländer aufzunehmen (Aufnahmeersuchen, Art. 21 Dublin-III-VO). Diese Frist verkürzt sich auf zwei Monate, wenn sich durch Rückfrage bei der europäischen Fingerabdruckdatei EUDAC ergeben hat, dass der Ausländer in einem anderen Mitgliedstaat registriert worden ist. Versäumt das BAMF die Frist, ist die Bundesrepublik für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Die Rückführung von Flüchtlingen, die erstmals in Griechenland einen EU-Mitgliedsstaat betreten hatten, wurde im Jahre 2011 nach Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), welche die Situation der Flüchtlinge dort bemängelt hatten, suspendiert. Am 8.12.2016 hat die EU-Kommission empfohlen, die Überstellung derartiger Flüchtlinge nach Griechenland ab 15.3.2017 schrittweise wiederaufzunehmen, da das Land inzwischen erhebliche Fortschritte beim Umgang mit Flüchtlingen gemacht habe. Der dagegen unverzüglich erhobene Protest von Flüchtlingshilfs- und Menschenrechtsorganisationen war absehbar.

Die Bundesrepublik hat im Jahre 2016 andere Mitgliedstaaten ersucht, 55.690 Flüchtlinge zu übernehmen. In 29.274 Fällen hat der ersuchte Staat zugestimmt, aber nur 3.968 Flüchtlinge sind tatsächlich überstellt worden. Umgekehrt haben andere Mitgliedstaaten die Bundesrepublik um die Übernahme von 31.523 Flüchtlingen gebeten. Deutschland hat in 24.598 Fällen seine Zustimmung erklärt, aber nur 12.091 Personen sind wirklich überstellt worden (BT-Drs. 18/11262 vom 21.2.2017 S. 53). Deutschland, das ohnehin die weitaus meisten Flüchtlinge aufgenommen hat, hat also durch das Dublin-Verfahren 8.123 Flüchtlinge mehr aufgenommen als abgegeben – kein besonders gutes „Geschäft“. Dies dürfte vor allem der EU-internen Familienzusammenführung geschuldet sein (nicht zu verwechseln mit dem Familiennachzug aus Herkunftsländern).

In der Praxis hat sich das Dublin-Verfahren als untauglich erwiesen. Scharfe Kritik sowohl an der Dublin-III-Verordnung als auch an deren Umsetzung übte die Kommission der EU in ihrer Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat „Reformierung des gemeinsamen europäischen Asylsystems und Erleichterung legaler Wege nach Europa“ vom 6.4.2016 [COM(2016) 197 final]. Die Kommission hat hieraus die Konsequenzen gezogen und im Mai 2016 den Vorschlag für eine durchgreifende Änderung und Neufassung der Dublin-IIIVerordnung vorgelegt [COM(2016) 270 final vom 4.5.2016]; s. dazu Ausg. 6/2016.

 

8. Entscheidung über den Asylantrag

Kommt das BAMF zu der Erkenntnis, dass die Bundesrepublik zuständig ist, oder hat es die Frist für das Aufnahmegesuch verabsäumt, so muss ein Entscheider oder ein Anhörer des BAMF den Ausländer persönlich anhören, diesmal zu der Frage, ob dieser einen Anspruch auf Schutz besitzt (§ 24 Abs. 1 Satz 3 ). Auch bei dieser Anhörung, die allgemein als wichtigste Station des Asylverfahrens angesehen wird, ist regelmäßig ein Dolmetscher oder sonstiger Sprachmittler zugegen; außerdem wird der Antragsteller in dieser Phase des Verfahrens in aller Regel von einem Rechtsanwalt oder einer anderen mit dem Asylrecht vertrauten Person begleitet (nicht vertreten, denn die persönliche Anwesenheit des Ausländers ist unabdingbar, um die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens beurteilen zu können).

Aufgrund der Anhörung und der sonstigen Ermittlungsergebnisse befindet der Entscheider (nicht auch ein Anhörer) darüber, ob dem Schutzantrag stattzugeben ist, d.h. ob der Bewerber asylberechtigt (Art. 16a GG, § 2) ist und/oder ob ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist (§ 3) oder ob ihm subsidiärer Schutz zusteht (§ 4) oder ob er sich wenigstens auf ein nationales Abschiebungsverbot (§ 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG) berufen kann (s. dazu Ausg. 1/2016). Falls das nicht der Fall ist, wird der Asylantrag abgelehnt. Die Entscheidung ergeht schriftlich, ist schriftlich zu begründen sowie dem Ausländer und/oder seinem Bevollmächtigten mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zuzustellen (§ 31 Abs. 1). Infolge der Aufstockung des Personals konnte das BAMF im Jahre 2016 die Zahl der Anhörungen und Entscheidungen kräftig steigern, wie sich aus dem Schaubild auf Seite 10 ergibt.

Je nach Fallgestaltung kann der Asylantrag unzulässig (§ 29), offensichtlich unbegründet (§§ 29a, 30) oder (schlicht) unbegründet sein. Wird er als offensichtlich unbegründet abgelehnt, kann das BAMF gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen, das mit der Rechtskraft der Ablehnung wirksam wird.

Von dieser Möglichkeit hat das BAMF im Jahre 2016 in 244.931 Fällen Gebrauch gemacht. Betroffen waren in der Mehrzahl Asylbewerber aus den Balkanstaaten, aber auch einige aus Afghanistan und dem Irak, keiner aus Syrien (BT-Drs. 18/11262 vom 21.2.2017 S. 79).

Das Asylverfahren kann aber auch auf andere Weise als durch Entscheidung über den Asylantrag enden, z.B. dadurch, dass der Antragsteller den Asylantrag zurücknimmt oder der Vertreter eines Kindes auf die Durchführung des Verfahrens verzichtet (§ 32). Der Antrag gilt als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt (§ 33). In derartigen Die obenstehende der BT-Drs. 18/11262 vom 21.2.2017 S. 4 entnommene Tabelle weist die Erfolgsquoten für die 15 wichtigsten Herkunftsländer im Jahre 2016 aus. In der Spalte ganz rechts (Quote zu Frage 1b) ist die „bereinigte Gesamtschutzquote“ angegeben, d.h. die Quote der Anerkennungen bezogen auf tatsächlich inhaltliche und nicht rein formelle Entscheidungen. Die Angaben zu den drei Maghrebstaaten (ganz unten) wurden auf Wunsch der Fraktion DIE LINKE aufgenommen.

Fällen wird das Verfahren vom BAMF ohne Entscheidung über den Asylantrag eingestellt.

 

9. Rechtsschutz bei Ablehnung des Asylantrags

Wie in der Ausg. 1/2017 dargestellt, vermittelt die Anerkennung als Asylberechtigter eine etwas bessere Rechtsposition als die Anerkennung als Flüchtling. Diese ist günstiger als die Zuerkennung subsidiären Schutzes, und dieser wiederum ist „wertvoller“ als die Anerkennung eines nationalen Abschiebungsverbots. Der Asylbewerber kann deshalb nicht nur dann verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen, wenn sein Antrag gänzlich abgelehnt worden ist, sondern auch dann, wenn ihm ein niedrigerer Schutzstatus zuerkannt worden ist, als ihm seiner Ansicht nach zusteht. Infolgedessen klagen heute viele Ausländer, denen „nur“ subsidiärer Schutz zugesprochen worden ist, auf Anerkennung als Flüchtling, insbesondere um ihre Familienangehörigen früher nachholen zu können.

Die Klage muss innerhalb von zwei Wochen erhoben und binnen vier Wochen begründet werden (§ 74). Ein Widerspruchsverfahren findet nicht (mehr) statt. Das Verwaltungsgericht entscheidet in der Regel nicht durch eine Kammer (drei Berufs- und zwei Laienrichter), sondern durch einen Einzelrichter (§ 76). Weist das Gericht die Klage als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ab, so ist die Entscheidung unanfechtbar (§ 78 Abs. 1), d.h. die Berufung zum Oberverwaltungsgericht oder die Revision zum Bundesverwaltungsgericht ist ausgeschlossen. In den anderen Fällen der Ablehnung des Asylantrags kann Berufung zum OVG eingelegt werden, falls dieser sie zuvor zugelassen hat, was nur unter strengen Voraussetzungen geschehen soll (§ 78 Abs. 2 bis 5).

In der Zeit von Januar bis November 2016 wurden von Flüchtlingen 144.920 Klagen und Rechtsmittel bei den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit eingelegt und waren 131.856 Verfahren anhängig. Im selben Zeitraum fällten die Gerichte 64.251 Entscheidungen in Asylsachen: 60 Flüchtlingen wurde Asyl oder Familienasyl zuerkannt, 6.163 der Flüchtlingsstatus, 418 subsidiärer Schutz und 1.131 Abschiebungsschutz. Abgewiesen wurden 20.399 Klagen/Rechtsmittel (= 31,7 %), während sich 36.080 Verfahren auf sonstige Weise erledigten (BT-Drs. 18/11262 vom 21.2.2017 S. 63).

10. Rechtsfolgen der Ablehnung des Asylantrags

a) Ausreisepflicht und Abschiebung

Wird der Asylantrag vollständig abgelehnt und besitzt der Ausländer auch keinen Aufenthaltstitel (dazu s. Ausg. 4/2016 S. 9), soll das BAMF mit dem Ablehnungsbescheid eine Abschiebungsandrohung verbinden (§§ 34, 34a und 35). Abschiebung ist die zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht eines Ausländers durch dessen Entfernung aus dem Bundesgebiet. Sie ist geregelt in den §§ 58 ff. AufenthG; diese Vorschriften gelten nicht ausschließlich für gescheiterte Asylbewerber und haben deshalb ihren Standort nicht im Asylgesetz.

Ausreisepflichtig ist ein Ausländer, wenn er keinen Aufenthaltstitel besitzt (§ 50 Abs. 1 AufenthG). Wenn die Ausreisepflicht vollziehbar (d.h. nicht mehr anfechtbar) und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder wenn aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint, ist der Ausländer abzuschieben (§ 58 Abs. 1 AufenthG), falls nicht ein Abschiebeverbot im Sinne von § 60 AufenthG besteht.

Ob ein Abschiebeverbot vorliegt, ist dann, wenn ein Asylverfahren anhängig ist, ausschließlich vom BAMF zu entscheiden, außerhalb von Asylverfahren von der örtlich zuständigen Ausländerbehörde.

An eine (positive oder negative) Entscheidung des BAMF sind die Ausländerbehörden gebunden.

b) Abschiebungshaft und Abschiebungsgewahrsam Der ausreisepflichtige Ausländer kann unter bestimmten Voraussetzungen in Abschiebungshaft genommen werden (§ 62 AufenthG). Das Gesetz unterscheidet zwei Arten: Vorbereitungs- und Sicherungshaft. Die Vorbereitungshaft kann richterlich angeordnet werden, wenn über die Ausweisung nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde.

Diese Haft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten dauern und u.U. noch darüber hinaus verlängert werden. Sie kann von einem Richter u.a. dann angeordnet werden, wenn – der Ausländer aufgrund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist, – die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, – er sich der Abschiebung entzogen hat oder – Fluchtgefahr besteht.

Die für den Haftantrag zuständige Ausländerbehörde kann den Ausländer bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen sogar ohne vorherige richterliche Anordnung vorläufig in Gewahrsam nehmen (§ 62 Abs. 5 AufenthG).

c) Ausweisungsgewahrsam

Unabhängig von den Voraussetzungen der Sicherungshaft nach § 62 Abs. 3 AufenthG kann ein Ausländer gemäß § 62b AufenthG zur Sicherung der Durchführbarkeit der Abschiebung auf richterliche Anordnung für die Dauer von längstens vier Tagen in Ausweisungsgewahrsam genommen werden, wenn die ihm von der Ausländerbehörde gesetzte Frist zur Ausreise abgelaufen ist und er ein Verhalten gezeigt hat, das erwarten lässt, dass er die Abschiebung erschweren oder vereiteln wird, indem er fortgesetzt seine gesetzlichen Mitwirkungspflichten verletzt hat oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat.

d) Abschiebungsanordnung

Um Verzögerungen bei besonderen Gefahrenlagen zu vermeiden, ist das Instrument der Abschiebungsanordnung geschaffen worden (§ 58a AufenthG). Sie stellt ein – rechtspolitisch und verfassungsrechtlich umstrittenes, bisher wenig genutztes – besonderes Verfahren der Aufenthaltsbeendigung dar, das durch Beschleunigung und eingeschränkten Rechtsschutz gekennzeichnet ist. § 58a Abs. 1 AufenthG ermächtigt die oberste Landesbehörde (d.h. das Innenministerium), gegen einen Ausländer „auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung“ eine Abschiebungsanordnung zu erlassen. Eine „besondere Gefahr“ ist dann gegeben, wenn der Bundesrepublik ein ungewöhnlich großer Schaden droht. Eine „terroristische Gefahr“ ist gekennzeichnet durch die Art der eingesetzten Mittel und die Schwere der Folgen. Beispiele: Angriffe auf Menschengruppen oder das Leben Unbeteiligter, Einsatz gemeingefährlicher Waffen. Die Anordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht. Sie darf allerdings nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG bestehen (§ 58a Abs. 3 AufenthG). Das Vorliegen eines Abschiebungsverbots steht dem Erlass einer Abschiebungsanordnung jedoch nicht entgegen (§ 58a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Für den Rechtsschutz ist in erster und letzter Instanz das Bundesverwaltungsgericht zuständig (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO), was allerdings eine (anschließende) Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht nicht ausschließt. Gemäß § 58a Abs. 2 AufenthG kann das Bundesinnenministerium das Verfahren an sich ziehen, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

e) Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht Nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt hat eine heftige Diskussion in der Öffentlichkeit und unter den Parteien darüber eingesetzt, ob das zur Zeit vorhandene Instrumentarium sachgerecht eingesetzt worden ist und ob es ergänzt werden muss. Daraufhin hat die Bundesregierung Ende Februar 2017 dem Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht zugeleitet (BR-Drs. 179/17 vom 23.2.2017). Darin heißt es einleitend:

„Die große Anzahl an Asylsuchenden, die im Jahr 2015 nach Deutschland gekommen ist, stellt Bund, Länder und Kommunen weiter vor große Herausforderungen. Unter ihnen sind zahlreiche Personen, die keinen Anspruch auf Schutz nach den in Deutschland geltenden Asylregelungen haben. Mit der bestandskräftigen Ablehnung ihres Asylantrags und der Feststellung, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen, ist rechtsstaatlich festgestellt, dass sie Deutschland wieder verlassen müssen. Sofern die Betroffenen innerhalb der ihnen gesetzten Frist ihrer Ausreisepflicht nicht freiwillig nachkommen, muss diese im Wege der Abschiebung durchgesetzt werden.

Die Zahl der Rückkehrer (Rückführungen und geförderte freiwillige Ausreisen) ist in den letzten Jahren gestiegen. Am 31. Januar 2017 befanden sich ausweislich des Ausländerzentralregisters 213.439 vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer in Deutschland.

In den nächsten Monaten wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fortlaufend voraussichtlich eine hohe Zahl von Asylanträgen von Personen ablehnen, die keines Schutzes in Deutschland bedürfen. Die Zahl der Ausreisepflichtigen wird dadurch 2017 weiter steigen.“

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 10.3.2017 nur wenig an dem Gesetzentwurf auszusetzen gehabt, sodass mit seiner raschen Verabschiedung durch Bundestag und Bundesrat zu rechnen ist. Das Gesetz soll mehrere Vorschriften des Asylgesetzes (§§ 8 und 15) und vor allem des Aufenthaltsgesetzes (u.a. §§ 48, 56, 60a, 61, 62, 62b, 88 und 95) ändern sowie diesem einen neuen § 56a (Elektronische Aufenthaltsüberwachung; Fußfesseln) einfügen. Auf Einzelheiten kann hier (wie auf vieles Andere) aus Platzgründen nicht eingegangen werden.

f) Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) Neben den Abschiebungsverboten kennt das Ausländerrecht die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung, die Duldung (§ 60a AufenthG). Ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, wird – anders als die Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG – im Asylverfahren durch das BAMF nicht geprüft. Darüber zu befinden haben die Ausländerbehörden.

Es existieren zwei Varianten der Duldung: eine kollektive zugunsten bestimmter Ausländergruppen (Abs. 1) und eine individuelle zugunsten einzelner Personen (Abs. 2). § 60a Abs. 1 AufenthG ermächtigt die Ministerien der Länder „aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik“ anzuordnen, dass die Abschiebung von „Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen“ (z.B. ethnische oder religiöse Gruppen) allgemein oder (nur) in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Will das Landesministerium über diesen Zeitraum hinausgehen, bedarf es der Zustimmung des Bundesinnenministers. Gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG muss die Ausländerbehörde (nicht das BAMF!) die Abschiebung eines Ausländers aussetzen,

– solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist (z.B. weil der Herkunftsstaat die Aufnahme verweigert) und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird oder

– wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren sachgerecht ist, z.B. weil der Ausländer als Zeuge vernommen werden soll.

Einem Ausländer kann (Ermessen!) eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Das Nähere dazu regelt § 68a AufenthG mit viel Liebe zum Detail. In der Praxis spielt diese individuelle Duldung eine große Rolle. Über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung erhält der Ausländer eine Duldungs-Bescheinigung.

Eine solche verlor Anis Amri, der Weihnachtsattentäter von Berlin, in dem von ihm gekaperten Fahrzeug; das führte zu seiner Identifizierung.

Die Duldung ist kein Aufenthaltstitel. § 68a Abs. 3 AufenthG betont, dass sie die Ausreisepflicht nicht berührt. Die Duldung erlischt, wenn der Ausländer ausreist. Sie ist zu widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen (§ 68a Abs. 5 AufenthG). Falls nicht einer der in § 60a Abs. 6 AufenthG aufgezählten Ausschlussgründe vorliegt, darf dem Geduldeten eine Erwerbstätigkeit gestattet werden.

II. Literatur zum Ausländer- und Asylrecht

In früheren Ausgaben des FBJ wurden bereits mehrere Bücher zu diesem Rechtsgebiet besprochen:

Ausg. 4/2016: Bergmann/Dienelt (Hrsg.), Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016; Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016; Ausg. 6/2016: Hailbronner/Thym (Hrsg.), EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016; Ausg. 1/2017: Kluth/Heusch (Hrsg.), Ausländerrecht, 2016; Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016; Marx, Asylgesetz, 9. Aufl. 2017.

Ergänzend ist auf folgende Werke hinzuweisen; sie haben einen sehr unterschiedlichen Charakter, obwohl sie weitgehend die gleiche Materie erörtern.

Das Handbuch

 

Reinhard Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 6. Aufl., Nomos, Baden-Baden 2017, ISBN 978-3-84873244-9. Hardcover, 1041 Seiten, 98,- € 

liegt seit September 2016 in neuer Auflage vor. Der ungemein fleißige Autor braucht hier nicht vorgestellt zu werden, da dies bereits in Ausg. 1/2017 S. 38 geschehen ist. Das Werk setzt sich aus neun Paragrafen zusammen: § 1 Einführung, § 2 Erteilung und Verlängerung des Aufenthaltstitels, § 3 Arbeitsmigration, § 4 Studium und Ausbildung (§§ 16 und 17 AufenthG), § 5 Humanitäre Migration und Flüchtlingsrecht, § 6 Ehe und Familie, § 7 Aufenthaltsbeendigung, § 8 Abschiebungshaft, § 9 Asylverfahren. Der Schwerpunkt des Handbuchs liegt, wie hieraus leicht zu ersehen ist, auf dem Aufenthaltsrecht, während das Asylrecht vergleichsweise knapp abgehandelt wird, zudem beschränkt auf das (Verwaltungs- und Gerichts-)Verfahren. Erschlossen wird der Band durch ein sehr detailliertes und deshalb fast schon unübersichtliches Inhaltsverzeichnis, dem in der nächsten Auflage eine Inhaltsübersicht vorangestellt werden sollte, sowie durch ein Stichwortverzeichnis. Auch ein Abkürzungsverzeichnis, Verzeichnisse der 36 Muster (von Anträgen an Behörden oder Gerichte) und der 16 Schaubilder (überwiegend Prüfungsschemata) sowie ein Literaturverzeichnis sind vorhanden.

Die (sparsamen) Belege sind erfreulicherweise in Fußnoten ausgelagert. Das Zitieren des Handbuchs wird erleichtert durch Randnummern, jeweils durchlaufend für einen Paragrafen. Schlagwörter sind durch Fettdruck kenntlich gemacht. Das Werk ist verfasst aus der Perspektive des Anwalts, der einen Ausländer berät. Für ihn stellt es sicherlich eine verlässliche Hilfe dar, zumal die Sprache klar und schnörkellos ist. Das Formularbuch

 

 

Reinhard Marx (Hrsg.), Ausländer- und Asylrecht – Verwaltungsverfahren/Prozess, 3. Aufl., Nomos, Baden-Baden 2017, ISBN 978-3-8487-2042-2. Hardcover, 621 Seiten, 108,- €. Mit einer CD-ROM.

ist ebenfalls schon kurz vor Ende 2016 erschienen. Außer dem Herausgeber haben sechs weitere Rechtsanwälte beigetragen. Das Werk setzt sich aus drei Teilen (1. Aufenthaltsrecht, 2. Einbürgerungsrecht und 3. Asylrecht) zusammen, die übergreifend in elf Paragrafen unterteilt sind: § 1 Ersterteilung eines Aufenthaltstitels, § 2 Verlängerung und Verfestigung eines Aufenthaltstitels, § 3 Nachzug, § 4 Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, § 5 Ausweisung/Verlust EUFreizügigkeitsrecht, § 6 Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes, § 7 Rechtsanspruch auf Einbürgerung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 StAG), § 8 Ermessenseinbürgerung und Erwerb der Staatsangehörigkeit nach ius soli, § 9 Antrag auf Asyl (§ 13 AsylG), § 10 Klage und Eilrechtsschutz wegen Asylanerkennung, Flüchtlingsstatus und subsidiärer Schutz, § 11 Klage und Eilrechtsschutz wegen Nichtdurchführung eines weiteren Asylverfahrens (Asylfolgeantrag nach § 71 AsylG), § 12 Beweisantrag im Asylprozess, § 13 Zulassungsantrag (§ 78 Abs. 4 AsylG). Mit dem Staatsangehörigkeitsrecht geht dieses Werk über alle anderen bisher besprochenen Bücher hinaus (Ausnahme: Hofmann, Ausländerrecht, s. Ausg. 1/2017 S. 39, s. aber auch unten Frings/Domke, Asylarbeit). Erschlossen wird das Buch durch eine Inhaltsübersicht, ein Muster-, ein Abkürzungs-, ein Literatur- und ein Stichwortverzeichnis. Die (wenigen) Belege sind auch hier in Fußnoten ausgelagert. Randnummern erleichtern das Zitieren. Das Werk ist zwar in der Reihe „Nomos Formulare“ erschienen, besteht aber keineswegs aus Formularen im landläufigen Sinne, sondern enthält 103 Muster für anwaltliche Schreiben und Schriftsätze, die eingebettet sind in Fälle aus der anwaltlichen Praxis, die Schritt für Schritt entwickelt werden. Die Muster sind auch auf einer beiliegenden CD-ROM im Format Windows Word gespeichert; sie können nach den eigenen Bedürfnissen des Nutzers modifiziert und ausgedruckt werden. (Dabei sind bei mir allerdings Probleme aufgetreten, die jedoch möglicherweise auf meine Ungeschicklichkeit zurückzuführen sind.) Die Muster werden eingehend erläutert, häufig wird auf Fehlerquellen hingewiesen. Das Buch ist sicherlich ein willkommenes Hilfsmittel für jeden Anwalt.

 

Das Lehrbuch

 

Kay Hailbronner, Asyl- und Ausländerrecht, 4., überarbeitete Aufl., Kohlhammer, Stuttgart 2017, ISBN 978-317-029899-6. Kartoniert, 587 Seiten, 38,30 €

ist verfasst von dem auf dem Gebiete des Ausländerrechts profiliertesten Hochschullehrer (Universität Konstanz). Das Werk soll – wie es im Vorwort heißt – einen Überblick über die wesentlichen Bereiche des Ausländer- und Asylrechts geben und versteht sich „weniger als wissenschaftliches Lehrbuch, sondern vielmehr als eine kompakte Darstellung des relevanten Stoffes“. Das ist ein wenig zu bescheiden. Das Buch verbindet Wissenschaftlichkeit mit guter Lesbarkeit. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur sind bis Ende Mai 2016 berücksichtigt worden.

Das Werks setzt sich zusammen aus drei Teilen (A. Allgemeiner Überblick; B. Ausländer- und Asylrecht der Bundesrepublik Deutschland; C. Anhang: Schemata, Übersichten, Definitionen) und 13 Paragrafen (§ 1 Migration – Zahlen und Fakten zur Einwanderung in die BRD, § 2 Regelungsgegenstand und Rechtsquellen des Ausländerrechts, § 3 Ausländer- und Asylpolitik im europäischen Zusammenhang, § 4 Das Zuwande rungsgesetz – Zuwanderungssteuerung und Integration, § 5 Einreise von Ausländern – Grundlagen, § 6 Aufenthalt – Die aufenthaltsrechtliche Stellung von Drittstaatsangehörigen, § 7 Aufenthaltszwecke, § 8 Soziale und wirtschaftliche Rechte von Ausländern, § 9 Ende des Aufenthalts – aufenthaltsbeendende Maßnahmen, § 10 Die zwangsweise Vollstreckung der Ausreisepflicht, § 11 Asyl- und Flüchtlingsrecht, subsidiärer Schutz, § 12 Die Rechtsstellung der Unionsbürger, § 13 Die Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger.

Erschlossen wird das Lehrbuch durch ein Inhalts-, ein Abkürzungs-, ein Literatur- und ein Sachverzeichnis. Nützlich sind die Übersichten, Schemata und die Zusammenstellung von Definitionen (S. 546 ff.). Die Belege sind in Fußnoten ausgelagert, Randnummern erleichtern das Zitieren. In den Text eingestreut sind 62 kleine Fälle, die durch die sich anschließenden Ausführungen einer Lösung zugeführt werden. Alles in allem: eine sehr gelungene Darstellung.

 

 

Eine systematische Darstellung des Asylrechts enthält
 

Andreas Heusch/Nicola Haderlein/Klaus Schönenbroicher, Das neue Asylrecht, C.H. Beck, München 2016, ISBN 9783-406-69441-7. Kartoniert, 254 Seiten, 49,- €.

Die beiden erstgenannten Autoren sind Richter, der letztgenannte Ministerialbeamter.

Das Werk setzt sich aus sechs Teilen zusammen: A. Das materielle Asylrecht, B. Das reguläre Verfahren vom Grenzübertritt bis zur Entscheidung des Bundesamtes, C. Das Dublin-Verfahren, D. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren, E. Verteilung und Versorgung der Asylbewerber/Personen mit Bleiberecht, F. Konsequenzen negativer Entscheidungen. Erschlossen wird das Buch durch ein Inhalts- und ein Abkürzungsverzeichnis, ein Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur, ein Literatur- und ein Sachverzeichnis. Die Belege sind in Fußnoten verbannt. Randnummern erleichtern das Zitieren. Die wissenschaftlich fundierte Darstellung zeugt von intimer Kenntnis der Materie aus richterlicher und administrativer Perspektive. Die Darstellungsweise ist flüssig und erfrischend. Die Autoren sparen nicht mit deutlicher, m.E. berechtigter Kritik an Gesetzgeber und politischen Akteuren (s. etwa Rn. 30, 132 – 138, 141, 147 – 149, 269, 399, 475 f.,487); auch die Bundeskanzlerin (Rn. 132 f., 147) und das BVerfG (Rn. 408) bekommen ihr Fett weg. Fazit: eine anregende Lektüre.

 

 

Aus einem anderen Blickwinkel werden Aufenthalts- und Asylrecht betrachtet von
 
Dorothee Frings/Elke Tießler-Marenda, Ausländerrecht für Studium und Beratung, 3., überarbeitete Aufl., Fachhochschulverlag, Frankfurt a.M. 2015, ISBN 978-3943787-52-8. Kartonier, 413 Seiten, 22,- €

und

 

Dorothee Frings/Martina Domke, Asylarbeit – Der Rechtsratgeber für die soziale Praxis, Fachhochschulverlag, Frankfurt a.M. 2016, ISBN 978-3-943787-58-0. Kartoniert, 472 Seiten, 25,- €.

Frings ist Fachhochschulprofessorin, Domke Leiterin des Fachdienstes Migration des Diakonischen Werks Köln, Tießler-Marenda Referentin für Migration und Integration im Deutschen Caritasverband e. V. Freiburg.

Im Vorwort des erstgenannten Werks schreiben die beiden Autorinnen: „Bei der Wahl der grammatikalischen Geschlechterformen haben wir uns – auch der besseren Lesbarkeit zuliebe – für die willkürliche Verwendung von femininen und maskulinen Formen entschieden; das jeweils andere Geschlecht immer eingeschlossen.“ Die danach zu befürchtenden neuen Wortschöpfungen Ausländerinnenrecht und Ausländerinnenbehörde bleiben dem Leser dann aber doch erspart. Auf einer der ersten Seiten des als zweites genannten Buches liest man in Fettdruck: „Die Verfasserinnen garantieren nicht für die Richtigkeit aller Aussagen.“ Dem schließe ich mich für meine eigenen Arbeiten, ohne zu zögern, an.

Das Werk von Frings/Tießler-Marenda bezeichnet sich als „Lehrbuch für Studium und Beratung“ und will „Orientierung für juristische Laien“ schaffen, aber auch Juristen einen ersten Einstieg in das Ausländerrecht bieten. Es setzt sich aus sechs Kapiteln zusammen: I. Einleitung, II. Einreise und Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen, III. Aufenthaltsbeendigung, IV. Unionsbürger, V. Türkische Staatsangehörige, VI. Staatsangehörigkeit und Einbürgerung.

Das Buch von Frings/Domke trägt den Untertitel „Rechtsratgeber für die soziale Praxis“. Er wendet sich laut Vorwort an Fachkräfte in der Verfahrensberatung, in den Aufnahmeeinrichtungen und Kommunen, in den Migrationsberatungsstellen und Jugendmigrationsdiensten sowie in anderen Einrichtungen dieses Genres. Es besteht aus sieben Kapiteln: I. Überblick, II. Schutzberechtigte, III. Asylverfahren, IV. Leben während des Asylverfahrens, V. Nach der Asylentscheidung, VI. Flüchtlingsaufnahme außerhalb des Asylverfahrens, VII. Übergreifende Fragen.

Beide Werke weisen äußerlich viele Gemeinsamkeiten auf. Sie enthalten jeweils ein Inhalts-, ein Abkürzungs-, ein Literaturund ein Stichwortverzeichnis sowie ein „Glossar“, in dem EURechtsakte und Abkommen, „Aufenthaltsdokumente“ und Begriffserklärungen zusammengestellt sind. Jedem Kapitel ist eine detaillierte Inhaltsübersicht vorangestellt. Die (wenigen) Belege sind bei Frings/Tießler-Marenda in Fußnoten ausgelagert, bei Frings-Domke dagegen in den Text eingebettet. In beiden Werken sind die Entscheidungen nur mit Datum und Aktenzeichen angegeben, Fundstellen fehlen. Beide enthalten zahlreiche Fallbeispiele, Schaubilder und Prüfungsschemata, die wesentlich zum Verständnis und zur Veranschaulichung beitragen. Bei Frings/Tießler schließt jedes Kapitel (außer dem ersten) mit Kontrollfragen, die am Ende des Bandes (S. 403) mit Ja oder Nein beantwortet werden.

Die beiden Werke streben nicht nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und halten sich von rechtsdogmatischen Streitfragen fern. Sie stellen aber die rechtliche und die tatsächliche Situation von Flüchtlingen und anderen Ausländern überaus anschaulich dar und können allen, die mit diesen zu tun haben, nachdrücklich empfohlen werden. Auch Studenten der Rechtswissenschaft und anderer Disziplinen, die sich für diese Materie interessieren (müssen), sollten sich nicht scheuen, sie zur Hand zu nehmen.

 

 

Das kleinformatige, schmale Bändchen

André Weiße, Asylrecht, 4., überarbeitete Aufl., Richard Boorberg Verlag, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-41505985-6. Kartoniert, 134 Seiten, 15,90 €

ist von einem Kriminaloberkommissar verfasst, was sich in dem Werk widerspiegelt, und enthält neun Kapitel: I. Das Asylverfahren, II. Aufgaben der Polizei im Asylverfahren, III. Die Aufenthaltsgestattung, IV, Anerkennung als Asylberechtigter, V. Erhebung und Übermittlung personenbezogener Daten, VI. Sonstige Sanktionen gem. AsylG, VII. Fallbeispiele, VIII. Die wichtigsten asylverfahrensrechtlichen Vorschriften im Überblick, IX. Vollzug des Asylbewerberleistungsgesetzes. Der Erschließung des Werkes dienen ein Inhalts-, ein Abkürzungsund ein Stichwortverzeichnis. Nachweise zu Entscheidungen und Schrifttum fehlen fast vollständig. Einige kleine Beispielsfälle sowie mehrere Schaubilder und Diagramme veranschaulichen den knappen Text. Das Bändchen vermittelt einen ersten Überblick über die verwickelte Materie und dürfte vor allem Polizeibeamten von Nutzen sein.

 

Durch seinen Aufbau unterscheidet sich der „Leitfaden für die Praxis“

 

Hans-Peter Welte, ABC des Asylrechts – Internationaler Schutz, Luchterhand Verlag, Köln 2017, ISBN 978-3472-08696-3. Kartoniert, VIII, 222 Seiten, 39,- €

deutlich von allen anderen besprochenen Werken. Obwohl im Vorwort einmal von dem „neu aufgelegten Buch“ die Rede ist, handelt es sich wohl um eine Neuerscheinung. Es hat, wie es dort weiter heißt, seinen „Schwerpunkt in der praxisorientierten Behandlung von asylrechtlichen Problemkreisen“. Als Wegweiser und Ratgeber soll es der Entscheidungsfindung sowie der individuellen Beratung in Fragen des Asylrechts dienen. Es eigne sich aber auch für die Ausbildung in der öffentlichen Verwaltung. Dort lehrt der Autor denn auch. Das Buch setzt sich aus Inhalts- und Stichwortverzeichnis sowie Artikeln zu 38 Stichwörtern zusammen, von „Abschiebungsverbot – Folter“ bis „Zuweisung“. Jeder Artikel beginnt mit der Angabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften und endet – nach Darstellung der Rechtslage – in der Regel mit dem Hinweis auf Fachbeiträge (andere Artikel des Buchs) und weiterführende Literatur, des Öfteren auch auf Entscheidungen. Die Belege sind in den Text integriert, Schlagworte durch Fettdruck hervorgehoben. Schaubilder und Prüfungsschemata enthält das Werk (abgesehen von S. 165 f.) nicht. Die Bezeichnung als „Leitfaden“ wird dem Charakter des Werks nicht wirklich gerecht. Es eignet sich weniger zum Durcharbeiten als vielmehr zum Nachschlagen.

Blickt man abschließend auf die in den vier Ausgaben vorgestellten Bücher zurück, so stellt man fest, dass deren Grundhaltung deutliche Unterschiede aufweisen. Einige Werke sind dezidiert ausländerfreundlich, nämlich bemüht, die Rechtsposition der Ausländer durch eine entsprechende Interpretation der Vorschriften zu stärken und ihnen nachteilige Bestimmungen rechtspolitisch zu kritisieren. Am ausgeprägtesten ist diese Tendenz bei Hofmann. In diese Richtung tendieren auch die drei Werke, an denen Marx beteiligt ist, und der Kommentar Hubers. Diese Bücher sind geprägt durch den Beruf ihrer Verfasser, die als Anwälte vornehmlich Ausländer beraten und vertreten und infolgedessen bestrebt sind, das Bestmögliche für ihre Klientel aus dem Gesetz herauszuholen; daran ist nichts Anrüchiges. Ausgesprochen ausländerfreundlich sind auch die Schriften von Frings/Domke und Frings/Tießler-Marenda. Eine eher nüchterne, richterliche, wissenschaftlich reflektierende Grundhaltung, die aber keineswegs ausländerfeindlich ist, findet sich bei Bergmann/ Dienelt, Kluth/Heusch, Heusch/Haderlein/Schönenbroicher, Hailbronner/Thym und Hailbronner, bei denen ebenfalls die berufliche Prägung durchschlägt, aber eben in eine andere Richtung. Beide Grundhaltungen haben fraglos ihre Berechtigung.

In der Ausg. 4/2016 wurde als Teil 1 ein Überblick über das Ausländerrecht im Allgemeinen und das Aufenthaltsrecht im Besonderen gegeben. Der Teil 2 widmet sich vorrangig dem Asyl- und Flüchtlingsrecht. Der in der Ausg. 6/2016 veröffentlichte Teil 2/1 konzentrierte sich zunächst auf das völker- und europarechtliche Asylrecht. In Teil 2/2 (Ausg. 1/2017) wurde dargestellt, unter welchen Voraussetzungen ein Ausländer als Asylberechtigter, Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter anerkannt werden kann oder ihm ein nationales Abschiebungsverbot zuzuerkennen ist. Ferner wurde skizziert, wie die Rechtsstellung dieser Personen ausgestaltet ist und dass sie ihren Schutzstatus durch Erlöschen von Gesetzes wegen oder durch behördliche Maßnahmen (Widerruf oder Rücknahme) wieder einbüßen können. Der vorliegende Teil 2/3 schließt die Serie ab mit der Schilderung des Asylverfahrens (I.). Im Anschluss daran werden nochmals einige Bücher zum Aufenthalts- und Asylrecht vorgestellt (II.). Die Beiträge können kostenlos heruntergeladen werden (Google>Fachbuchjournal>Archiv).

Univ.-Prof. Dr. jur. Hans-Werner Laubinger, M.C.L., hatte bis zum Eintritt in den Ruhestand den Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz inne, an der er noch heute als Forscher tätig ist. Er ist Mitherausgeber des Verwaltungsarchivs, dessen Schriftleiter er von 1983 bis 2001 war.

hwlaubinger@t-online.de

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