KR – Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, Luchterhand Verlag 13. Aufl., Köln 2022, ISBN 978-3-472-09703-7, LVIII und 3219 S., € 279,00.
Kommentare zum KSchG sowie relevanten Nebengesetzen gibt es eine ganze Reihe. Zu den besten und renommiertesten seiner Art zählt der Gemeinschaftskommentar, im Leserkreis besser bekannt als der „KR“. Was dieses nunmehr in 12. Auflage erschienene und von Rachor herausgegebene Werk auszeichnet, ist die Vielfalt der Bestimmungen zu Kündigung und Kündigungsschutz, welche eine Kommentierung erfahren. Naturgemäß liegt der Schwerpunkt auf dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG), aber daneben findet der Leser auch die Erläuterung zu einschlägigen Normen aus weit über 20 verschiedenen Gesetzen, nicht zu vergessen auch aus dem TVöD. Auch die Befristung kommt nicht zu kurz. Die rd. 3100 Seiten starke Kommentierung teilen sich sieben Autorinnen und achtzehn Autoren ganz überwiegend aus der Richterschaft. Werke dieses Umfangs sind nur noch von einem Autorenkollektiv zu bewältigen.
Die Kommentierung beginnt naturgemäß mit dem KSchG. Die über 950 Seiten starke Bearbeitung enthält alles, was man zu den einzelnen Bestimmungen wissen muss. Vom Umfang her am gewichtigsten sind die Ausführungen zu § 1, welche Rachor besorgt. Herausgegriffen werden sollen hier die aufgeführten Fallgruppen zur personenbedingten (Rn. 295 ff.), verhaltensbedingten Kündigung (Rn. 448 ff.) und betriebsbedingten Kündigung (Rn. 596 ff.). Der Praktiker wird hier schnell fündig. Dabei wird auch nicht mit Kritik an der Rechtsprechung gespart, dies betrifft etwa die Notwendigkeit einer Abmahnung bei der verhaltensbedingten Kündigung wegen zahlreicher Lohnpfändungen (§ 1 Rn. 498 f.). Spilger beleuchtet dann § 1 a KSchG. Die in § 2 KSchG geregelte Änderungskündigung wird von Kreft besprochen. Wer wissen will, ob er zwecks Entgeltkürzung änderungskündigen kann, wird nach Lektüre der Rn. 178 ff. einigermaßen ernüchtert sein. Die mit einer Kündigungsschutzklage verbundenen prozessualen Probleme des § 4 behandelt Klose. Lesenswert sind die Ausführungen zur Wahrung von Ausschlussfristen durch eine Kündigungsschutzklage (§ 4 Rn. 62 ff.). Wer die Dreiwochenfrist versäumt, kann bei Kreft nachlesen, ob eine verspätete Zulassung nach § 5 in Betracht kommt. Die verlängerte Anrufungsfrist des § 6 behandelt wiederum Klose. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die dezidierten Überlegungen von Spilger zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses und damit den §§ 9 – 11 KSchG. § 13 KSchG ist dann Sache von Treber und Rennpferdt. Nicht jeder weiß, dass eine Kündigung wegen ungepflegtem Äußeren jedenfalls in der Wartezeit nicht ausgeschlossen ist (Rn. 54).
Kreutzberg-Kowalcyk behandelt Angestellte in leitender Stellung, hier hat sich in letzter Zeit auch einiges getan. Die Ausführungen zu den gesetzlichen Vertretern sind äußerst lesenswert (§ 14 Rn. 6 ff.). Des Sonderkündigungsschutzes von Betriebsverfassungsorganen in § 15 nimmt sich Kreft an. Ungemein viel falsch machen kann man bei Massenentlassungen; umso mehr sei die Kommentierung von Weigand/Heinkel besonders zu §§ 17, 18 KSchG, aber auch zu §§ 19 – 22 KSchG anempfohlen. Wer die neueste Entwicklung kennenlernen will, lese etwa die Ausführungen zum Betriebsbegriff (§ 17 Rn. 31 ff.). Bader/Kreutzberg-Kowalcyk beschließen die Kommentierung mit den §§ 23 – 26 KSchG, natürlich erörtern sie § 24 KSchG schon in der im Jahre 2020 erfolgten Novellierung. Die Darstellung der kündigungs- bzw. befristungsrelevanten Bestimmungen in Einzelgesetzen erfolgt in alphabetischer Reihenfolge und beginnt mit dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Weiterbildung (ÄArbVtrG), dessen Treber/Waskow sich annehmen. Treber/Plum gehen in der Folge auch auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ein. Wohl kein arbeitsrechtliches Gesetz hat im vergangenen Jahrzehnt auch in der Öffentlichkeit eine solche Beachtung erfahren. Dass Kreutzberg-Kowalcyk auch auf die arbeitnehmerähnlichen Personen eingeht, ist sehr verdienstvoll, gerade bei den Medien sind diese nicht selten. Zwischen die Kommentierungen der Gesetze „mogelt“ sich auch der Aufhebungsvertrag, den Spilger näher darstellt. Während das von Weigand ausführlich behandelte Berufsbildungsgesetz Ausbildungsverhältnisse schlechthin erfasst, existieren für bestimmte Ausbildungsgänge Sondergesetze. Auf diese wird natürlich hingewiesen (§§ 21 – 23 Rn. 15 ff.). Es folgen Erläuterungen zu den einschlägigen Vorschriften im BEEG (Bader/Kreutzberg-Kowalcyk) sowie im BetrVG (Rinck). Vor allem die §§ 102, 103 BetrVG werden ihrer Bedeutung gemäß ausführlich kommentiert. Fischermeier, Lipke, Krumbiegel, Schlünder, Spilger, Treber sowie Weigand teilen sich das BGB. Vor allem die Ausführungen zu §§ 242, 613 a und 626 BGB nehmen hier breiten Raum ein. Rinck behandelt dann §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG, auch die einschlägigen Normen im EStG (Vogt/Schult), im FPfZF (Treber/Waskow) und im HAG (Kreutzberg-Kowalcyk) werden dargestellt. Ob man in der Insolvenz ohne weiteres kündigen kann (natürlich nicht!), erfährt man bei Spelge, welche die einschlägigen Einzelbestimmungen der InsO erläutert. Für das Internationale Arbeitsvertragsrecht sind Weigand/ Horcher verantwortlich. Wer Arbeitsverhältnisse mit Auslandsberührung zu beurteilen hat, wird sich über die sorgfältige Darstellung freuen. Selbstredend erfährt auch § 17 Mutterschutzgesetz (MuSchG) nähere Betrachtung, Gallner erledigt das. Beim Kündigungsschutz für Parlamentarier (Weigand) geht es nicht nur um Bundesrecht, sondern auch alle einschlägigen Vorschriften der Bundesländer. §§ 1 – 8 PflegeZG sind dann wieder Sache von Treber/Waskow, das SeeArbG beleuchtet Weigand. Die sozialrechtlichen Vorschriften erfahren zunächst eine Einführung von
Link/Lau, die sich auch mit dem SGB III auseinandersetzen. Sache von Gallner ist dann der in §§ 168 ff SGB IX geregelte Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen. Nachdem Bader/Kreutzberg-Kowalcyk einen profunden Blick auf den TVöD geworfen haben, folgt ein letzter Schwerpunkt des Werkes. Rd. 400 Seiten nimmt die Kommentierung des TzBfG ein, welche Bader/KreutzbergKowalcyk und Lipke/Bubach sich teilen. Das Ende des Alphabets rückt nahe. Spilger wirft einen Blick auf §§ 322 – 324 UmwG an, bevor dann der Band mit Treber/Waskow und dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz endet. Dass sich ein detailliertes Stichwortverzeichnis anschließt, versteht sich fast von selbst. Hervorzuheben ist noch die Umsicht bei der Auswahl der kommentierten Bestimmungen. Das Werk gibt einen ausgezeichneten Überblick und ist unbedingt empfehlenswert. (cwh)
Rancke, Friedbert / Pepping, Georg (Hrsg.), Mutterschutz, Elterngeld, Elternzeit, Betreuungsgeld, Handkommentar, 6. Aufl., Nomos, Baden-Baden 2021, ISBN 978-3-8487-3401-6, 1592 S., € 118,00.
Wer ein Erläuterungswerk zu den Einzelgesetzen des Arbeitsrechts sucht – ein Arbeitsgesetzbuch existiert ja bekanntlich nicht –, hat eine durchaus ansprechende Auswahl. Vom dreibändigen Großkommentar über einbändige Standardwerke bis hin zu „Handkommentaren“ ist im einschlägigen Fachbuchhandel alles vertreten. Unter den Handkommentaren hat sich die am grauroten Einband erkennbare Reihe des Nomos-Verlages einen Namen gemacht. In eben jener Reihe ist nunmehr in 5. Auflage der von Rancke und Pepping herausgegebene Band zu den maßgeblichen Rechtsquellen rund um Mutterschaft und Kindererziehung erschienen. Die Neuauflage war schon deshalb nötig, weil die Covid 19-Pandemie eine ganze Reihe legislativer Änderungen mit sich gebracht hat, so etwa durch die Gesetze zum Schutz der Bevölkerung vor den Folgen einer Pandemie von nationaler Tragweite. Hinzu trat die Reform des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes im Jahre 2021. Und die Rechtsprechung schläft sowieso nicht. Dass das Werk, welches immerhin über 1.600 Seiten umfasst, vor nur sieben Personen verfasst wird, macht es schon deshalb sympathisch, ist mit einer solchen geringen Bearbeiterzahl doch Homogenität fast schon garantiert.
Naturgemäß liegt der Schwerpunkt des Kommentars mit weit über der Hälfte des Textes auf der Kommentierung des Mutterschutzgesetzes (MuSchG). Die Erläuterungen verfasst mit Ausnahme derjenigen zu § 17 KSchG, welche Schöllmann besorgt, Pepping, dem man eine gewaltige Leistung attestieren muss. In den Vorbemerkungen zu §§ 1, 2 MuSchG findet der Leser nicht nur Hinweise zu den unionsrechtlichen Vorgaben, sondern auch einen Abriss der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Angesichts der Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs des MuSchG – es gilt seit der Reform des Jahres 2018 auch z.B. für Studentinnen – wird diesem verstärkte Beachtung geschenkt (§ 1 Rn. 13 ff.). Um den seinerzeit ebenfalls neu strukturierten Gesundheitsschutz (§§ 3 – 16 MuSchG) dem Leser nahezubringen, leitet Pepping den entsprechenden Abschnitt mit einer umfangreichen Vorbemerkung ein. Einen Kern des Mutterschutzes stellt der Kündigungsschutz dar, welcher in § 17 geregelt ist. Schöllmann erklärt das Nötige, für den Arbeitgeber wichtig ist die Aufzählung der zuständigen Behörden (§ 17 Rn. 89), welche eine Kündigung ausnahmsweise für zulässig erklären können. Die an die Schwangere bzw. die Wöchnerin zu erbringenden Leistungen (§§ 18 – 25) stellt dann wieder Pepping dar, der auch die die Durchführung des Gesetzes regelnden Bestimmungen kommentiert (§§ 26 – 31). Aber auch das Nebenstrafrecht bekommt den ihm gebührenden Rang (§§ 32, 33).
An nächster Stelle im Kommentar steht das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), welches durch den Gesetzgeber im Jahre 2021 einer Novellierung unterzogen wurde. Lenz/Wagner machen zunächst den Leser mit notwendigen Grundlagen zum Verständnis in einer Vorbemerkung vertraut, bevor die Autoren dann die §§ 1 – 12 BEEG erläutern. Selbstredend sind die legislativen Änderungen des BEEG eingearbeitet, wobei zweckmäßigerweise auf die jeweilige Neuregelung immer hingewiesen wird. Wiederum braucht die Leserschaft nicht lange nach den im Einzelnen fachlich zuständigen Behörden für das Elterngeld sowie den Aufsichtsbehörden zu suchen, sie sind in der Kommentierung aufgeführt (§ 12 Rn. 2 ff.). Rechtsweg (§ 13) und Bußgeldvorschriften (§ 14) sind dann Sache von Conradis. Die im dritten Abschnitt des Gesetzes geregelte Elternzeit (§§ 15 – 21) ist dann in bewährter Qualität Sache von Friedbert Rancke, ehemals Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg und – die Bemerkung sei gestattet – Assistentenkollege des Rezensenten an der Freien Universität Berlin. Statistik und Schlussvorschriften (§§ 22 – 27) teilen sich dann Lenz, Conradis, Rancke, Wagner und Pepping. Hingewiesen sei noch auf den von Lenz/Wagner und Pepping verfassten Anhang zum BEEG mit wirklich instruktiven Checklisten. Eine Synopse, in welcher die Rechtslage bis 1.9.2021 sowie der gegenwärtige Rechtszustand verzeichnet ist, schließt das BEEG ab.
Nachdem sich Pepping schon ausführlich dem MuSchG gewidmet hat, liegt es nahe, dass er auch die Verordnung über den Mutterschutz für Beamtinnen des Bundes und die Elternzeit für Beamtinnen und Beamte des Bundes (Mutterschutz- und Elternzeitverordnung – MuSchEltZV) bespricht (S. 1294 – 1360). Die entsprechende Personengruppe steht ja in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und wird von den Vorschriften des MuSchG und des 2. Abschnitts des BEEG nicht erfasst, was eine eigene Regelung notwendig macht. Der demographische Wandel ist letztlich Auslöser für die Schaffung des Pflegezeitgesetzes (PflegeZG) gewesen. Dieses immer wichtiger werdende Gesetz besprechen Rancke und Klerks, bevor sich dann Conradis dem Kindergeldrecht widmet. Erläutert werden die einschlägigen Normen des Einkommensteuerrechts, es folgt eine Darstellung des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG). Erfreulich ist, dass Conradis auch auf das Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz – UVG) eingeht.
Den Kommentar beschließt dann Pepping mit Erläuterungen zu § 616 BGB, § 45 SGB V, § 45 Abs. 4 SGB VII und § 56 Ia IfSG, welche vor dem Hintergrund der Arbeitsbefreiung sowie der Entgeltfortzahlung bei Erkrankung eines Kindes von Bedeutung sind. „Corona“ ist ausführlich berücksichtigt (Vorbem. Rn. 1a ff., § 616 BGB Rn. 2 ff., § 45 SGB V Rn. 18a, b), die Ausführungen zu § 56 Ia IfSG stehen dann völlig im Zeichen der Pandemie. Ein ausführliches Stichwortverzeichnis erleichtert den schnellen Zugang zu einzelnen Problemen. Insgesamt hinterlässt das Werk einen sehr guten Eindruck, insbesondere findet auch der nicht so im Arbeitsrecht Bewanderte einen schnellen Zugang zur Materie. Wer sich mit entsprechenden Fragen rund um Schwangerschaft, Mutterschaft und Kindeserziehung auseinanderzusetzen hat, ist mit dem Rancke also sehr gut beraten. (cwh)
Arnold, Christian / Günther, Jens (Hrsg.), Arbeitsrecht 4.0, Praxishandbuch zum Arbeits-, IP- und Datenschutzrecht in einer digitalisierten Arbeitswelt, C.H.Beck, 2. Aufl., München 2022, ISBN 978-3-406-75384-8, 363 S., € 69,00.
Arbeitsrecht soll die Wirklichkeit des Arbeitslebens ordnen. Wie diese Wirklichkeit beschaffen ist, lässt sich für den einzelnen heute kaum noch adäquat erfassen. Der persönliche Erfahrungsbereich des Juristen konnte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ausreichen, das vorwiegend landwirtschaftlich und handwerklich strukturierte Produktions- und Dienstleistungswesen zu überschauen. Der wirtschaftlichen Vielfalt und den komplizierten Zusammenhängen eines hoch industrialisierten Zeitalters wird man damit nicht mehr gerecht. Die technische und wirtschaftliche Entwicklung schreitet weiter rasch voran. Neue Informationstechnologien verändern nicht nur die Arbeitsmethoden grundlegend, sondern erlauben in vielen Bereichen die Ersetzung des Menschen durch selbststeuernde Maschinen. Die sich demzufolge immer mehr ausdifferenzierende Wirklichkeit des Arbeitslebens führt dazu, dass es die in ihren konkreten Zügen für die Mehrheit der Arbeitsverhältnisse typische Arbeitsbeziehung nicht mehr gibt. Damit verbunden geht – weitaus gravierender – die Flucht aus dem Arbeitsverhältnis als solchem einher. Fremdpersonaleinsatz im Wege „freier Mitarbeit“, über (Schein-)Werkverträge oder durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern wirft neue Probleme auf; von Maschinen als Weisungsberechtigten einmal ganz abgesehen. Aktuelle Erscheinungsformen wie das sog. „crowdsourcing“ können durch das Arbeitsrecht alleine juristisch nicht bewältigt werden. Überlegungen zur rechtlichen Gestaltung der Lage des Arbeitnehmers müssen sich der Differenziertheit dieser rechtstatsächlichen Situation bewusst sein. Die überall in rasantem Vordringen begriffene Digitalisierung zwingt in vielfacher Hinsicht zu einem Umdenken und zu einer Abkehr von traditionellen Strukturen. Entsprechend plakativ ist der Titel des von Arnold und Günther herausgegebenen Buches gewählt: „Arbeitsrecht 4.0“. Dass nach nur vier Jahren schon die zweite Auflage erscheint, beweist die Aktualität des Themas. In sieben Kapiteln gehen elf Autoren aus Rechtsanwaltschaft und Wissenschaft damit verbundenen grundlegenden arbeitsrechtlichen Fragestellungen nach.
Chancen und Risiken der aktuellen und künftigen Entwicklung sowie Handlungsoptionen beleuchtet Simon im
1. Kapitel (S. 1 – 25). Bereits im ersten Satz weist er auf die rasante Umgestaltung des Arbeitslebens durch die Covid 19-Pandemie hin. Hier erfährt man Grundlagen, so etwa, was man unter „Digitalisierung“ überhaupt zu verstehen hat. Die Chancen der Digitalisierung unterteilt Simon nach ebensolchen in Bezug auf Produkte und Dienstleistungen, hinsichtlich der Produktion sowie vor dem Hintergrund individueller Arbeit. Diese Dreiteilung liegt auch der Aufzählung der Risiken zugrunde. Chancen und Risiken liegen manchmal eng beieinander, dies gilt etwa für die „Entgrenzung der Arbeit“, also das Verschwimmen von Beruf und Freizeit. Dass hier arbeitsrechtlich Sorge getragen werden muss, betont Simon ausdrücklich (S. 25). Das zweite Kapitel (S. 27 – 81) ist neuen bzw. alternativen Beschäftigungsformen und deren rechtlicher Beurteilung gewidmet. Lingemann/Chakrabarti beginnen mit dem Drittpersonaleinsatz, die dazu gemachten Ausführungen müssen vor dem Hintergrund der in der Folge angesprochenen Tätigkeiten gesehen werden. Den Anfang macht die „economy on demand“, bei welcher der Auftraggeber über eine Plattform eine Dienstleistung anfragt und der Dienstleister entscheidet, ob er den Auftrag übernimmt. Dass eine Vergütung nach dem Schema „Pay what you want“ (S. 43) für den Arbeitsrechtler kaum nachvollziehbar ist, versteht sich von selbst. Beim „Crowdworking“ kann man internes und externes unterscheiden, liest man sich die Vergütungsformen durch, stößt man auf so merkwürdige Entlohnungsbezeichnungen wie „Windhundrennen“ und „Preisausschreiben“ (S. 53). Auch wenn schon länger in Gebrauch, so wird doch mancher vom „Scrum“ noch nie etwas gehört haben, einer Arbeitsmethode zur agilen Produktentwicklung (S. 59 ff.). Bei den Praxistipps (S. 66 f.) wird auf das Risiko einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung sowie einer Scheinselbständigkeit hingewiesen. „Matrix“ wiederum ist in aller Munde, die Strukturen zeichnen sich durch ein Auseinanderfallen von Vertragsarbeitgeber und Arbeitsorganisation aus (S. 67 ff.). Das Schaubild dazu (S. 69) macht die Komplexität mehr als deutlich. Schon die Frage der Betriebszugehörigkeit wirft schwierige Fragen auf.
Mit „Flexibilisierung im individuellen Arbeitsrecht“ ist das 3. Kapitel (S. 83 – 181) überschrieben, welches Arnold/ Winzer bearbeiten. Begonnen wird mit einer Wunschvorstellung vieler Arbeitgeber, nämlich zeit- und ortsflexiblem Arbeiten. Dass das gegenwärtige Arbeitszeitrecht hier Grenzen setzt, liegt auf der Hand. Immerhin gibt es „KAPOVAZ“-Arbeitsverhältnisse (S. 107 ff.), die Aussage zum 0-Stunden-Vertrag ist eindeutig: Es gelten 20 Stunden als vereinbart (S. 111 f.). Qualifizierung und Weiterbildung sind in vielen Arbeitsverhältnissen unumgänglich, hier sind die Aussagen zu den Kosten interessant (S. 136 f.) Dass nicht nur das Direktionsrecht neu definiert werden muss, sondern auch die Vergütungsgestaltung besondere Wege gehen muss, erläutern Arnold/Winzer in der Folge. Bewegt man sich bei der Kündigung infolge der Einführung computergestützter Systeme noch auf halbwegs gewohnten Bahnen, so lassen sich die weiteren Auswirkungen des Einsatzes autonomer Systeme bis hin zu künstlicher Intelligenz noch nicht annähernd abschätzen (S. 164 ff.). Der „Roboter als Arbeitgeber“ ist keine Zukunftsmusik mehr.
Günther/Böglmüller hinterfragen im 4. Kapitel (S. 183 – 223) den Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie die Haftung im Arbeitsverhältnis. Hervorzuheben sind die Überlegungen zum Arbeitsschutz bei unternehmensübergreifender Zusammenarbeit (S. 196 ff.), insbesondere auch bei Matrixstrukturen. Dass neue Beschäftigungsformen und neue Arbeitsplatzgestaltungen hier Probleme aufwerfen, liegt auf der Hand. Dem Robotereinsatz widmen Günther/Böglmüller einen eigenen Abschnitt (S. 210 f.). Auch Haftungsfragen wirft die IT-Nutzung auf, wobei sich eine Ersatzpflicht für Arbeitnehmer und Arbeitgeber stellen kann (S. 212 ff.). Die Haftung beim Robotereinsatz wird noch näher zu klären sein, immerhin dürfte feststehen, dass dem Roboter die Eigenschaft als Rechtssubjekt fehlt und er deshalb jedenfalls nach geltendem Recht nicht haftet (S. 221 f.).
Weniger im Fokus des traditionellen Arbeitsrechts stehen geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht, die Digitalisierung zwingt hier zu einem Umdenken, wie der Beitrag von Werner im 5. Kapitel (S. 225 – 264) deutlich macht. Angesprochen werden zunächst die Rechte an Unternehmensdaten. Unter dem Stichwort „Geheimnisschutz 4.0“ geht es dann um den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, den Problemen in Zusammenhang mit social media wird besondere Beachtung geschenkt (S. 248 ff.). Beim Arbeitnehmererfindungsrecht steht das Crowdworking (S. 256 ff.) im Vordergrund, beim Wettbewerbsrecht das „Active Sourcing“ (S. 261 ff.).
Seit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung ist der Datenschutz in aller Munde. Hamann/Haußmann beleuchten ihn im sechsten Kapitel (S. 265 – 309). Spezifisch beleuchtet werden naturgemäß die Schlüsselvorschriften der DS-GVO Welche datenschutzrechtlichen Implikationen sich aus dem Einsatz neuer Technologien im Bewerbungsverfahren ergeben, wird anschließend behandelt. Mit „Big Data und People Analytics“ (S. 286 ff.) sowie dem Datenschutz in der „Smart Factory“ (S. 292 ff.) wird nicht jeder etwas anfangen können, die Lektüre der entsprechenden Ausführungen von Hamann/Haußmann sei deshalb umso mehr empfohlen. Auch Social Media-Plattformen können datenschutzrechtliche Probleme aufwerfen (S. 101 ff.), für Cloud Computing (S. 300 ff.) gilt dasselbe. All das wird dem Leser nahegebracht.
Das 7. Kapitel mit der Überschrift „Kollektives Arbeitsrecht 4.0“ (S. 311 – 350) verantwortet Benecke. Schon der Betriebsbegriff ist zu hinterfragen (S. 313 ff.) und welcher Arbeitnehmerbegriff insoweit zu gelten hat (S. 320 ff.), ist ebenso ungeklärt. Benecke zeigt praktikable Lösungen auf, dies gilt ebenso für die Mitbestimmung des Betriebsrats. Gerade bei neuen Arbeitsformen stellen sich hier vielfältige Probleme (S. 324 ff.). Dass § 87 I Nr. 6 BetrVG besondere Aufmerksamkeit genießt, liegt auf der Hand, erschließen sich für Arbeitgeber doch vielfältige neue Wege zur Überwachung ihrer Belegschaft (S. 341 ff.). Wenn statt eines Fazits erste Erfahrungen mit und ein Ausblick zum kollektiven Arbeitsrecht 4.0 gegeben werden (S. 349 f.), so beschreibt dies treffend den status quo.
Wer sich einen Überblick über die mit der Digitalisierung einhergehenden arbeitsrechtlichen Fragen verschaffen möchte, ist mit dem Buch von Arnold/Günther sehr gut beraten. Vieles ist angesichts der rasanten technischen Entwicklung nur eine Momentaufnahme, aber Fälle sind nun einmal dann zu lösen, wenn sie auftreten und nicht erst zu dem Zeitpunkt, zu dem man auf gesicherte Erkenntnisse zurückgreifen kann. Jedenfalls bietet das Werk tragfähige Lösungsansätze für die Probleme. Hervorzuheben ist nicht zuletzt auch die Bandbreite der angesprochenen Beschäftigungsformen. Für viele Leser dürfte manches in dem Werk absolutes Neuland sein, umso mehr ist es zu empfehlen. (cwh)
Habersack, Mathias / Drinhausen, Florian (Hrsg.), SE-Recht mit grenzüberschreitender Verschmelzung, C.H.Beck, 3. Aufl., München 2022, ISBN 978-3-406-77206-1, 1.438 S., € 229,00.
Bei vielen Kommentaren kann man eine Rezension mit dem Satz beginnen, es gebe davon viele. Für das SE-Recht gilt dies nicht, der Habersack/Drinhausen hat jedenfalls im Hinblick auf seine Kompaktheit fast ein Alleinstellungsmerkmal. Das Werk liegt nunmehr in dritter Auflage vor. Vierzehn Autoren und eine Autorin aus Anwaltschaft und Hochschule erläutern die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Gesellschaft und widmen sich der Mitbestimmung bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen. Auf der Ebene des Unionsrechts haben drei Rechtsakte für die societas europaea Bedeutung: der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union vom 9.5.2008 (AEUV), die Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft vom 8.10.2001, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 vom 20.11.2006 (SE-Verordnung) sowie die Richtlinie 2001/86/EG des Rates zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft vom 8.10.2001 (SE-Beteiligungsrichtlinie). Gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV haben die Regeln der SE-VO unmittelbare Wirkung und Vorrang vor dem deutschen Recht, vgl. auch § 1 SEAG. Soweit dem deutschen Gesetzgeber durch die SE-Verordnung Gestaltungsaufträge erteilt werden, hat der deutsche Gesetzgeber dem nachzukommen. Der Regelungsbedarf bedingt in diesem Falle die nationale Regelungskompetenz. Letztere besteht auch dann, wenn das Unionsrecht Gestaltungsspielräume eröffnet. Beiden Aspekten hat der deutsche Gesetzgeber durch das SE-Ausführungsgesetz (SEAG) Rechnung getragen. Was die Beteiligung der Arbeitnehmer in der societas europaea anbelangt, verweist Art. 1 Abs. 4 SE-VO auf die Richtlinie 2001/86/EG. Die Verzahnung der SE-Verordnung mit der Mitbestimmung der Arbeitnehmer dokumentiert sich in Art. 12 Abs. 2, wonach die Eintragung der societas europaea und damit ihre Gründung von der Durchführung bzw. dem Versuch eines Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens abhängt. Die SE-Beteiligungsrichtlinie ist in den EU-Mitgliedstaaten nicht unmittelbar geltendes Recht, sie bedarf der Umsetzung durch einen nationalen Rechtsakt. Die Umsetzung in Deutschland erfolgte durch das SE-Beteiligungsgesetz – SEBG).
Der Kommentar gliedert sich in fünf Teile. An erster Stelle wird die Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft besprochen. Die entsprechenden Erläuterungen machen rund zwei Drittel des Gesamtwerks aus (A., S. 1 – 911). Wer sich einen schnellen Überblick verschaffen will, dem sei die ausführliche Einleitung von Drinhausen empfohlen. Hier erfährt man auch etwas über die zahlenmäßige Bedeutung der SE: Ende 2020 waren in Deutschland 400 europäische Gesellschaften, welche über fünf Arbeitnehmer beschäftigten, ansässig (Einl. SE-VO Rn. 31). Zum Vergleich: Im selben Jahr zählte man in der Bundesrepublik 764.904 Kapitalgesellschaften, 405.500 Personengesellschaften und 208.557 sonstige Rechtsformen. Allerdings nimmt die Zahl der Europäischen Gesellschaften stetig zu, fünf der Dax 30-Gesellschaften haben diese Rechtsform. Nachdem sich in Art. 43 Abs. 4 SE-VO eine Regelungsermächtigung für den nationalen Gesetzgeber findet, soweit die betreffende Rechtsordnung wie die deutsche – keine monistische Organisationsverfassung kennt, werden im Anschluss an Art. 43 SE-VO die §§ 20 – 49 SEAG kommentiert. Letztere Bestimmungen ersetzen die §§ 76 – 116 AktG, sofern eine SE in ihrer Satzung das monistische System wählt. Was die Beteiligung der Arbeitnehmer in der societas europaea anbelangt, verweist Art. 1 Abs. 4 SE-VO auf die Richtlinie 2001/86/EG. Die Beteiligungsrichtlinie 2001/86/ EG ist in den EU-Mitgliedstaaten nicht unmittelbar geltendes Recht, sie bedarf der Umsetzung durch einen nationalen Rechtsakt, vgl. auch Art. 288 AEUV, Art. Art. 14, 17 SE-Beteiligungsrichtlinie. Die Umsetzung in Deutschland erfolgte durch das SE-Beteiligungsgesetz – SEBG). Mit diesem Regelwerk befasst sich der zweite Teil des Kommentars (B., S. 913 – 1122). Wer sich mit der Systematik vertraut machen möchte, dem sei einmal mehr die Vorbemerkung empfohlen, welche Hohenstatt/Müller-Bonanni verfasst haben. Der deutsche Rechtsanwender ist gewohnt, Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung in jeweils unterschiedlichen Regelwerken aufzufinden (anders noch das BetrVG 1952). Insoweit lohnt sich das Studium der Kommentierung zu § 21, wo Abs. 3 und 6 die Unternehmensmitbestimmung regeln. Aber natürlich erfährt man zuvor auch alles Notwendige zum Besonderen Verhandlungsgremium, welches in §§ 4 ff. SEBG geregelt ist.
Auch der dritte Teil des Kommentars (C., S. 1123 – 1263), welcher die grenzüberschreitende Verschmelzung behandelt, wird durch eine Vorbemerkung eingeleitet, für welche Kiem verantwortlich zeichnet. Um die Systematik der Normen zu verstehen, empfiehlt sich schon im Hinblick auf die unionsrechtlichen Vorgaben die entsprechende Lektüre. In den Erläuterungen zu §§ 122a – 122m UmwG erfährt man dann alles Nötige.
Im vierten Teil des Werkes (D., S. 1264 – 1346) erläutern Thüsing/Forst in einer Einleitung die Grundzüge des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung. Dann werden die §§ 1 – 35 MgVG von denselben Autoren kommentiert. Der Blick von Jochum auf das Steuerrecht der SE schließt im fünften Teil (E., S. 1347 – 1396) die Bearbeitung ab. Dass der Kommentar ein vorzügliches Stichwortverzeichnis hat, sei abschließend erwähnt. Fazit: Das Werk hält, was die Namen versprechen. Nicht nur wer für eine bestimmte Frage zur SE eine Antwort sucht, sondern auch wer tieferschürfend systematische Ansprüche hat, wird im Habersack/Drinhausen jedenfalls nicht nur fündig werden, sondern auch eine kundige Beratung erfahren. Was will man mehr von einem guten Kommentar? (cwh)
Schmidt, Stephan, Der Beurteilungszeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses und die Berücksichtigung nachträglicher Umstände (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht, Bd. 363), Duncker & Humblot, Berlin 2021, ISBN 978-3-428-18173-5, 318 S., € 89,90.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung ist nach herrschender Auffassung der Zugang der Kündigungserklärung beim betroffenen Arbeitnehmer. Das ergibt sich aus dem Charakter der Kündigung als rechtsgestaltendes einseitiges Rechtsgeschäft, das durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung wirksam wird. Das Abstellen auf den Zugang der Kündigung als Beurteilungszeitpunkt leuchtet ein, da eine Kündigung nicht auf Ereignissen beruhen kann, die im Zeitpunkt der Kündigung noch gar nicht eingetreten waren. Die zwischen Abgabe und Zugang der Kündigungserklärung eintretenden Umstände können daher noch die Beurteilung der Kündigung mit beeinflussen, ohne dass der Kündigende sie selbst in Betracht gezogen hat. Dasselbe gilt für Umstände, die schon vor Abschluss des Arbeitsvertrages eingetreten sind, wenn sie dem Kündigenden bei Vertragsschluss nicht bekannt waren. Sie müssen sich aber im Zeitpunkt des Kündigungszugangs noch störend auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Umstände, die nach Zugang der Kündigung eintreten, können dagegen für die Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden. Denn die Prüfung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung beruht auf dem Prognoseprinzip: Eine Kündigung kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn eine Weiterbeschäftigung in Zukunft nicht mehr tragbar ist. Dafür muss eine Prognose erstellt werden, ob die Umstände der Vergangenheit das Arbeitsverhältnis in Zukunft so beeinträchtigen werden, dass eine Kündigung des Arbeitsvertrages zu rechtfertigen ist. Treten Entwicklungen nach dem Zugang der Kündigung ein, welche die Progno se fehlerhaft werden lassen, so haben diese keinen Einfluss auf die Beurteilung der Prognoseentscheidung im Prozess. Mag das bis hierhin auch durchaus schlüssig klingen, so rüttelt schon der erste Satz in der Arbeit von Schmidt, einer von Joussen betreuten Bochumer Dissertation, an diesem Dogma. Zitiert wird eine rd. 35 Jahre alte, gleichwohl aktuelle Aussage von Denck, welche da lautet: „Welcher Richter wird guten Gewissens behaupten, bislang bei der Würdigung der Krankheitsprognosen streng `ex-ante` verfahren und den nachträglichen Krankheitsverlauf während des Prozesses strikt ausgeblendet zu haben.“ Anders gewendet: Ohne es zu sagen, wird die Prognose bei einer krankheitsbedingten Kündigung je nach Verlauf der Krankheit nach Ausspruch der Kündigung bestätigt oder korrigiert. Denn letztlich wird über die Richtigkeit der Prognose zum Kündigungszeitpunkt erst im Kündigungsschutzprozess geurteilt; gegebenenfalls also Monate später. Der zum Kündigungszeitpunkt mutmaßlich unheilbar Erkrankte mag bis dahin genesen sein, der dringende Diebstahlsverdacht gegen einen Arbeitnehmer besserer Erkenntnis gewichen sein. Kann sich ein Gericht bei seiner Beurteilung der Sachlage zum Kündigungszeitpunkt wirklich von der späteren Entwicklung freimachen? Man darf gespannt sein, was Schmidt dazu in seiner umfassenden Untersuchung zu sagen hat.
Nach einer Einleitung wird im zweiten Kapitel eben jener Beurteilungszeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses hinterfragt. Der Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum lässt vier Zeitpunkte als möglich erscheinen: die Abgabe der Kündigungserklärung (S. 30 f.), deren Zugang (S. 31 ff.), den Ablauf der Kündigungsfrist (S. 38 ff.) sowie die letzte mündliche Verhandlung im Kündigungsschutzprozess (S. 42 ff.). In seiner eingehenden Analyse geht der Verf. zunächst auf den historischen Hintergrund ein (S. 51 ff.) und hinterfragt dann einschlägige gesetzliche Vorschriften (S. 59 ff.), nämlich § 626 Abs. 1 BGB, § 1 KSchG sowie §§ 130 und 164 Abs. 1 BGB. Einen ersten Schwerpunkt dieses Teils der Arbeit bildet dann die Einordnung des Beurteilungszeitpunktes in die zivilrechtliche Dogmatik der Beendigung von Dauerschuldverhältnissen (S. 63 – 101). Prognosen und deren Kontrolle angesichts der einzelnen Kündigungsgründe – personenbedingte, betriebsbedingte, verhaltensbedingte – stehen an nächster Stelle (S. 101 – 115). Letztlich ist das Prognoseprinzip mit seiner Zukunftsbezogenheit der Kündigungsgründe der gedankliche Ansatzpunkt für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung. Eingegangen wird weiter auf den Einfluss des prozessualen Streitgegenstandsbegriffs und Aspekte der Rechtssicherheit, bevor dann ein Vergleich mit anderen nicht dem Arbeitsrecht zugehörigen Fragestellungen gezogen wird (S. 115 – 170). Im Ergebnis begründet der Verf. überzeugend die Richtigkeit des Abstellens auf den Zugang der Kündigungserklärung (S. 170 ff.).„Heikel“ wird es dann im dritten Kapitel, welches der möglichen Berücksichtigung nachträglicher Umstände gewidmet ist. Zunächst wird der Ansatz der Rechtsprechung skizziert, welche in manchen Fällen nachträglich aufgetretene Umstände zur „Erhellung des kündigungsrechtlichen Sachverhalts“ heranzieht (S. 174 ff.). Verf. weist darauf hin, dass diese Vorgehensweise im Wesentlichen nur bei der außerordentlichen Kündigung eine Rolle spielt (S. 187). Nach einer sorgfältigen dogmatischen Analyse, im Rahmen derer gesondert auf die Mitbestimmung des Betriebsrats eingegangen wird (S. 222 ff.), lehnt er die „Erhellungsrechtsprechung“ nicht zuletzt auch wegen der unüberschaubaren Kasuistik ab (S. 236 f). Anschließend wird in Bezug auf die einzelnen Kündigungsgründe des § 1 KSchG auf die Fixpunkte einer Prognosebestätigung auf der einen sowie einer Prognosewiderlegung auf der anderen Seite eingegangen (S. 237 – 277). Besondere Beachtung verdienen die Ausführungen zur tatsächlichen Vermutung bei der betriebsbedingten Kündigung (S. 240 ff.) und der Gesundheitsprognose bei der krankheitsbedingten Kündigung (S. 262 ff.). Beweismaßreduzierung und Beweiswürdigung stehen im Fokus bei der verhaltensbedingten Kündigung (S. 274 ff.). Auf Besonderheiten bei der Anwendung zivilrechtlicher Generalklauseln weist Schmidt abschließend hin (S. 277 ff.).
Die Ergebnisse der Untersuchung finden sich im vierten Kapitel (S. 289 – 292) für den eiligen Leser stringent zusammengefasst. Hervorgehoben werden soll, dass die Monografie – für Dissertationen keineswegs selbstverständlich – über ein Personen- und Sachregister verfügt. Davon abgesehen ist das lesenswerte Buch sorgsam durchdacht, der Autor geht keiner Frage aus dem Weg und führt die Probleme kundig einer Lösung zu. Sicherlich wird nicht jeder mit den Ergebnissen einverstanden sein, indes ist es gerade das Kennzeichen einer guten wissenschaftlichen Arbeit, dass sie zum Nachdenken anregt und vielleicht auch zum Aufgeben eigener Positionen reizt. Wer angesichts des Prognoseprinzips im Recht der Kündigung vertiefte Überlegungen sucht, wird bei Schmidt jedenfalls fündig werden. Dem an der Thematik Interessierten kann das Werk also guten Gewissens empfohlen werden. (cwh)
Deinert, Olaf / Treber, Jürgen, Europäische Arbeits- und Sozialordnung. Richtlinien und Verordnungen. Einleitungen. Rechtsprechung, Bund-Verlag, Frankfurt a.M. 2021, 1.208 S., Inklusive Online-Zugriff, ISBN 978-3-7663-6508-8, 2102 S., € 44,90.
Die Bedeutung eines Rechtsgebietes wird nicht zuletzt dann offenbar, wenn die Verlage beginnen, einschlägige Textsammlungen herauszubringen. Umso mehr gilt dies, wenn die entsprechenden Werke mit Einleitungen versehen sind, welche der Leserschaft über den bloßen Wortlaut hinaus die Materie nahebringen wollen. So gesehen kann dem Werk von Deinert/Treber zum Europäischen Arbeitsund Sozialrecht durchaus Pionierstatus zugebilligt werden. Inhaltlich findet man neben dem Primärrecht der Europäischen Union – in welches sich auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) „verirrt“ hat – die für das Arbeits- und Sozialrecht maßgeblichen Richtlinien und Verordnungen. Sinnvollerweise werden diese nicht alphabetisch oder zeitläufig gebracht, sondern thematisch sinnvoll geordnet vorgestellt. Begonnen wird mit dem Gleichbehandlungs- und Antidiskriminierungsrecht, es folgen Dienstleistungsfreiheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit, die von den Verfassern so genannten „atypischen“ Arbeitsverhältnisse mit den Richtlinien zur Teilzeitarbeit, zur Befristung und zur Leiharbeit schließen sich an. Weitere Schwerpunkte bilden die Arbeitsbedingungen sowie die Arbeitsschutzbestimmungen. Im kollektiven Arbeitsrecht geht es vorwiegend um die Mitbestimmung auf Betriebsund Unternehmensebene. Abschließend werden der gerichtliche Rechtsschutz und die alternative Streitbeilegung gebracht. Hier findet man naturgemäß die wichtige (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO – Brüssel Ia). Wie schon gesagt belassen es die Verfasser aber nicht bei den bloßen Texten, sondern erläutern da, wo es sinnvoll ist, auch den Inhalt. Für manchen Leser mag es schon hilfreich sein, die Einführung in die Europäische Arbeits- und Sozialordnung zu lesen (S. 21 ff.), um ein Verständnis für die Systematik des überstaatlichen Rechts zu entwickeln. Ein Überblick über die – vorsichtig formuliert – nicht alle überzeugende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu Anwendungsvorrang und Auslegung des Europäischen Rechts darf da nicht fehlen, ebenso wenig ein Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Maßgeblichkeit der Unionsgrundrechte (S. 28 ff.). Gegliedert sind die Vorbemerkungen zu den einzelnen Rechtsquellen in die historische Entwicklung, den wesentlichen Inhalt sowie weiterführende Hinweise zur Literatur und Rechtsprechung. Äußerst positiv ist zu bemerken, dass die Verfasser die Fähigkeit haben, die Einführungen kurz und prägnant zu schreiben; das kann beileibe nicht jeder. So erfährt auch der eilige Leser das, was er wissen muss. Wer es vertieft haben will, kann auf die Vorschläge zur Literatur und zu den einschlägigen Urteilen zurückgreifen.
Wer sich mit dem Arbeits- und Sozialrecht befassen will oder dies muss, kommt angesichts der Europäisierung dieses Rechtsgebiets ohne eine Textsammlung nicht mehr aus. Wer darüber hinaus einen schnellen Überblick über die jeweilige Materie braucht, wird für die Erläuterungen in dem Buch von Deinert/Treber dankbar sein und in seiner Erwartungshaltung nicht enttäuscht werden. (cwh)
Hofmann, Kai, Assistenzsysteme in der Industrie 4.0. Arbeitsrechtliche und beschäftigtendatenschutzrechtliche Fragestellungen in einem automatisierten Umfeld, Nomos, Baden-Baden 2021, ISBN 9783-8487-8096-9, € 159,00.
Bei äußerlicher Betrachtung des Buches von Hofmann kommt wohl niemand auf die Idee, es könnte sich um eine Doktorarbeit handeln. Rd. 540 Seiten reiner Text entsprechen – um bei wissenschaftlichen Werken zu bleiben – vom Umfang her eher einer Habilitationsschrift denn einer Dissertation. Inhaltlich greift die Arbeit eine höchst aktuelle Problematik auf. Neue Informationstechnologien verändern nicht nur die Arbeitsmethoden grundlegend, sondern erlauben in vielen Bereichen die Ersetzung des Menschen durch selbststeuernde Maschinen. Dies wirft zum einen arbeitsrechtliche Fragen auf. Die zunehmende Digitalisierung zwingt in vielfacher Hinsicht zu einem Umdenken und zu einer Abkehr von traditionell gewachsenen Strukturen. Nicht weniger betroffen ist der Datenschutz in einem automatisierten Arbeitsumfeld. Beiden Rechtsgebieten widmet sich die Arbeit von Hofmann. Im ersten Teil der Arbeit (S. 47 – 73) wird dem Leser nahegebracht, was sich hinter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ verbirgt. Es geht um die Verknüpfung von Applikationen mit realen Objekten, welche letztlich zur Selbststeuerung fähig sein sollen. Assistenzsysteme sollen die Beschäftigten in die Lage versetzen, den gewandelten Anforderungen an die Ausübung ihrer Tätigkeit gewachsen zu sein. Dass sich angesichts der dadurch gestiegenen Anforderungen an den Einzelnen arbeitsschutzrechtliche Fragen stellen liegt ebenso auf der Hand wie die der Arbeitgeberseite eröffneten Möglichkeiten zur technischen Überwachung. Dem ist der zweite Teil des Buches gewidmet (S. 73 – 237). An erster Stelle stehen die verfassungsrechtlichen Grundlagen, ein Schwerpunkt liegt auf der Beeinträchtigung durch die Automatisierung des Arbeitsumfeldes (S. 89 ff.). Wichtig sind auch die Darlegungen zu typischen Gefährdungen in der Industrie 4.0 (S. 98 ff.), was im Hinblick auf die körperliche Unversehrtheit eine Rolle spielt. Maschinensicherheit und technischer Arbeitsschutz spielen im Hinblick auf das Prinzip der menschengerechten Gestaltung der Arbeit eine Rolle. Neue Beschäftigungsformen und neue Arbeitsplatzgestaltungen werfen hier Probleme auf. Dass der Betriebsrat in mehrfacher Hinsicht gefordert ist, macht Hofmann deutlich. Der Fokus liegt auf den Beteiligungsrechten im Hinblick auf den Arbeitsschutz (S. 145 ff.). Äußerst interessant sind die Ausführungen zur automatisierten Ausübung des Direktionsrechts (S. 205 ff.). Hier ist noch vieles unklar wie die mögliche Vorgesetzteneigenschaft eines IT-Systems (S. 222 ff.). Den Hauptteil der Arbeit beansprucht der Beschäftigtendatenschutz (S. 238 – 586). Ausführlich wird zunächst auf die Rechtsgrundlagen eingegangen, wobei dem Verhältnis der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) zum Bundesdatenschutzgesetz besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Ebenso tiefgehend werden dann Aspekte des Grundrechtsschutzes in der Europäischen Union angesprochen (S. 256 ff.), wobei auch das Verhältnis zu den mitgliedstaatlichen Grundrechten ausgeleuchtet wird. Dass das Recht der Beschäftigten auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten mit der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers kollidieren kann bzw. in der Industrie 4.0 auch kollidieren wird, liegt auf der Hand. Dies erfordert einen Ausgleich der verfassungsrechtlich geschützten Positionen (S. 310 ff.). Es stellt sich zudem die Frage nach der Anwendbarkeit des sekundärrechtlichen Datenschutzrechts, Hofmann geht dem insbesondere bei Assistenzsystemen nach (S. 336 ff.). Die grundlegenden Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung stehen an nächster Stelle, ausführlich werden Aspekte der Datenminimierung beleuchtet (S. 373 ff.); insbesondere das Zusammenspiel von Zweckbindung und Datenminimierung wird untersucht (S. 389 ff.). Dass die Gestaltung der Technik zu Datensparsamkeit und Datenschutz beitragen kann (S. 424 ff.), liegt auf der Hand. Ob dies von den Unternehmen ungeachtet aller Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (S. 435 ff.) so umgesetzt werden wird, wird man noch sehen müssen. Dies gilt auch im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten (S. 474 ff.). Folgen für das sekundär- und einfachgesetzliche Datenschutzrecht sind der letzte Schwerpunkt des dritten Teils. Verf. hinterfragt die einzelnen Erlaubnistatbestände und misst an ihnen die Datenverarbeitung zur Erfüllung des Arbeitsvertrages (S. 491 ff.). Selbstredend stellen sich hier Fragen der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 I Nr. 6 BetrVG (S. 515 ff.). Einzelne Verarbeitungssituationen wie die Videoüberwachung, die Verarbeitung von Standort- bzw. Betriebsdaten, die Übermittlung von Daten in Wertschöpfungsnetzwerken sowie automatische Entscheidungen beschließen diesen Abschnitt der Arbeit (S. 525 ff.).
Eine abschließende Bewertung enthält der vierte Teil des Buches (S. 582 – 586). Für viele Leser dürfte manches in dem Werk absolutes Neuland sein, umso mehr ist es zu empfehlen. Wer sich mit arbeitsrechtlichen und beschäftigtendatenschutzrechtlichen Fragen im Hinblick auf Digitalisierungsprozesse der Industrie auseinandersetzen möchte, ist jedenfalls mit dem Werk von Hofmann bestens beraten. Dies gilt umso mehr, als es gegenwärtig von der Anlage her ein Alleinstellungsmerkmal hat. (cwh)
Däubler, Wolfgang (Hrsg.), Tarifvertragsgesetz mit Arbeitnehmer-Entsendegesetz, Nomos V erlagsgesellschaft, 5. Auflage Baden-Baden 2022, ISBN 978-3-8487-7631-3, 2083 S., € 188,00.
Kommentare zum Tarifvertragsgesetz gibt es eine ganze Reihe, das von Wolfgang Däubler vor vielen Jahren begründete Werk zählt sicherlich zu den engagiertesten seiner Art. Zwar hat das TVG nur etwas mehr als zehn Paragrafen. Gleichwohl listet das Bearbeiterverzeichnis 20 Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Praxis auf, wobei acht weibliche Kommentatoren eine Quote bilden, welche bei vergleichbaren Werken auch rechtsgebietsübergreifend kaum zu finden ist. Stolze 1.918 Seiten reiner Text sind nötig, um den Leser tarifrechtlich auf dem Laufenden zu halten, wobei noch anzumerken ist, dass im Anhang 1 zu § 5 auf rd. 50 Seiten die staatliche Vergütungskontrolle im Arbeitsrecht behandelt wird und sich im Anhang 2 zu § 5 eine rd. 80 Seiten starke Kommentierung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes findet. Einen eigenen MiLoG- sowie einen AEntG Kommentar kann sich der Besitzer des Däubler also sparen.
Von der Breite her ungewöhnlich für eine Kommentierung ist die von Däubler, Schieck und Ulber verfasste „Einleitung“. Freilich geht der Inhalt weit über das hinaus, was man sich unter einer solchen vorstellt. Auf rd. 350 Seiten wird der Leser zunächst mit der Entstehung und Entwicklung von Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie vertraut gemacht. Anschließend werden Tarifvertrag und Tarifautonomie im Rechtsquellensystem verortet, wobei insbesondere die Ausführungen zum überstaatlichen Recht Beachtung verlangen (Rn. 689 ff.). Eingegangen wird ferner auf das Verhältnis des Tarifvertrages zum Kartellrecht, die maßgeblichen Auslegungsgrundsätze sowie prozessuale Fragen. Ausführlich behandelt Däubler Tarifverträge mit Auslandsbezug sowie supranationale Kollektivvereinbarungen. Und schließlich geht es um sonstige Koalitionsverträge (Rn. 1162 ff.), wobei auch ein Blick auf innerkirchliche Kollektivvereinbarungen nicht fehlt. Am umfangreichsten fällt naturgemäß die zuvorderst von Nebe besorgte Kommentierung zu § 1 TVG aus. Reingard Zimmer verantwortet die Darstellung von Entgeltregelungen im Tarifvertrag (Rn. 391 ff.), die folgenden Passagen zu dieser Grundnorm des TVG stammen aus der Feder von Heuschmid und Klug, deren Überlegungen zu Arbeitszeitfragen Beachtung verdienen (Rn. 578 ff.). Klein bespricht weitere typische Klauseln (Rn. 836 ff.). Den schuldrechtlichen Teil sowie die tariflichen Lösungen zur Konfliktlösung übernimmt Ahrendt (Rn. 1124 ff.). Wer Tarifvertragspartei sein kann, regelt § 2 TVG und hierfür ist nunmehr Rödl zuständig. Die in § 3 TVG normierte Tarifgebundenheit bespricht im einzelnen Lorenz, wobei auf Bedeutung und Reichweite von Bezugnahmeklauseln besonderer Wert gelegt wird (Rn. 216 ff.). Die Wirkung von Tarifnormen findet sich in § 4 TVG, welchen anstelle von Deinert nun Wenckebach kommentiert. Die in § 4 Abs. 5 TVG geregelte Nachwirkung erklärt Bepler. Vor dem Hintergrund, dass die überwiegende Mehrzahl der Tarifverträge Ausschlussfristen enthält, gewinnt die ausführliche Kommentierung von Zwanziger und Yalcin zu dieser Frage besondere Bedeutung (Rn. 1023 ff.). Däubler und Zwanziger erläutern den neuen § 4 a TVG und zeigen damit die Regeln zur Lösung von Tarifkollisionen auf. Nachdem die Vorschrift sich verfassungsgerichtlicher Überprüfung erfreuen durfte, interessiert naturgemäß die Meinungen der Autoren. Sie machen aus ihren verfassungsrechtlichen Bedenken keinen Hehl (Rn. 110 ff.). Durch das Tarifautonomiestärkungsgesetz aus dem Jahre 2014 erfuhr § 5 TVG eine grundlegende Umgestaltung. Rödl hat den Part von Lakies übernommen und bringt die Neuregelungen dem Leser nahe, wichtig sind vor allem die geänderten prozessualen Zuständigkeiten (Rn. 251 ff.). Auch die staatliche Vergütungskontrolle fällt nunmehr in das Ressort von
Rödl, hinzuweisen ist insbesondere auf die Ausführungen zum allgemeinen Mindestlohn (Rn. 75 ff.). Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ist nunmehr Sache von Walser, der ganz aktuell auch auf das GSA Fleisch eingeht (Rn. 37 ff.). Die §§ 6 – 13 TVG behandelt kundig Stephanie Rachor. Vor allem die Überlegungen zu § 9 TVG verdienen hier Beachtung.
Fazit: Das Werk hält, was man sich von ihm verspricht. Nicht nur wer für eine bestimmte Frage tarifrechtlicher Art eine Antwort sucht, sondern auch wer tieferschürfend systematische Ansprüche hat, wird im Däubler jedenfalls nicht nur fündig werden, sondern auch eine kundige Beratung erfahren. Nicht verschwiegen werden darf und soll, dass es sich sicherlich nicht um einen „Arbeitgeberkommentar“ handelt; um es einmal so zu formulieren. Das tut der Qualität des Buches aber keinen Abbruch, schließlich kann jeder angesichts der offenen Darstellung der Meinungsstände seinen eigenen Standpunkt entwickeln. Was will man mehr von einem guten Kommentar? (cwh)