Recht

Arbeitsrecht

Aus: fachbuchjournal-Ausgabe 1/2022

Bepler, Klaus / Hohenstatt, Klaus-Stefan / Preis, Ulrich / Schunder, Achim, Arbeitsrecht bei Änderung der Unternehmensstruktur. Festschrift für Heinz Josef Willemsen zum 65. Geburtstag, C.H.Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72678-1, 659 S., € 159,00.

    Immer wenn der Autor dieser Zeilen eine Festschrift in die Hand bekommt, fallen ihm die unvergesslichen, geradezu legendären Ausführungen von Karl-Georg Loritz zur Mängelhaftung beim Festschriftkauf ein; publiziert in der Gedächtnisschrift für Friedrich Gottlob Nagelmann (Das wahre Verfassungsrecht, Zwischen Lust und Leistung, 1984, S. 507, 508). Dazu muss man sich § 434 Abs. 1 S. 1, 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches vergegenwärtigen, welcher bestimmt: „(1) Die Sache ist frei von Sachmän­geln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Be­ schaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht ver­ einbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, 1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Ver­ wendung eignet, sonst 2. wenn sie sich für die gewöhn­ liche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit auf­ weist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.“ Loritz unterscheidet drei Gruppen von Festschriftkäufern: Erstens gebe es Käufer, welche eine Festschrift nur erwürben, weil sie sie erwerben müssten (sogenannte „Musskäufer“): Hierzu gehörten vor allem Bibliotheken. Charakteristisch für Muss-Käufer sei das Auseinanderfallen von Käufer und Leser. Der Käufer erwerbe die Festschrift nur, um sie dem Leser zugänglich zu machen. Die zweite Käufergruppe (sogenannte „durchschnittliche Festschriftkäufer“) erwerbe die Festschrift nur, um zu sehen, wer darin geschrieben habe. Sie „überflögen“ in der Regel nur die Titel; bei sorgfältigem Überfliegen würden allenfalls noch die Fußnoten gelesen, um zu kontrollieren, ob auch Werke des Käufers zitiert seien. Die dritte und zahlenmäßig wohl kleinste Gruppe seien diejenigen, welche eine Festschrift tatsächlich zur wissenschaftlichen Bereicherung anschafften, gründlich läsen und sich zum Wissenserwerb dienen ließen (sogenannte „interessierte Festschriftkäufer“). Für Musskäufer komme es auf den Inhalt der Festschrift ohnehin nicht an. Wichtig sei nur, dass sie sie hätten. Auch gute Bibliotheken zeichneten sich ja gerade dadurch aus, dass sie alle und damit auch „schlechte“ Bücher erwürben. Für diese Gruppe sei eine Festschrift ohne Rücksicht auf ihren Inhalt nie fehlerhaft. Auch für den durchschnittlichen Festschriftkäufer liege regelmäßig kein Fehler vor; denn es komme ihm nur auf die Autoren, Überschriften und die Fußnoten an. All das finde er sicher. Die eigentlichen Rechtsprobleme würfen die interessierten Festschriftkäufer auf. Für sie könne eine Festschrift mit unerwartetem Inhalt unter Umständen durchaus fehlerhaft sein. Nun mag man sich fragen, was Loritz zu seinen Überlegungen veranlasst hat; vom besonderen Fall der Gedächtnisschrift für Nagelmann einmal abgesehen. Hier sei eine Episode wiedergegeben, welche der Verfasser dieser Zeilen selbst erlebt hat. Als er das erste Mal vor über einem Vierteljahrhundert bei einer Festschrift mitgeschrieben hatte, wurde er wie üblich zur feierlichen Verleihung an den Jubilar eingeladen. Die Festrede hielt ein berühmter Hochschullehrer und dieser lobte den Inhalt der Festschrift unter anderem mit den Worten, „sie enthielte kreative Beiträge, nicht selten behülfe man sich ja mit der Publikation von erstatteten Gutachten“. Um diese Aussage richtig würdigen zu können, muss man wissen, dass man durchaus auch bei den Autorinnen und Autoren nach drei Kategorien differenzieren kann. In die erste Gruppe gehören Personen, denen es ein ernstes Anliegen ist, an dem Werk mitzuarbeiten, weil sie eine enge Verbindung zu der mit der Festgabe geehrten Person haben. Sie schätzen ihn als Kollegen oder akademischen Lehrer. Diese Gruppe könnte man als „Schreiber mit Herz und Seele“ bezeichnen. In die zweite Kategorie gehören Verfasser, die zwar nicht so recht wissen, warum sie mitschreiben sollen, es aber als Wertschätzung empfinden und deshalb nicht abgeneigt sind, einen Beitrag zu verfassen. Die Bezeichnung „willige Schreiber“ dürfte sie am besten charakterisieren. Nun gibt es aber noch eine dritte Gruppe, nämlich diejenigen, welche überhaupt nicht nachvollziehen können, warum man sie zur Mitarbeit auffordert. Sie können es sich nur damit erklären, dass sie eben zu den absoluten Koryphäen gehörten, welche eine Zierde jedes Buches darstellten. Aus diesem Grunde lehnen sie eine Mitarbeit an der Festschrift auch nicht ab, haben aber gleichwohl nicht die geringste Lust dazu (sogenannte „unlustige Schreiber“). Während die „Herz und Seele-Schreiber“ ihr Bestes geben und die „willigen Schreiber“ sich zumindest bemühen, mag bei den „unlustigen Schreibern“ durchaus ein fader Aufguss das Ergebnis der nicht vorhandenen Bemühungen sein. Nicht verhohlen werden soll auch, dass manche Personen es als Kränkung ihrer Eitelkeit ansehen, wenn sie zur Mitarbeit an einer bestimmten Festschrift nicht eingeladen werden.

    Als Rezensent zählt man naturgemäß zu den „interessierten Festschriftlesern“ im Sinne der loritzschen Klassifikation. Schon ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis der Festgabe für Heinz Josef Willemsen lässt erahnen, dass sie von „Herz und Seele-Schreibern“ geprägt wird. Rund 60 Autorinnen und Autoren aus Praxis und Wissenschaft tragen das Ihrige dazu bei, den Titel des Buches „Arbeitsrecht bei Änderung der Unternehmensstruktur“ inhaltlich auszufüllen. So verwundert es nicht, dass über die Hälfte der Beiträge sich unmittelbar mit Fragen des § 613 a BGB bzw. Umstrukturierungen befasst. Nahezu alle relevanten Aspekte werden aufgegriffen. Genannt seien die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen, der Weiterbestand von Versorgungsversprechen, Unterrichtungspflichten und Widerspruch, prozessuale Fragen, der Umgang mit Beschäftigtendaten, das Schicksal des Erholungsurlaubs, betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen sowie der Wiedereinstellungsanspruch. Auch die Beteiligung kirchlicher Träger und öffentlicher Arbeitgeber bei Betriebsübergängen kommt nicht zu kurz. Hinzu kommen Überlegungen zu Konsequenzen aus unionsrechtlichen Vorgaben. Gerade das Arbeitsrecht ist ja insoweit arg „gebeutelt“ worden, was entsprechende Beiträge um so interessanter macht. Darüber hinaus findet man Aufsätze zum Recht der Kündigung, zum Sozialversicherungsrecht, zum Arbeitskampf und einiges mehr.

    Damit wären wir beim Ausgangspunkt: Könnte ein Käufer der Festschrift für Willemsen eine Mängelrüge erheben, weil sie sich nicht zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung eignet oder sie nicht eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten darf? Die Antwort lautet: Nein! Wer an Fragen in Zusammenhang mit der Änderung von Unternehmensstrukturen interessiert ist, wird nicht enttäuscht werden. Von einem „unerwartetem Inhalt“ kann nicht die Rede sein und die Aktualität und Qualität der Beiträge lässt nichts zu wünschen übrig. (cwh)

     

    Fuchs, Harald / Köstler, Roland / Pütz, Lasse, Handbuch zur Aufsichtsratswahl. Wahlen der Arbeitnehmervertr eter nach dem Mitbestimmungsgesetz und dem Drittelbeteiligungsgesetz, Bund-Verlag Frankfurt a.M., 7. Aufl., 2021, ISBN 978-3-7663-7086-0, 560 S., € 54,90.

       

      Wer selbst – sei es als Organisator, sei es als Kontrollgremium – mit Wahlen zu tun hatte, weiß, wie schnell dabei Fehler passieren können. Dass Wahlen aus diesem Grund regelmäßig angefochten werden, mag man an der Zahl der dazu veröffentlichten Gerichtsentscheidungen ermessen. Damit korrespondiert, was Arthur Nikisch vor über einem halben Jahrhundert zum Wahlverfahren des BetrVG 1952 gesagt hat (RdA 1962,366): „Wenn man als gelernter Jurist beispielsweise die Vorschriften über das Wahlverfahren mit Mühe und Fleiß studiert, dann kommen einem doch erhebliche Zweifel, ob die Arbeitnehmer im Wahlvorstand nicht überfordert werden, wenn man von ihnen verlangt, dass sie alles richtig verstehen und anwenden. In der Praxis hilft man sich vermutlich mit dem bewährten Konzept, fünf gerade sein zu lassen.“ Umso wichtiger ist es, sich als Verantwortlicher um einen einwandfreien Ablauf zu bemühen. Das nunmehr schon in 7. Auflage erscheinende Handbuch von Fuchs, Köstler und Pütz will in Bezug auf die Wahlen der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat dazu Hilfestellung leisten. Es wendet sich ausdrücklich an diejenigen Personen, welche mit der Durchführung der Wahlen der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat in mitbestimmten Unternehmen befasst sind. In der Neuauflage ist die Covid 19-Pandemie ebenso berücksichtigt wie die durch die Geschlechterquote zu beachtenden Formalien. Rechtsprechung Schrifttum sind natürlich auf den aktuellen Stand gebracht.

      Seiner Zielsetzung nach gliedert sich das Werk in drei Teile: Im 1. Kapitel wird der Geltungs- und Anwendungsbereich der Mitbestimmungsgesetze dargestellt. Hier kann man sich schnell einen Überblick über die erfassten Gesellschaftsformen und die erforderlichen Arbeitnehmerzahlen verschaffen. Erklärt wird auch, welche numerische Größe der Aufsichtsrat jeweils aufzuweisen hat (S. 45 ff.). Schwierig wird es bei Konzernsachverhalten, deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass diese Problematik eine eingehende Behandlung erfährt. Selbst spezielle Fallgestaltungen wie der „Konzern im Konzern“ (S. 65 ff.) oder die arbeitnehmerlose Konzernspitze (S. 79 f.) werden behandelt. Wichtig ist auch der abschließende Abschnitt über die Rechtsstreitigkeiten. Hier werden viele Praxisfragen bis hin zu Sonderfällen (S. 92 ff.) beantwortet.

      Das 2. Kapitel des Buches widmet sich dann der Wahl der Arbeitnehmervertreter, ihrer Abberufung und ihrem Widerruf. Im ersten Abschnitt geht es um Begrifflichkeiten und damit zusammenhängende Rechtsfragen. So muss klar sein, wer als leitender Angestellter zu gelten hat (S. 102 f.). Natürlich werden auch die Wählbarkeitsvoraussetzungen im Einzelnen dargestellt (S. 106 ff.). Wie die Wahlen abzulaufen bzw. zu organisieren sind, erfährt man in den folgenden Abschnitten. Begonnen wird mit dem Mitbestimmungsgesetz 1976. Einleitung der Wahl, Bestellung des Wahlvorstands, Erstellung der Wählerliste, Wahlausschreiben, Wahl durch Delegierte sind nur einige der Stichworte, die hier genannt werden sollen. Für die Wahl in Unternehmen mit nur einem Betrieb (S. 119 ff.), Unternehmen mit mehreren Betrieben (S. 158 ff.) sowie Aufsichtsratswahlen im Konzern (S. 196 ff.) erfolgt jeweils eine getrennte Darstellung, was der Übersichtlichkeit sehr dienlich ist. Ausführlich wird auf die mit der 30%-Geschlechterquote verbundenen Fragen eingegangen (S. 238 ff.). Die zweite behandelte Mitbestimmungsform ist im Drittelbeteiligungsgesetz verankert, auch dazu findet man alles Notwendige (S. 253 ff.). Wahlschutz und Wahlkosten schließen sich an. § 104 AktG ermöglicht die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, wie das vonstatten zu gehen hat, wird in der Folge erläutert (S. 297 ff.). Bei der abschließenden Übersicht über denkbare Rechtsstreitigkeiten steht natürlich die Anfechtbarkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern im Vordergrund (S. 307 ff.).

      Komplettiert wird die Darstellung durch die einschlägigen Gesetzestexte, was die angesprochene Leserschaft sicherlich freuen wird. Neben den beiden Mitbestimmungsgesetzen findet man hier insbesondere die Wahlordnungen. Schon ein flüchtiger Blick auf deren Umfang macht deutlich, wie nützlich das Handbuch ist.

      Ein ausführliches Stichwortverzeichnis erleichtert den Zugang zur Materie. Dem Leser wird aber auch sonst Hilfestellung gegeben, insbesondere durch Beispielrechungen. Wer also die Wahlen der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat organisieren muss bzw. damit verbundene Fragestellungen zu klären hat, ist mit dem Handbuch von Fuchs, Köstler und Pütz bestens beraten. (cwh)

      Prof. Dr. Curt Wolfgang Hergenröder (cwh), Lehrstuhl für Bürger­ liches Recht, Arbeits-, Handels- und Zivilprozessrecht, Johannes Gutenberg-Universität, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswis­ senschaften. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Deutsches, Europäisches und Internationales Arbeits-, Insolvenz- und Zivil­ verfahrensrecht.

      cwh@uni-mainz.de

       

       

      Hannes Bahrmann, Rattennest. Argentinien und die Nazis. Berlin: Ch.Links 2021, Klappenbroschur, 272 S., 51 s/w Abb., 1 Karte, ISBN 978-3-96289-128-2. € 20,00.

        Adolf Eichmann, der die Vernichtung der europäischen Juden organisierte, setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg ebenso nach Argentinien ab wie Josef Mengele, der KZ-Arzt von Auschwitz. Hunderte NS-Verbrecher t­aten es ihnen gleich. Auf den sogenannten Rattenlinien, den Fluchtrouten, gelangten sie in ein Land, das sie mit offenen Armen empfing. Doch warum ausgerechnet Argentinien? Lateinamerika-Kenner Hannes Bahrmann geht dieser Frage nach und stellt überzeugend dar: Die Antwort liegt in der Geschichte des Landes selbst begründet.

        Der Genozid an der indigenen Bevölkerung und die gezielte Besiedlung mit einer „weißen Rasse“ im 19. Jahrhundert, die Verflechtungen von ar ­ gentinischem und deutschem Militär im Kaiserreich und der Weimarer Republik, die lokale Präsenz von Naziorganisationen während des Dritten Reiches – all das bildete die Grundlage dafür, dass Argentinien zu einem sicheren Hafen für NS-Verbrecher wurde. Viele von ihnen führten dort nach 1945 ein ganz normales Leben. Anders als die deutschen Wissenschaftler und Ingenieure, die Präsident Juan Perón ins Land holte, um es zu modernisieren und Argentinien den Weg zur Großmacht zu ebnen, besaßen sie kaum eine Qualifikation. Außer einer: Sie waren weiß, sie waren deutsch, sie waren Angehörige der „Herrenrasse“. Ihre Verbrechen interessierten nicht. Ein wichtiges Buch! (red)

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